O Fluch der Haide, gleich Ahasver Unter'm Nachtgestirne zu kreisen! Wenn seiner Strahlen züngelndes Meer Aufbohret der Seele Schleusen, Und der Prophet, ein verzweifelnd Wild, Kämpft gegen das mählig steigende Bild.
Im Mantel schaudernd mißt das Parquet Der Freiherr die Läng' und Breite, Und wo am Boden ein Schimmer steht, Weitaus er beuget zur Seite, Er hat einen Willen und hat eine Kraft, Die sollen nicht liegen in Blutes Haft.
Es will ihn krallen, es saugt ihn an, Wo Glanz die Scheiben umgleitet, Doch langsam weichend, Spann' um Spann', Wie ein wunder Edelhirsch schreitet, In immer engerem Kreis gehetzt, Des Lagers Pfosten ergreift er zuletzt.
Da steht er keuchend, sinnt und sinnt, Die müde Seele zu laben, Denkt an sein liebes einziges Kind, Seinen zarten, schwächlichen Knaben, Ob dessen Leben des Vaters Gebet Wie eine zitternde Flamme steht.
Hat er des Kleinen Stammbaum doch Gestellt an des Lagers Ende,
O Fluch der Haide, gleich Ahasver Unter'm Nachtgeſtirne zu kreiſen! Wenn ſeiner Strahlen züngelndes Meer Aufbohret der Seele Schleuſen, Und der Prophet, ein verzweifelnd Wild, Kämpft gegen das mählig ſteigende Bild.
Im Mantel ſchaudernd mißt das Parquet Der Freiherr die Läng' und Breite, Und wo am Boden ein Schimmer ſteht, Weitaus er beuget zur Seite, Er hat einen Willen und hat eine Kraft, Die ſollen nicht liegen in Blutes Haft.
Es will ihn krallen, es ſaugt ihn an, Wo Glanz die Scheiben umgleitet, Doch langſam weichend, Spann' um Spann', Wie ein wunder Edelhirſch ſchreitet, In immer engerem Kreis gehetzt, Des Lagers Pfoſten ergreift er zuletzt.
Da ſteht er keuchend, ſinnt und ſinnt, Die müde Seele zu laben, Denkt an ſein liebes einziges Kind, Seinen zarten, ſchwächlichen Knaben, Ob deſſen Leben des Vaters Gebet Wie eine zitternde Flamme ſteht.
Hat er des Kleinen Stammbaum doch Geſtellt an des Lagers Ende,
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O Fluch der Haide, gleich Ahasver
Unter'm Nachtgeſtirne zu kreiſen!
Wenn ſeiner Strahlen züngelndes Meer
Aufbohret der Seele Schleuſen,
Und der Prophet, ein verzweifelnd Wild,
Kämpft gegen das mählig ſteigende Bild.
Im Mantel ſchaudernd mißt das Parquet
Der Freiherr die Läng' und Breite,
Und wo am Boden ein Schimmer ſteht,
Weitaus er beuget zur Seite,
Er hat einen Willen und hat eine Kraft,
Die ſollen nicht liegen in Blutes Haft.
Es will ihn krallen, es ſaugt ihn an,
Wo Glanz die Scheiben umgleitet,
Doch langſam weichend, Spann' um Spann',
Wie ein wunder Edelhirſch ſchreitet,
In immer engerem Kreis gehetzt,
Des Lagers Pfoſten ergreift er zuletzt.
Da ſteht er keuchend, ſinnt und ſinnt,
Die müde Seele zu laben,
Denkt an ſein liebes einziges Kind,
Seinen zarten, ſchwächlichen Knaben,
Ob deſſen Leben des Vaters Gebet
Wie eine zitternde Flamme ſteht.
Hat er des Kleinen Stammbaum doch
Geſtellt an des Lagers Ende,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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