Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Am Thurme.
Ich steh' auf hohem Balkone am Thurm,
Umstrichen vom schreienden Staare,
Und laß' gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!
Und drunten seh' ich am Strand, so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch,
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht' ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Wallroß, die lustige Beute!
Und drüben seh' ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh auf und nieder den Kiel sich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, sitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen,
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöve streifen.
Am Thurme.
Ich ſteh' auf hohem Balkone am Thurm,
Umſtrichen vom ſchreienden Staare,
Und laß' gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geſelle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umſchlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!
Und drunten ſeh' ich am Strand, ſo friſch
Wie ſpielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Geziſch,
Und glänzende Flocken ſchnellen.
O, ſpringen möcht' ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Wallroß, die luſtige Beute!
Und drüben ſeh' ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh auf und nieder den Kiel ſich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, ſitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen,
Und ziſchend über das brandende Riff
Wie eine Seemöve ſtreifen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0106" n="92"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Am Thurme.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ich &#x017F;teh' auf hohem Balkone am Thurm,</l><lb/>
              <l>Um&#x017F;trichen vom &#x017F;chreienden Staare,</l><lb/>
              <l>Und laß' gleich einer Mänade den Sturm</l><lb/>
              <l>Mir wühlen im flatternden Haare;</l><lb/>
              <l>O wilder Ge&#x017F;elle, o toller Fant,</l><lb/>
              <l>Ich möchte dich kräftig um&#x017F;chlingen,</l><lb/>
              <l>Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand</l><lb/>
              <l>Auf Tod und Leben dann ringen!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Und drunten &#x017F;eh' ich am Strand, &#x017F;o fri&#x017F;ch</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;pielende Doggen, die Wellen</l><lb/>
              <l>Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezi&#x017F;ch,</l><lb/>
              <l>Und glänzende Flocken &#x017F;chnellen.</l><lb/>
              <l>O, &#x017F;pringen möcht' ich hinein alsbald,</l><lb/>
              <l>Recht in die tobende Meute,</l><lb/>
              <l>Und jagen durch den korallenen Wald</l><lb/>
              <l>Das Wallroß, die lu&#x017F;tige Beute!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Und drüben &#x017F;eh' ich ein Wimpel wehn</l><lb/>
              <l>So keck wie eine Standarte,</l><lb/>
              <l>Seh auf und nieder den Kiel &#x017F;ich drehn</l><lb/>
              <l>Von meiner luftigen Warte;</l><lb/>
              <l>O, &#x017F;itzen möcht' ich im kämpfenden Schiff,</l><lb/>
              <l>Das Steuerruder ergreifen,</l><lb/>
              <l>Und zi&#x017F;chend über das brandende Riff</l><lb/>
              <l>Wie eine Seemöve &#x017F;treifen.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0106] Am Thurme. Ich ſteh' auf hohem Balkone am Thurm, Umſtrichen vom ſchreienden Staare, Und laß' gleich einer Mänade den Sturm Mir wühlen im flatternden Haare; O wilder Geſelle, o toller Fant, Ich möchte dich kräftig umſchlingen, Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand Auf Tod und Leben dann ringen! Und drunten ſeh' ich am Strand, ſo friſch Wie ſpielende Doggen, die Wellen Sich tummeln rings mit Geklaff und Geziſch, Und glänzende Flocken ſchnellen. O, ſpringen möcht' ich hinein alsbald, Recht in die tobende Meute, Und jagen durch den korallenen Wald Das Wallroß, die luſtige Beute! Und drüben ſeh' ich ein Wimpel wehn So keck wie eine Standarte, Seh auf und nieder den Kiel ſich drehn Von meiner luftigen Warte; O, ſitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff, Das Steuerruder ergreifen, Und ziſchend über das brandende Riff Wie eine Seemöve ſtreifen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/106
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/106>, abgerufen am 23.11.2024.