Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Armuth und Verbrechen.
unumgänglich Nothwendige für die Wirthschaft zu be¬
schaffen.

Auf diese Weise kam das Hauswesen immer mehr
zurück. Die Frau kränkelte und vermochte ihres Zu¬
standes wegen nicht mehr auf Ordnung zu sehen, die
Gesellen wurden laß oder arbeiteten wenigstens nicht
wie früher mit Eifer und Liebe, der Hausmann, Bäcker,
Schuhmacher und andere kleine Gläubiger drängten all¬
mählig ernstlicher, und Schenk selbst verfiel durch all
diesen Jammer in düstere Stumpfheit. Seine Seele
erlag nach dem kurzen Traum des Glückes nur um so
schneller dem Druck der hoffnungslosen Armuth, es ward
wüst und leer in ihm, und selbst sein Aeußeres fiel ab
in Elend.

In einer stillen Nacht kniete der Mann vor einem
ärmlichen Bett, und seine heißen Thränen rollten auf
die abgemagerte Hand seines bleichen Weibes. Neben
ihr regte es sich, und ein hinfälliges neugebornes Kind
erwachte eben aus seinem ersten Schlafe. Der Hand¬
werker sah mit einem starren Blick der Verzweiflung
durch seine Thränen auf das kleine welke Geschöpf.

"Was wird dein Schicksal sein, du unschuldig
Wesen!" grollte er bitter in sich hinein. "Was hast

2 *

Armuth und Verbrechen.
unumgaͤnglich Nothwendige fuͤr die Wirthſchaft zu be¬
ſchaffen.

Auf dieſe Weiſe kam das Hausweſen immer mehr
zuruͤck. Die Frau kraͤnkelte und vermochte ihres Zu¬
ſtandes wegen nicht mehr auf Ordnung zu ſehen, die
Geſellen wurden laß oder arbeiteten wenigſtens nicht
wie fruͤher mit Eifer und Liebe, der Hausmann, Baͤcker,
Schuhmacher und andere kleine Glaͤubiger draͤngten all¬
maͤhlig ernſtlicher, und Schenk ſelbſt verfiel durch all
dieſen Jammer in duͤſtere Stumpfheit. Seine Seele
erlag nach dem kurzen Traum des Gluͤckes nur um ſo
ſchneller dem Druck der hoffnungsloſen Armuth, es ward
wuͤſt und leer in ihm, und ſelbſt ſein Aeußeres fiel ab
in Elend.

In einer ſtillen Nacht kniete der Mann vor einem
aͤrmlichen Bett, und ſeine heißen Thraͤnen rollten auf
die abgemagerte Hand ſeines bleichen Weibes. Neben
ihr regte es ſich, und ein hinfaͤlliges neugebornes Kind
erwachte eben aus ſeinem erſten Schlafe. Der Hand¬
werker ſah mit einem ſtarren Blick der Verzweiflung
durch ſeine Thraͤnen auf das kleine welke Geſchoͤpf.

Was wird dein Schickſal ſein, du unſchuldig
Weſen!“ grollte er bitter in ſich hinein. „Was haſt

2 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="19"/><fw place="top" type="header">Armuth und Verbrechen.<lb/></fw>unumga&#x0364;nglich Nothwendige fu&#x0364;r die Wirth&#x017F;chaft zu be¬<lb/>
&#x017F;chaffen.</p><lb/>
        <p>Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e kam das Hauswe&#x017F;en immer mehr<lb/>
zuru&#x0364;ck. Die Frau kra&#x0364;nkelte und vermochte ihres Zu¬<lb/>
&#x017F;tandes wegen nicht mehr auf Ordnung zu &#x017F;ehen, die<lb/>
Ge&#x017F;ellen wurden laß oder arbeiteten wenig&#x017F;tens nicht<lb/>
wie fru&#x0364;her mit Eifer und Liebe, der Hausmann, Ba&#x0364;cker,<lb/>
Schuhmacher und andere kleine Gla&#x0364;ubiger dra&#x0364;ngten all¬<lb/>
ma&#x0364;hlig ern&#x017F;tlicher, und Schenk &#x017F;elb&#x017F;t verfiel durch all<lb/>
die&#x017F;en Jammer in du&#x0364;&#x017F;tere Stumpfheit. Seine Seele<lb/>
erlag nach dem kurzen Traum des Glu&#x0364;ckes nur um &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chneller dem Druck der hoffnungslo&#x017F;en Armuth, es ward<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;t und leer in ihm, und &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein Aeußeres fiel ab<lb/>
in Elend.</p><lb/>
        <p>In einer &#x017F;tillen Nacht kniete der Mann vor einem<lb/>
a&#x0364;rmlichen Bett, und &#x017F;eine heißen Thra&#x0364;nen rollten auf<lb/>
die abgemagerte Hand &#x017F;eines bleichen Weibes. Neben<lb/>
ihr regte es &#x017F;ich, und ein hinfa&#x0364;lliges neugebornes Kind<lb/>
erwachte eben aus &#x017F;einem er&#x017F;ten Schlafe. Der Hand¬<lb/>
werker &#x017F;ah mit einem &#x017F;tarren Blick der Verzweiflung<lb/>
durch &#x017F;eine Thra&#x0364;nen auf das kleine welke Ge&#x017F;cho&#x0364;pf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Was</hi> wird <hi rendition="#g">dein</hi> Schick&#x017F;al &#x017F;ein, du un&#x017F;chuldig<lb/>
We&#x017F;en!&#x201C; grollte er bitter in &#x017F;ich hinein. &#x201E;Was ha&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0033] Armuth und Verbrechen. unumgaͤnglich Nothwendige fuͤr die Wirthſchaft zu be¬ ſchaffen. Auf dieſe Weiſe kam das Hausweſen immer mehr zuruͤck. Die Frau kraͤnkelte und vermochte ihres Zu¬ ſtandes wegen nicht mehr auf Ordnung zu ſehen, die Geſellen wurden laß oder arbeiteten wenigſtens nicht wie fruͤher mit Eifer und Liebe, der Hausmann, Baͤcker, Schuhmacher und andere kleine Glaͤubiger draͤngten all¬ maͤhlig ernſtlicher, und Schenk ſelbſt verfiel durch all dieſen Jammer in duͤſtere Stumpfheit. Seine Seele erlag nach dem kurzen Traum des Gluͤckes nur um ſo ſchneller dem Druck der hoffnungsloſen Armuth, es ward wuͤſt und leer in ihm, und ſelbſt ſein Aeußeres fiel ab in Elend. In einer ſtillen Nacht kniete der Mann vor einem aͤrmlichen Bett, und ſeine heißen Thraͤnen rollten auf die abgemagerte Hand ſeines bleichen Weibes. Neben ihr regte es ſich, und ein hinfaͤlliges neugebornes Kind erwachte eben aus ſeinem erſten Schlafe. Der Hand¬ werker ſah mit einem ſtarren Blick der Verzweiflung durch ſeine Thraͤnen auf das kleine welke Geſchoͤpf. „Was wird dein Schickſal ſein, du unſchuldig Weſen!“ grollte er bitter in ſich hinein. „Was haſt 2 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/33
Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/33>, abgerufen am 22.12.2024.