Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Mein Beruf.
"Was meinem Kreise mich enttrieb,
Der Kammer friedlichem Gelasse?"
Das fragt ihr mich als sey, ein Dieb,
Ich eingebrochen am Parnasse.
So hört denn, hört, weil ihr gefragt:
Bei der Geburt bin ich geladen,
Mein Recht soweit der Himmel tagt,
Und meine Macht von Gottes Gnaden.
Jetzt wo hervor der todte Schein
Sich drängt am modervollen Stumpfe,
Wo sich der schönste Blumenrain
Wiegt über dem erstorbnen Sumpfe,
Der Geist, ein blutlos Meteor,
Entflammt und lischt im Moorgeschwehle,
Jetzt ruft die Stunde: "tritt hervor,
Mann oder Weib, lebend'ge Seele!
"Tritt zu dem Träumer, den am Rand
Entschläfert der Datura Odem,
Der, langsam gleitend von der Wand,
Noch zucket gen den Zauberbrodem.
Mein Beruf.
„Was meinem Kreiſe mich enttrieb,
Der Kammer friedlichem Gelaſſe?“
Das fragt ihr mich als ſey, ein Dieb,
Ich eingebrochen am Parnaſſe.
So hört denn, hört, weil ihr gefragt:
Bei der Geburt bin ich geladen,
Mein Recht ſoweit der Himmel tagt,
Und meine Macht von Gottes Gnaden.
Jetzt wo hervor der todte Schein
Sich drängt am modervollen Stumpfe,
Wo ſich der ſchönſte Blumenrain
Wiegt über dem erſtorbnen Sumpfe,
Der Geiſt, ein blutlos Meteor,
Entflammt und liſcht im Moorgeſchwehle,
Jetzt ruft die Stunde: „tritt hervor,
Mann oder Weib, lebend'ge Seele!
„Tritt zu dem Träumer, den am Rand
Entſchläfert der Datura Odem,
Der, langſam gleitend von der Wand,
Noch zucket gen den Zauberbrodem.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0129" n="[115]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Mein Beruf.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>&#x201E;Was meinem Krei&#x017F;e mich enttrieb,</l><lb/>
              <l>Der Kammer friedlichem Gela&#x017F;&#x017F;e?&#x201C;</l><lb/>
              <l>Das fragt ihr mich als &#x017F;ey, ein Dieb,</l><lb/>
              <l>Ich eingebrochen am Parna&#x017F;&#x017F;e.</l><lb/>
              <l>So hört denn, hört, weil ihr gefragt:</l><lb/>
              <l>Bei der Geburt bin ich geladen,</l><lb/>
              <l>Mein Recht &#x017F;oweit der Himmel tagt,</l><lb/>
              <l>Und meine Macht von Gottes Gnaden.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Jetzt wo hervor der todte Schein</l><lb/>
              <l>Sich drängt am modervollen Stumpfe,</l><lb/>
              <l>Wo &#x017F;ich der &#x017F;chön&#x017F;te Blumenrain</l><lb/>
              <l>Wiegt über dem er&#x017F;torbnen Sumpfe,</l><lb/>
              <l>Der Gei&#x017F;t, ein blutlos Meteor,</l><lb/>
              <l>Entflammt und li&#x017F;cht im Moorge&#x017F;chwehle,</l><lb/>
              <l>Jetzt ruft die Stunde: &#x201E;tritt hervor,</l><lb/>
              <l>Mann oder Weib, lebend'ge Seele!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>&#x201E;Tritt zu dem Träumer, den am Rand</l><lb/>
              <l>Ent&#x017F;chläfert der Datura Odem,</l><lb/>
              <l>Der, lang&#x017F;am gleitend von der Wand,</l><lb/>
              <l>Noch zucket gen den Zauberbrodem.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[115]/0129] Mein Beruf. „Was meinem Kreiſe mich enttrieb, Der Kammer friedlichem Gelaſſe?“ Das fragt ihr mich als ſey, ein Dieb, Ich eingebrochen am Parnaſſe. So hört denn, hört, weil ihr gefragt: Bei der Geburt bin ich geladen, Mein Recht ſoweit der Himmel tagt, Und meine Macht von Gottes Gnaden. Jetzt wo hervor der todte Schein Sich drängt am modervollen Stumpfe, Wo ſich der ſchönſte Blumenrain Wiegt über dem erſtorbnen Sumpfe, Der Geiſt, ein blutlos Meteor, Entflammt und liſcht im Moorgeſchwehle, Jetzt ruft die Stunde: „tritt hervor, Mann oder Weib, lebend'ge Seele! „Tritt zu dem Träumer, den am Rand Entſchläfert der Datura Odem, Der, langſam gleitend von der Wand, Noch zucket gen den Zauberbrodem.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/129
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. [115]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/129>, abgerufen am 26.11.2024.