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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Das Unvermeidliche.
Gefühlen, denn wenige Schritte weiter erhob sich jetzt von
einem andern Hügel ebenfalls eine Gestalt. Beide hatten
einander in ihren Trauergedanken nicht wahrgenommen,
obwohl nur ein einziger Grabhügel sie trennte. Arthur
bog um das Grab seiner Mutter, der Andere um den
Hügel, an dem er gesessen, und so gewahrte jetzt Jeder
in der Dunkelheit die fremde Gestalt. In diesem Au¬
genblick trat plötzlich der Mond aus einer Wolke und
beleuchtete ihre Gesichter, -- Beide fuhren vor einander
zurück. Der zweite war der Polizeidirektor W.

Arthur betrachtete ihn mit einem lodernden Blick,
der aus dem bleichen, abgezehrten Gesicht gespenstisch
funkelte, und sein Herz pochte und kochte in gährender
Aufregung.

"Mögest Du in der Sterbestunde einsam und ver¬
lassen, in der Angst des Wahnsinns verenden!" rief er
mit gellendem Ton.

Der Polizeidirektor hatte ihn mit starrem ent¬
setztem Ausdruck, als ob er ein Gespenst sehe, betrach¬
tet. Seine Hand zeigte auf das eben verlassene Grab,
während sein Auge wie gebannt auf das funkelnde Auge
des Gegners schaute, und er stieß mit zitternder Stimme
das Wort der Verzweiflung aus:

12 *

Das Unvermeidliche.
Gefuͤhlen, denn wenige Schritte weiter erhob ſich jetzt von
einem andern Huͤgel ebenfalls eine Geſtalt. Beide hatten
einander in ihren Trauergedanken nicht wahrgenommen,
obwohl nur ein einziger Grabhuͤgel ſie trennte. Arthur
bog um das Grab ſeiner Mutter, der Andere um den
Huͤgel, an dem er geſeſſen, und ſo gewahrte jetzt Jeder
in der Dunkelheit die fremde Geſtalt. In dieſem Au¬
genblick trat ploͤtzlich der Mond aus einer Wolke und
beleuchtete ihre Geſichter, — Beide fuhren vor einander
zuruͤck. Der zweite war der Polizeidirektor W.

Arthur betrachtete ihn mit einem lodernden Blick,
der aus dem bleichen, abgezehrten Geſicht geſpenſtiſch
funkelte, und ſein Herz pochte und kochte in gaͤhrender
Aufregung.

„Moͤgeſt Du in der Sterbeſtunde einſam und ver¬
laſſen, in der Angſt des Wahnſinns verenden!“ rief er
mit gellendem Ton.

Der Polizeidirektor hatte ihn mit ſtarrem ent¬
ſetztem Ausdruck, als ob er ein Geſpenſt ſehe, betrach¬
tet. Seine Hand zeigte auf das eben verlaſſene Grab,
waͤhrend ſein Auge wie gebannt auf das funkelnde Auge
des Gegners ſchaute, und er ſtieß mit zitternder Stimme
das Wort der Verzweiflung aus:

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[179/0193] Das Unvermeidliche. Gefuͤhlen, denn wenige Schritte weiter erhob ſich jetzt von einem andern Huͤgel ebenfalls eine Geſtalt. Beide hatten einander in ihren Trauergedanken nicht wahrgenommen, obwohl nur ein einziger Grabhuͤgel ſie trennte. Arthur bog um das Grab ſeiner Mutter, der Andere um den Huͤgel, an dem er geſeſſen, und ſo gewahrte jetzt Jeder in der Dunkelheit die fremde Geſtalt. In dieſem Au¬ genblick trat ploͤtzlich der Mond aus einer Wolke und beleuchtete ihre Geſichter, — Beide fuhren vor einander zuruͤck. Der zweite war der Polizeidirektor W. Arthur betrachtete ihn mit einem lodernden Blick, der aus dem bleichen, abgezehrten Geſicht geſpenſtiſch funkelte, und ſein Herz pochte und kochte in gaͤhrender Aufregung. „Moͤgeſt Du in der Sterbeſtunde einſam und ver¬ laſſen, in der Angſt des Wahnſinns verenden!“ rief er mit gellendem Ton. Der Polizeidirektor hatte ihn mit ſtarrem ent¬ ſetztem Ausdruck, als ob er ein Geſpenſt ſehe, betrach¬ tet. Seine Hand zeigte auf das eben verlaſſene Grab, waͤhrend ſein Auge wie gebannt auf das funkelnde Auge des Gegners ſchaute, und er ſtieß mit zitternder Stimme das Wort der Verzweiflung aus: 12 *

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/193>, abgerufen am 22.12.2024.