Tiefab im Tobel liegt ein Haus, Zerfallen nach des Försters Tode, Dort ruh' ich manche Stunde aus, Vergraben unter Rank' und Lode; 'S ist eine Wildniß, wo der Tag Nur halb die schweren Wimpern lichtet; Der Felsen tiefe Kluft verdichtet Ergrauter Aeste Schattenhaag.
Ich horche träumend, wie im Spalt Die schwarzen Fliegen taumelnd summen, Wie Seufzer streifen durch den Wald, Am Strauche irre Käfer brummen; Wenn sich die Abendröthe drängt An sickernden Geschiefers Lauge, Dann ist's als ob ein trübes Auge, Ein rothgeweintes drüber hängt.
Wo an zerrißner Laube Joch Die langen magern Schoßen streichen, An wildverwachs'ner Hecke noch Im Moose Nelkensprossen schleichen, Dort hat vom tröpfelnden Gestein Das dunkle Naß sich durchgesogen, Kreucht um den Buchs in trägen Bogen, Und sinkt am Fenchelstrauche ein.
Das öde Haus.
Tiefab im Tobel liegt ein Haus, Zerfallen nach des Förſters Tode, Dort ruh' ich manche Stunde aus, Vergraben unter Rank' und Lode; 'S iſt eine Wildniß, wo der Tag Nur halb die ſchweren Wimpern lichtet; Der Felſen tiefe Kluft verdichtet Ergrauter Aeſte Schattenhaag.
Ich horche träumend, wie im Spalt Die ſchwarzen Fliegen taumelnd ſummen, Wie Seufzer ſtreifen durch den Wald, Am Strauche irre Käfer brummen; Wenn ſich die Abendröthe drängt An ſickernden Geſchiefers Lauge, Dann iſt's als ob ein trübes Auge, Ein rothgeweintes drüber hängt.
Wo an zerrißner Laube Joch Die langen magern Schoßen ſtreichen, An wildverwachſ'ner Hecke noch Im Mooſe Nelkenſproſſen ſchleichen, Dort hat vom tröpfelnden Geſtein Das dunkle Naß ſich durchgeſogen, Kreucht um den Buchs in trägen Bogen, Und ſinkt am Fenchelſtrauche ein.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0108"n="94"/></div><divn="2"><head><hirendition="#b">Das öde Haus.</hi><lb/></head><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Tiefab im Tobel liegt ein Haus,</l><lb/><l>Zerfallen nach des Förſters Tode,</l><lb/><l>Dort ruh' ich manche Stunde aus,</l><lb/><l>Vergraben unter Rank' und Lode;</l><lb/><l>'S iſt eine Wildniß, wo der Tag</l><lb/><l>Nur halb die ſchweren Wimpern lichtet;</l><lb/><l>Der Felſen tiefe Kluft verdichtet</l><lb/><l>Ergrauter Aeſte Schattenhaag.</l><lb/></lg><lgn="2"><l>Ich horche träumend, wie im Spalt</l><lb/><l>Die ſchwarzen Fliegen taumelnd ſummen,</l><lb/><l>Wie Seufzer ſtreifen durch den Wald,</l><lb/><l>Am Strauche irre Käfer brummen;</l><lb/><l>Wenn ſich die Abendröthe drängt</l><lb/><l>An ſickernden Geſchiefers Lauge,</l><lb/><l>Dann iſt's als ob ein trübes Auge,</l><lb/><l>Ein rothgeweintes drüber hängt.</l><lb/></lg><lgn="3"><l>Wo an zerrißner Laube Joch</l><lb/><l>Die langen magern Schoßen ſtreichen,</l><lb/><l>An wildverwachſ'ner Hecke noch</l><lb/><l>Im Mooſe Nelkenſproſſen ſchleichen,</l><lb/><l>Dort hat vom tröpfelnden Geſtein</l><lb/><l>Das dunkle Naß ſich durchgeſogen,</l><lb/><l>Kreucht um den Buchs in trägen Bogen,</l><lb/><l>Und ſinkt am Fenchelſtrauche ein.</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[94/0108]
Das öde Haus.
Tiefab im Tobel liegt ein Haus,
Zerfallen nach des Förſters Tode,
Dort ruh' ich manche Stunde aus,
Vergraben unter Rank' und Lode;
'S iſt eine Wildniß, wo der Tag
Nur halb die ſchweren Wimpern lichtet;
Der Felſen tiefe Kluft verdichtet
Ergrauter Aeſte Schattenhaag.
Ich horche träumend, wie im Spalt
Die ſchwarzen Fliegen taumelnd ſummen,
Wie Seufzer ſtreifen durch den Wald,
Am Strauche irre Käfer brummen;
Wenn ſich die Abendröthe drängt
An ſickernden Geſchiefers Lauge,
Dann iſt's als ob ein trübes Auge,
Ein rothgeweintes drüber hängt.
Wo an zerrißner Laube Joch
Die langen magern Schoßen ſtreichen,
An wildverwachſ'ner Hecke noch
Im Mooſe Nelkenſproſſen ſchleichen,
Dort hat vom tröpfelnden Geſtein
Das dunkle Naß ſich durchgeſogen,
Kreucht um den Buchs in trägen Bogen,
Und ſinkt am Fenchelſtrauche ein.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/108>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.