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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Clemens von Droste. *
An seinem Denkmal saß ich, das Getreibe
Des Lebens schwoll und wogt' in den Alleen,
Ich aber mochte nur zum Himmel sehn,
Von dem ihr Silber goß die Mondenscheibe.
Und alle Schmerzenskeime fühlt' ich sprießen,
Im Herzen sich entfalten, Blatt um Blatt,
Und allen Segen fühlt' ich niederfließen
Um eines Christen heil'ge Schlummerstatt.
Da nahte durch die Gräser sich ein Rauschen,
Geflüster hallte an der Marmorwand,
Der mir so theure Name ward genannt,
Und leise Wechselrede hört' ich tauschen.
Es waren tiefe achtungsvolle Worte,
Und dennoch war es mir, als dürfe hier
Kein anderer an dem geweihten Orte,
Kein Wesen ihn betrauern neben mir.
Wer könnte unter diesen Gräbern wandeln,
Der ihn gekannt wie ich, so manches Jahr,
Der seine Kindheit sah, so frisch und klar,
Des Jünglings Glut, des Mannes kräftig Handeln?
* Clemens August Freiherr von Droste, Professor an der juristischen
Fakultät zu Bonn, wurde im Jahre 1832, während eines Aufenthalts zu
Wiesbaden, seinen Freunden durch einen plötzlichen Tod entrissen. -- Seine
Hülle ruht auf dem dortigen Gottesacker.
Clemens von Droſte. *
An ſeinem Denkmal ſaß ich, das Getreibe
Des Lebens ſchwoll und wogt' in den Alleen,
Ich aber mochte nur zum Himmel ſehn,
Von dem ihr Silber goß die Mondenſcheibe.
Und alle Schmerzenskeime fühlt' ich ſprießen,
Im Herzen ſich entfalten, Blatt um Blatt,
Und allen Segen fühlt' ich niederfließen
Um eines Chriſten heil'ge Schlummerſtatt.
Da nahte durch die Gräſer ſich ein Rauſchen,
Geflüſter hallte an der Marmorwand,
Der mir ſo theure Name ward genannt,
Und leiſe Wechſelrede hört' ich tauſchen.
Es waren tiefe achtungsvolle Worte,
Und dennoch war es mir, als dürfe hier
Kein anderer an dem geweihten Orte,
Kein Weſen ihn betrauern neben mir.
Wer könnte unter dieſen Gräbern wandeln,
Der ihn gekannt wie ich, ſo manches Jahr,
Der ſeine Kindheit ſah, ſo friſch und klar,
Des Jünglings Glut, des Mannes kräftig Handeln?
* Clemens Auguſt Freiherr von Droſte, Profeſſor an der juriſtiſchen
Fakultät zu Bonn, wurde im Jahre 1832, während eines Aufenthalts zu
Wiesbaden, ſeinen Freunden durch einen plötzlichen Tod entriſſen. — Seine
Hülle ruht auf dem dortigen Gottesacker.
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[156/0170] Clemens von Droſte. * An ſeinem Denkmal ſaß ich, das Getreibe Des Lebens ſchwoll und wogt' in den Alleen, Ich aber mochte nur zum Himmel ſehn, Von dem ihr Silber goß die Mondenſcheibe. Und alle Schmerzenskeime fühlt' ich ſprießen, Im Herzen ſich entfalten, Blatt um Blatt, Und allen Segen fühlt' ich niederfließen Um eines Chriſten heil'ge Schlummerſtatt. Da nahte durch die Gräſer ſich ein Rauſchen, Geflüſter hallte an der Marmorwand, Der mir ſo theure Name ward genannt, Und leiſe Wechſelrede hört' ich tauſchen. Es waren tiefe achtungsvolle Worte, Und dennoch war es mir, als dürfe hier Kein anderer an dem geweihten Orte, Kein Weſen ihn betrauern neben mir. Wer könnte unter dieſen Gräbern wandeln, Der ihn gekannt wie ich, ſo manches Jahr, Der ſeine Kindheit ſah, ſo friſch und klar, Des Jünglings Glut, des Mannes kräftig Handeln? * Clemens Auguſt Freiherr von Droſte, Profeſſor an der juriſtiſchen Fakultät zu Bonn, wurde im Jahre 1832, während eines Aufenthalts zu Wiesbaden, ſeinen Freunden durch einen plötzlichen Tod entriſſen. — Seine Hülle ruht auf dem dortigen Gottesacker.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/170>, abgerufen am 24.11.2024.