Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Armuth und Verbrechen.
Tritt des Herrn vernahm, schlug sein Herz plötzlich höher,
und die Erinnerung an Frau und Kind richtete seine
Sinne wieder ganz auf den einen Punkt, die Entschei¬
dung seiner nächsten Zukunft.

Der gnädige Herr zeigte ein ziemlich geröthetes und
aufgeregtes Gesicht, und schien im Ganzen guter Laune
zu sein. Schenk trug ihm seine Verhältnisse mit zager,
verlegener Stimme vor, und bat ihn schließlich um eine
Unterstützung von fünfzehn Thalern.

"Ihr seid ein Taugenichts, Schenk," sagte der gnä¬
dige Herr, sich die Zähne stochernd. "Ihr habt keine
Lust zur Arbeit, sonst würde es Euch nicht so gehen,
wie Ihr sagt. Euch Geld geben, hieße Euch im Mü¬
ßiggang bestärken, und man würde Euch zuletzt gar nicht
mehr loswerden." --

"Ach, gnädiger Herr, wenn mir die Leute nur Ar¬
beit geben wollten, daß wir nothdürftig davon leben könn¬
ten, wie gern wollt' ich schaffen von früh bis in die
Nacht!" erwiederte der Handwerker mit feuchtem Auge.
"Versuchen Sie es mit mir, gnädiger Herr! Geben
Sie mir Arbeit, wie Sie wollen, schicken Sie mich auf
Botengänge, lassen Sie mich Holz hacken und Wasser

Armuth und Verbrechen.
Tritt des Herrn vernahm, ſchlug ſein Herz ploͤtzlich hoͤher,
und die Erinnerung an Frau und Kind richtete ſeine
Sinne wieder ganz auf den einen Punkt, die Entſchei¬
dung ſeiner naͤchſten Zukunft.

Der gnaͤdige Herr zeigte ein ziemlich geroͤthetes und
aufgeregtes Geſicht, und ſchien im Ganzen guter Laune
zu ſein. Schenk trug ihm ſeine Verhaͤltniſſe mit zager,
verlegener Stimme vor, und bat ihn ſchließlich um eine
Unterſtuͤtzung von fuͤnfzehn Thalern.

„Ihr ſeid ein Taugenichts, Schenk,“ ſagte der gnaͤ¬
dige Herr, ſich die Zaͤhne ſtochernd. „Ihr habt keine
Luſt zur Arbeit, ſonſt wuͤrde es Euch nicht ſo gehen,
wie Ihr ſagt. Euch Geld geben, hieße Euch im Muͤ¬
ßiggang beſtaͤrken, und man wuͤrde Euch zuletzt gar nicht
mehr loswerden.“ —

„Ach, gnaͤdiger Herr, wenn mir die Leute nur Ar¬
beit geben wollten, daß wir nothduͤrftig davon leben koͤnn¬
ten, wie gern wollt' ich ſchaffen von fruͤh bis in die
Nacht!“ erwiederte der Handwerker mit feuchtem Auge.
„Verſuchen Sie es mit mir, gnaͤdiger Herr! Geben
Sie mir Arbeit, wie Sie wollen, ſchicken Sie mich auf
Botengaͤnge, laſſen Sie mich Holz hacken und Waſſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0053" n="39"/><fw place="top" type="header">Armuth und Verbrechen.<lb/></fw> Tritt des Herrn vernahm, &#x017F;chlug &#x017F;ein Herz plo&#x0364;tzlich ho&#x0364;her,<lb/>
und die Erinnerung an Frau und Kind richtete &#x017F;eine<lb/>
Sinne wieder ganz auf den einen Punkt, die Ent&#x017F;chei¬<lb/>
dung &#x017F;einer na&#x0364;ch&#x017F;ten Zukunft.</p><lb/>
        <p>Der gna&#x0364;dige Herr zeigte ein ziemlich gero&#x0364;thetes und<lb/>
aufgeregtes Ge&#x017F;icht, und &#x017F;chien im Ganzen guter Laune<lb/>
zu &#x017F;ein. Schenk trug ihm &#x017F;eine Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e mit zager,<lb/>
verlegener Stimme vor, und bat ihn &#x017F;chließlich um eine<lb/>
Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung von fu&#x0364;nfzehn Thalern.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr &#x017F;eid ein Taugenichts, Schenk,&#x201C; &#x017F;agte der gna&#x0364;¬<lb/>
dige Herr, &#x017F;ich die Za&#x0364;hne &#x017F;tochernd. &#x201E;Ihr habt keine<lb/>
Lu&#x017F;t zur Arbeit, &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde es Euch nicht &#x017F;o gehen,<lb/>
wie Ihr &#x017F;agt. Euch Geld geben, hieße Euch im Mu&#x0364;¬<lb/>
ßiggang be&#x017F;ta&#x0364;rken, und man wu&#x0364;rde Euch zuletzt gar nicht<lb/>
mehr loswerden.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, gna&#x0364;diger Herr, wenn mir die Leute nur Ar¬<lb/>
beit geben wollten, daß wir nothdu&#x0364;rftig davon leben ko&#x0364;nn¬<lb/>
ten, wie gern wollt' ich &#x017F;chaffen von fru&#x0364;h bis in die<lb/>
Nacht!&#x201C; erwiederte der Handwerker mit feuchtem Auge.<lb/>
&#x201E;Ver&#x017F;uchen Sie es mit mir, gna&#x0364;diger Herr! Geben<lb/>
Sie mir Arbeit, wie Sie wollen, &#x017F;chicken Sie mich auf<lb/>
Botenga&#x0364;nge, la&#x017F;&#x017F;en Sie mich Holz hacken und Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0053] Armuth und Verbrechen. Tritt des Herrn vernahm, ſchlug ſein Herz ploͤtzlich hoͤher, und die Erinnerung an Frau und Kind richtete ſeine Sinne wieder ganz auf den einen Punkt, die Entſchei¬ dung ſeiner naͤchſten Zukunft. Der gnaͤdige Herr zeigte ein ziemlich geroͤthetes und aufgeregtes Geſicht, und ſchien im Ganzen guter Laune zu ſein. Schenk trug ihm ſeine Verhaͤltniſſe mit zager, verlegener Stimme vor, und bat ihn ſchließlich um eine Unterſtuͤtzung von fuͤnfzehn Thalern. „Ihr ſeid ein Taugenichts, Schenk,“ ſagte der gnaͤ¬ dige Herr, ſich die Zaͤhne ſtochernd. „Ihr habt keine Luſt zur Arbeit, ſonſt wuͤrde es Euch nicht ſo gehen, wie Ihr ſagt. Euch Geld geben, hieße Euch im Muͤ¬ ßiggang beſtaͤrken, und man wuͤrde Euch zuletzt gar nicht mehr loswerden.“ — „Ach, gnaͤdiger Herr, wenn mir die Leute nur Ar¬ beit geben wollten, daß wir nothduͤrftig davon leben koͤnn¬ ten, wie gern wollt' ich ſchaffen von fruͤh bis in die Nacht!“ erwiederte der Handwerker mit feuchtem Auge. „Verſuchen Sie es mit mir, gnaͤdiger Herr! Geben Sie mir Arbeit, wie Sie wollen, ſchicken Sie mich auf Botengaͤnge, laſſen Sie mich Holz hacken und Waſſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/53
Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/53>, abgerufen am 19.05.2024.