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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Polizeiliche Ehescheidung.
seinem Innern voll tiefen, bitteren Grolles über die Mi¬
sere der deutschen Heimathverhältnisse; Therese reiste nach
K., bangen und geknickten Herzens über ihr Schicksal und
die Trennung von ihrem Gatten. Ihr ahnte im Stil¬
len, daß sie einander nicht wiedersehen würden. In K.
wurde ihre Stimmung trüber und krankhafter. Ihr
scheues Herz zog sich vor jeder Berührung mit Menschen
zusammen, der Gram nagte an ihrem Lebensmark, und
das junge blühende Geschöpf begann langsam und elend
hinzusiechen. Zu allem Unglück war durch die mehrfachen
Reisen und Einrichtungen der größte Theil ihres Vermö¬
gens erschöpft worden. Paul mühte und quälte sich
zwar, aber es wollte doch nichts recht gelingen. Die
stille, friedliche Ordnung war jetzt nicht herzustellen, wie
auch Paul mit neuen Hoffnungen auf eine glücklichere
Zukunft in der Fremde sie aufzurichten suchte; es erkrank¬
ten zudem zwei von den Kindern, und Therese, selbst
leidend, konnte nun ihrem Hauswesen vollends nicht mehr,
wie früher, ordnend und sorgend vorstehen. Da traf sie
zerschmetternd der letzte Schlag, die Trauerpost von Pauls
Tode.

In Pauls Gemüth hatte sich seit der Trennung von
Theresen und den Kindern immer mehr und mehr der

Polizeiliche Eheſcheidung.
ſeinem Innern voll tiefen, bitteren Grolles uͤber die Mi¬
ſere der deutſchen Heimathverhaͤltniſſe; Thereſe reiſte nach
K., bangen und geknickten Herzens uͤber ihr Schickſal und
die Trennung von ihrem Gatten. Ihr ahnte im Stil¬
len, daß ſie einander nicht wiederſehen wuͤrden. In K.
wurde ihre Stimmung truͤber und krankhafter. Ihr
ſcheues Herz zog ſich vor jeder Beruͤhrung mit Menſchen
zuſammen, der Gram nagte an ihrem Lebensmark, und
das junge bluͤhende Geſchoͤpf begann langſam und elend
hinzuſiechen. Zu allem Ungluͤck war durch die mehrfachen
Reiſen und Einrichtungen der groͤßte Theil ihres Vermoͤ¬
gens erſchoͤpft worden. Paul muͤhte und quaͤlte ſich
zwar, aber es wollte doch nichts recht gelingen. Die
ſtille, friedliche Ordnung war jetzt nicht herzuſtellen, wie
auch Paul mit neuen Hoffnungen auf eine gluͤcklichere
Zukunft in der Fremde ſie aufzurichten ſuchte; es erkrank¬
ten zudem zwei von den Kindern, und Thereſe, ſelbſt
leidend, konnte nun ihrem Hausweſen vollends nicht mehr,
wie fruͤher, ordnend und ſorgend vorſtehen. Da traf ſie
zerſchmetternd der letzte Schlag, die Trauerpoſt von Pauls
Tode.

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[61/0075] Polizeiliche Eheſcheidung. ſeinem Innern voll tiefen, bitteren Grolles uͤber die Mi¬ ſere der deutſchen Heimathverhaͤltniſſe; Thereſe reiſte nach K., bangen und geknickten Herzens uͤber ihr Schickſal und die Trennung von ihrem Gatten. Ihr ahnte im Stil¬ len, daß ſie einander nicht wiederſehen wuͤrden. In K. wurde ihre Stimmung truͤber und krankhafter. Ihr ſcheues Herz zog ſich vor jeder Beruͤhrung mit Menſchen zuſammen, der Gram nagte an ihrem Lebensmark, und das junge bluͤhende Geſchoͤpf begann langſam und elend hinzuſiechen. Zu allem Ungluͤck war durch die mehrfachen Reiſen und Einrichtungen der groͤßte Theil ihres Vermoͤ¬ gens erſchoͤpft worden. Paul muͤhte und quaͤlte ſich zwar, aber es wollte doch nichts recht gelingen. Die ſtille, friedliche Ordnung war jetzt nicht herzuſtellen, wie auch Paul mit neuen Hoffnungen auf eine gluͤcklichere Zukunft in der Fremde ſie aufzurichten ſuchte; es erkrank¬ ten zudem zwei von den Kindern, und Thereſe, ſelbſt leidend, konnte nun ihrem Hausweſen vollends nicht mehr, wie fruͤher, ordnend und ſorgend vorſtehen. Da traf ſie zerſchmetternd der letzte Schlag, die Trauerpoſt von Pauls Tode. In Pauls Gemuͤth hatte ſich ſeit der Trennung von Thereſen und den Kindern immer mehr und mehr der

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/75>, abgerufen am 26.05.2024.