Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Hob er den seidnen Mottenfraß an's Licht. Die Kerzen sind gelöscht, die Pforte dröhnte. Ich hörte schluchzen, -- am Gemäuer lehnte Ein Weib im abgetragnen Regentuch. Ich hörte säuseln -- neben mir, im Chore, Ein Fräulein gähnte leise hinterm Flore, Ein Fahnenjunker blätterte im Buch. Und alle die bescheidnen Menschenkinder, Wie sich's geziemt für wohlerzogne Sünder, Sie nahmen ruhig was der Text bescheert. Und Abends im Theater sprach der Knabe, Der achtzehnjährge Fähndrich: "Heute habe Ich einen guten Redner doch gehört!" Hob er den ſeidnen Mottenfraß an's Licht. Die Kerzen ſind gelöſcht, die Pforte dröhnte. Ich hörte ſchluchzen, — am Gemäuer lehnte Ein Weib im abgetragnen Regentuch. Ich hörte ſäuſeln — neben mir, im Chore, Ein Fräulein gähnte leiſe hinterm Flore, Ein Fahnenjunker blätterte im Buch. Und alle die beſcheidnen Menſchenkinder, Wie ſich's geziemt für wohlerzogne Sünder, Sie nahmen ruhig was der Text beſcheert. Und Abends im Theater ſprach der Knabe, Der achtzehnjährge Fähndrich: „Heute habe Ich einen guten Redner doch gehört!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="9"> <pb facs="#f0032" n="18"/> <l>Hob er den ſeidnen Mottenfraß an's Licht.</l><lb/> <l>Erröthen ließ er die beſcheidne Schande</l><lb/> <l>In ihrem ehrbar ſchonenden Gewande,</l><lb/> <l>Und zog der Luſt den Schleier vom Geſicht.</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Die Kerzen ſind gelöſcht, die Pforte dröhnte.</l><lb/> <l>Ich hörte ſchluchzen, — am Gemäuer lehnte</l><lb/> <l>Ein Weib im abgetragnen Regentuch.</l><lb/> <l>Ich hörte ſäuſeln — neben mir, im Chore,</l><lb/> <l>Ein Fräulein gähnte leiſe hinterm Flore,</l><lb/> <l>Ein Fahnenjunker blätterte im Buch.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Und alle die beſcheidnen Menſchenkinder,</l><lb/> <l>Wie ſich's geziemt für wohlerzogne Sünder,</l><lb/> <l>Sie nahmen ruhig was der Text beſcheert.</l><lb/> <l>Und Abends im Theater ſprach der Knabe,</l><lb/> <l>Der achtzehnjährge Fähndrich: „Heute habe</l><lb/> <l>Ich einen guten Redner doch gehört!“</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0032]
Hob er den ſeidnen Mottenfraß an's Licht.
Erröthen ließ er die beſcheidne Schande
In ihrem ehrbar ſchonenden Gewande,
Und zog der Luſt den Schleier vom Geſicht.
Die Kerzen ſind gelöſcht, die Pforte dröhnte.
Ich hörte ſchluchzen, — am Gemäuer lehnte
Ein Weib im abgetragnen Regentuch.
Ich hörte ſäuſeln — neben mir, im Chore,
Ein Fräulein gähnte leiſe hinterm Flore,
Ein Fahnenjunker blätterte im Buch.
Und alle die beſcheidnen Menſchenkinder,
Wie ſich's geziemt für wohlerzogne Sünder,
Sie nahmen ruhig was der Text beſcheert.
Und Abends im Theater ſprach der Knabe,
Der achtzehnjährge Fähndrich: „Heute habe
Ich einen guten Redner doch gehört!“
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