len. Man muß also sich begnügen durch allmälige Fortschritte erst künftigen Generationen das Glück zu bereiten, dessen die itzige noch nicht empfänglich ist, und dem Vorurtheile etwas weichen, wenn man ohne dieses es nie bezwingen würde. Aber selbst im Weichen muß man den Sieger erkennen, der einst zurückkommen und den geschwächten Feind ganz bändigen wird. Auch im Kriege gegen die Vorurtheile ist Fabius der Zaudernde oft der wei- sere und glücklichere, aber auch gewöhnlich von den Zeitgenossen verkannt, um von der Nachwelt, die das Ganze, das er bildete, nun gebildet übersieht, desto mehr verehrt zu werden.
Einzelne Menschen können, nach dem Ein- geben brausender Leidenschaften eine Reforme begin- nen, die, wenn sie nicht von Zeitumständen ausser- ordentlich begünstigt wird, selten wichtige Folgen haben wird. Aber nach einem festen, sich selbst immer nach den Zeitumständen entwickelnden Plane mit Rücksicht nicht auf einige, sondern auf alle Bedürf- nisse, alle Verhältnisse des Staats, mit Schonung auch des nun einmal unter dem Schutz und mit Bey- hülfe des Staats aufgewachsenen Vorurtheils, re- formiren; dies ist das Werk einer weisen und auf- geklärten Regierung, welche die Menschen und die Art, sie zu behandeln kennt und weiß, daß, um
wirk-
len. Man muß alſo ſich begnuͤgen durch allmaͤlige Fortſchritte erſt kuͤnftigen Generationen das Gluͤck zu bereiten, deſſen die itzige noch nicht empfaͤnglich iſt, und dem Vorurtheile etwas weichen, wenn man ohne dieſes es nie bezwingen wuͤrde. Aber ſelbſt im Weichen muß man den Sieger erkennen, der einſt zuruͤckkommen und den geſchwaͤchten Feind ganz baͤndigen wird. Auch im Kriege gegen die Vorurtheile iſt Fabius der Zaudernde oft der wei- ſere und gluͤcklichere, aber auch gewoͤhnlich von den Zeitgenoſſen verkannt, um von der Nachwelt, die das Ganze, das er bildete, nun gebildet uͤberſieht, deſto mehr verehrt zu werden.
Einzelne Menſchen koͤnnen, nach dem Ein- geben brauſender Leidenſchaften eine Reforme begin- nen, die, wenn ſie nicht von Zeitumſtaͤnden auſſer- ordentlich beguͤnſtigt wird, ſelten wichtige Folgen haben wird. Aber nach einem feſten, ſich ſelbſt immer nach den Zeitumſtaͤnden entwickelnden Plane mit Ruͤckſicht nicht auf einige, ſondern auf alle Beduͤrf- niſſe, alle Verhaͤltniſſe des Staats, mit Schonung auch des nun einmal unter dem Schutz und mit Bey- huͤlfe des Staats aufgewachſenen Vorurtheils, re- formiren; dies iſt das Werk einer weiſen und auf- geklaͤrten Regierung, welche die Menſchen und die Art, ſie zu behandeln kennt und weiß, daß, um
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len. Man muß alſo ſich begnuͤgen durch allmaͤlige
Fortſchritte erſt kuͤnftigen Generationen das Gluͤck
zu bereiten, deſſen die itzige noch nicht empfaͤnglich
iſt, und dem Vorurtheile etwas weichen, wenn
man ohne dieſes es nie bezwingen wuͤrde. Aber
ſelbſt im Weichen muß man den Sieger erkennen,
der einſt zuruͤckkommen und den geſchwaͤchten Feind
ganz baͤndigen wird. Auch im Kriege gegen die
Vorurtheile iſt Fabius der Zaudernde oft der wei-
ſere und gluͤcklichere, aber auch gewoͤhnlich von den
Zeitgenoſſen verkannt, um von der Nachwelt, die
das Ganze, das er bildete, nun gebildet uͤberſieht,
deſto mehr verehrt zu werden.
Einzelne Menſchen koͤnnen, nach dem Ein-
geben brauſender Leidenſchaften eine Reforme begin-
nen, die, wenn ſie nicht von Zeitumſtaͤnden auſſer-
ordentlich beguͤnſtigt wird, ſelten wichtige Folgen
haben wird. Aber nach einem feſten, ſich ſelbſt immer
nach den Zeitumſtaͤnden entwickelnden Plane mit
Ruͤckſicht nicht auf einige, ſondern auf alle Beduͤrf-
niſſe, alle Verhaͤltniſſe des Staats, mit Schonung
auch des nun einmal unter dem Schutz und mit Bey-
huͤlfe des Staats aufgewachſenen Vorurtheils, re-
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/378>, abgerufen am 21.11.2024.
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