die christliche Religion wohl durch Druck und Ver- achtung empfehlen? Die Religion der Christen in ihrer ursprünglichen Reinigkeit kennt freylich keinen Verfolgungsgeist, sie empfiehlt gegenseitige Liebe und Duldung, und ihrem Stifter war ein rechtschaffe- ner Samariter lieber, als ein rechtgläubiger Jude der ein Schurke war. Aber woher soll der Jude dis reine Urchristenthum kennen lernen, da wir's selbst alle nicht mehr kennen? Kann er anders, als nach unserm eigenen Leben und Wandel auf unsere Reli- gion zurückschließen? und kann sie sich da empfeh- len? Gesetzt nun, sein Irrthum ist ihm da ver- dammlich, von wessen Händen wird sein Blut gefor- dert werden? Von den Seinigen allein? oder auch von den Unsrigen? von uns, die wir ihn durch un- ser schlechtes Leben zwangen, schlecht von unserm Glauben zu denken? die wir in ihm durch pöbelhafte, blinde Verachtung den Menschen schänden, und Den entehren, der den Menschen geschaffen hat? Kann der Jude Vertrauen zu demjenigen haben, der ihn geringer hält, als einen Hund? In meinem Leben hab ich mir's nicht erlaubt, einen Juden schlecht zu behandeln, ich hab' in ihm den Menschen geehrt, der Fleisch ist von meinem Fleisch, und Bein von meinem Bein. Mit seinem Irrthum hab' ich Ge-
dult
die chriſtliche Religion wohl durch Druck und Ver- achtung empfehlen? Die Religion der Chriſten in ihrer urſpruͤnglichen Reinigkeit kennt freylich keinen Verfolgungsgeiſt, ſie empfiehlt gegenſeitige Liebe und Duldung, und ihrem Stifter war ein rechtſchaffe- ner Samariter lieber, als ein rechtglaͤubiger Jude der ein Schurke war. Aber woher ſoll der Jude dis reine Urchriſtenthum kennen lernen, da wir’s ſelbſt alle nicht mehr kennen? Kann er anders, als nach unſerm eigenen Leben und Wandel auf unſere Reli- gion zuruͤckſchließen? und kann ſie ſich da empfeh- len? Geſetzt nun, ſein Irrthum iſt ihm da ver- dammlich, von weſſen Haͤnden wird ſein Blut gefor- dert werden? Von den Seinigen allein? oder auch von den Unſrigen? von uns, die wir ihn durch un- ſer ſchlechtes Leben zwangen, ſchlecht von unſerm Glauben zu denken? die wir in ihm durch poͤbelhafte, blinde Verachtung den Menſchen ſchaͤnden, und Den entehren, der den Menſchen geſchaffen hat? Kann der Jude Vertrauen zu demjenigen haben, der ihn geringer haͤlt, als einen Hund? In meinem Leben hab ich mir’s nicht erlaubt, einen Juden ſchlecht zu behandeln, ich hab’ in ihm den Menſchen geehrt, der Fleiſch iſt von meinem Fleiſch, und Bein von meinem Bein. Mit ſeinem Irrthum hab’ ich Ge-
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die chriſtliche Religion wohl durch Druck und Ver-
achtung empfehlen? Die Religion der Chriſten in
ihrer urſpruͤnglichen Reinigkeit kennt freylich keinen
Verfolgungsgeiſt, ſie empfiehlt gegenſeitige Liebe und
Duldung, und ihrem Stifter war ein rechtſchaffe-
ner Samariter lieber, als ein rechtglaͤubiger Jude
der ein Schurke war. Aber woher ſoll der Jude dis
reine Urchriſtenthum kennen lernen, da wir’s ſelbſt
alle nicht mehr kennen? Kann er anders, als nach
unſerm eigenen Leben und Wandel auf unſere Reli-
gion zuruͤckſchließen? und kann ſie ſich da empfeh-
len? Geſetzt nun, ſein Irrthum iſt ihm da ver-
dammlich, von weſſen Haͤnden wird ſein Blut gefor-
dert werden? Von den Seinigen allein? oder auch
von den Unſrigen? von uns, die wir ihn durch un-
ſer ſchlechtes Leben zwangen, ſchlecht von unſerm
Glauben zu denken? die wir in ihm durch poͤbelhafte,
blinde Verachtung den Menſchen ſchaͤnden, und
Den entehren, der den Menſchen geſchaffen hat?
Kann der Jude Vertrauen zu demjenigen haben, der
ihn geringer haͤlt, als einen Hund? In meinem
Leben hab ich mir’s nicht erlaubt, einen Juden ſchlecht
zu behandeln, ich hab’ in ihm den Menſchen geehrt,
der Fleiſch iſt von meinem Fleiſch, und Bein von
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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