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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

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einträglichen Schutzgeldes) viel Juden dulden, kla-
gen die Unterthanen, daß sie vor Diebereyen und
nächtlichen Einbrüchen nicht sicher sind: selbst hier in
Göttingen hat doch zur Sicherheit der Einwohner vor
Diebstählen den sämtlichen unsere Jahrmärkte besu-
chenden fremden Juden verboten werden müssen,
ungerufen auch nur zum Anbieten ihrer Waare und
Handels in die Häuser zu kommen. Soll nun ein
Landesherr seinen guten Unterthanen ein solch Volk
in der Hofnung, es im dritten oder vierten Ge-
schlecht zu bessern, aufdringen? Wie? wenn ein
Vater einen liederlichen diebischen Betteljungen, der
ihn nicht angehet, um ihn zu bessern, seinem Sohn
zum Schulkameraden ins Haus nähme? Der Va-
ter kann allenfalls, wenn er sich um das Urtheil der
Welt nicht bekümmert, ohne Verletzung der Rechte
seines Sohns thun, was er will: er ist Herr, hat
dem Sohn das Daseyn gegeben, und schaft ihm
Brodt. Aber der Fürst thut keins von beyden, hat
nach dem natürlichen Recht seine Gewalt am Ende
vom Volk, ist dessen erster Bedienter, wird von dem
reichlich dafür besoldet, und nicht der Fürst, sondern
das Volk schützt den Staat und ihn selbst, Er lenkt
blos den Schutz. Selbst souveraine Könige äussern
diesen Gedanken frey in ihren Schriften. Hier schie-

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eintraͤglichen Schutzgeldes) viel Juden dulden, kla-
gen die Unterthanen, daß ſie vor Diebereyen und
naͤchtlichen Einbruͤchen nicht ſicher ſind: ſelbſt hier in
Goͤttingen hat doch zur Sicherheit der Einwohner vor
Diebſtaͤhlen den ſaͤmtlichen unſere Jahrmaͤrkte beſu-
chenden fremden Juden verboten werden muͤſſen,
ungerufen auch nur zum Anbieten ihrer Waare und
Handels in die Haͤuſer zu kommen. Soll nun ein
Landesherr ſeinen guten Unterthanen ein ſolch Volk
in der Hofnung, es im dritten oder vierten Ge-
ſchlecht zu beſſern, aufdringen? Wie? wenn ein
Vater einen liederlichen diebiſchen Betteljungen, der
ihn nicht angehet, um ihn zu beſſern, ſeinem Sohn
zum Schulkameraden ins Haus naͤhme? Der Va-
ter kann allenfalls, wenn er ſich um das Urtheil der
Welt nicht bekuͤmmert, ohne Verletzung der Rechte
ſeines Sohns thun, was er will: er iſt Herr, hat
dem Sohn das Daſeyn gegeben, und ſchaft ihm
Brodt. Aber der Fuͤrſt thut keins von beyden, hat
nach dem natuͤrlichen Recht ſeine Gewalt am Ende
vom Volk, iſt deſſen erſter Bedienter, wird von dem
reichlich dafuͤr beſoldet, und nicht der Fuͤrſt, ſondern
das Volk ſchuͤtzt den Staat und ihn ſelbſt, Er lenkt
blos den Schutz. Selbſt ſouveraine Koͤnige aͤuſſern
dieſen Gedanken frey in ihren Schriften. Hier ſchie-

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[55/0063] eintraͤglichen Schutzgeldes) viel Juden dulden, kla- gen die Unterthanen, daß ſie vor Diebereyen und naͤchtlichen Einbruͤchen nicht ſicher ſind: ſelbſt hier in Goͤttingen hat doch zur Sicherheit der Einwohner vor Diebſtaͤhlen den ſaͤmtlichen unſere Jahrmaͤrkte beſu- chenden fremden Juden verboten werden muͤſſen, ungerufen auch nur zum Anbieten ihrer Waare und Handels in die Haͤuſer zu kommen. Soll nun ein Landesherr ſeinen guten Unterthanen ein ſolch Volk in der Hofnung, es im dritten oder vierten Ge- ſchlecht zu beſſern, aufdringen? Wie? wenn ein Vater einen liederlichen diebiſchen Betteljungen, der ihn nicht angehet, um ihn zu beſſern, ſeinem Sohn zum Schulkameraden ins Haus naͤhme? Der Va- ter kann allenfalls, wenn er ſich um das Urtheil der Welt nicht bekuͤmmert, ohne Verletzung der Rechte ſeines Sohns thun, was er will: er iſt Herr, hat dem Sohn das Daſeyn gegeben, und ſchaft ihm Brodt. Aber der Fuͤrſt thut keins von beyden, hat nach dem natuͤrlichen Recht ſeine Gewalt am Ende vom Volk, iſt deſſen erſter Bedienter, wird von dem reichlich dafuͤr beſoldet, und nicht der Fuͤrſt, ſondern das Volk ſchuͤtzt den Staat und ihn ſelbſt, Er lenkt blos den Schutz. Selbſt ſouveraine Koͤnige aͤuſſern dieſen Gedanken frey in ihren Schriften. Hier ſchie- ne D 4

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Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/63>, abgerufen am 21.11.2024.