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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Die Rechtsfrage.

"Es ist wahr, bei Ihnen kann er es nur am Tage,"
fügte der Kriminalrath lächelnd hinzu, "überall aber ist
er von seinem Schritt nur seinen Vorgesetzten Rechen¬
schaft schuldig und bis dahin kann er, wie gesagt, von
Jedermann Folgsamkeit verlangen." --

Hier machte der Redner eine kleine Pause, während
welcher ihn die ganze Gesellschaft erwartungsvoll an¬
blickte.

"Ich glaube daher," fuhr er wieder fort, "ja, --
da das Gesetz keine Ausnahme statuirt, so muß man als
gewiß annehmen, daß der Unterthan jedem Organ der
administrativen Gewalt Folge leisten muß, selbst wenn es
von ihm verlangt, ins Wasser zu springen. Das ist
nach Wortlaut des Gesetzes ganz gewiß. Ertrinkt er bei
diesem Experiment, so haben seine Erben nur alsdann
ein Klagerecht, wenn sie erweislich durch den Tod ihres
Erblassers einen Schaden erlitten haben; im Uebrigen ist
der Polizeibeamte über seinen Befehl an den Ertrunkenen
gesetzlich nur seinen Vorgesetzten Erklärung schuldig. Es
ist in diesem Fall nicht zu bezweifeln, daß der Beamte,
der so eigenmächtig und unverantwortlich handelte, von
seinen Vorgesetzten fallen gelassen würde, wahrscheinlich
sogar, daß man ihn den Gerichten übergäbe; auch be¬

Die Rechtsfrage.

„Es iſt wahr, bei Ihnen kann er es nur am Tage,“
fuͤgte der Kriminalrath laͤchelnd hinzu, „uͤberall aber iſt
er von ſeinem Schritt nur ſeinen Vorgeſetzten Rechen¬
ſchaft ſchuldig und bis dahin kann er, wie geſagt, von
Jedermann Folgſamkeit verlangen.“ —

Hier machte der Redner eine kleine Pauſe, waͤhrend
welcher ihn die ganze Geſellſchaft erwartungsvoll an¬
blickte.

„Ich glaube daher,“ fuhr er wieder fort, „ja, —
da das Geſetz keine Ausnahme ſtatuirt, ſo muß man als
gewiß annehmen, daß der Unterthan jedem Organ der
adminiſtrativen Gewalt Folge leiſten muß, ſelbſt wenn es
von ihm verlangt, ins Waſſer zu ſpringen. Das iſt
nach Wortlaut des Geſetzes ganz gewiß. Ertrinkt er bei
dieſem Experiment, ſo haben ſeine Erben nur alsdann
ein Klagerecht, wenn ſie erweislich durch den Tod ihres
Erblaſſers einen Schaden erlitten haben; im Uebrigen iſt
der Polizeibeamte uͤber ſeinen Befehl an den Ertrunkenen
geſetzlich nur ſeinen Vorgeſetzten Erklaͤrung ſchuldig. Es
iſt in dieſem Fall nicht zu bezweifeln, daß der Beamte,
der ſo eigenmaͤchtig und unverantwortlich handelte, von
ſeinen Vorgeſetzten fallen gelaſſen wuͤrde, wahrſcheinlich
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[108/0122] Die Rechtsfrage. „Es iſt wahr, bei Ihnen kann er es nur am Tage,“ fuͤgte der Kriminalrath laͤchelnd hinzu, „uͤberall aber iſt er von ſeinem Schritt nur ſeinen Vorgeſetzten Rechen¬ ſchaft ſchuldig und bis dahin kann er, wie geſagt, von Jedermann Folgſamkeit verlangen.“ — Hier machte der Redner eine kleine Pauſe, waͤhrend welcher ihn die ganze Geſellſchaft erwartungsvoll an¬ blickte. „Ich glaube daher,“ fuhr er wieder fort, „ja, — da das Geſetz keine Ausnahme ſtatuirt, ſo muß man als gewiß annehmen, daß der Unterthan jedem Organ der adminiſtrativen Gewalt Folge leiſten muß, ſelbſt wenn es von ihm verlangt, ins Waſſer zu ſpringen. Das iſt nach Wortlaut des Geſetzes ganz gewiß. Ertrinkt er bei dieſem Experiment, ſo haben ſeine Erben nur alsdann ein Klagerecht, wenn ſie erweislich durch den Tod ihres Erblaſſers einen Schaden erlitten haben; im Uebrigen iſt der Polizeibeamte uͤber ſeinen Befehl an den Ertrunkenen geſetzlich nur ſeinen Vorgeſetzten Erklaͤrung ſchuldig. Es iſt in dieſem Fall nicht zu bezweifeln, daß der Beamte, der ſo eigenmaͤchtig und unverantwortlich handelte, von ſeinen Vorgeſetzten fallen gelaſſen wuͤrde, wahrſcheinlich ſogar, daß man ihn den Gerichten uͤbergaͤbe; auch be¬

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/122>, abgerufen am 22.12.2024.