Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.O dunkel die Nacht! und schaurig der Wind! Die Fahnen wirbeln am knarrenden Thor, -- Da tritt aus der Halle das Hausgesind' Mit Blendlaternen und einzeln vor. Der Pförtner dehnet sich, halb schon träumend, Am Dochte zupfet der Jäger säumend, Und wie ein Oger gähnet der Mohr. Was ist? -- wie das auseinander schnellt! In Reihen ordnen die Männer sich, Und eine Wacht vor die Dirnen stellt Die graue Zofe sich ehrbarlich, "Ward ich gesehn an des Vorhangs Lücke? Doch nein, zum Balkone starren die Blicke, Nun langsam wenden die Häupter sich." "O weh meine Augen! bin ich verrückt? Was gleitet entlang das Treppengeländ? Hab' ich nicht so aus dem Spiegel geblickt? Das sind meine Glieder, -- welch ein Geblend'! Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken, Das ist mein Strich über Stirn und Locken! -- Weh, bin ich toll, oder nahet mein End'!" Das Fräulein erbleicht und wieder erglüht,
Das Fräulein wendet die Blicke nicht, Und leise rührend die Stufen zieht Am Steingelände das Nebelgesicht, In seiner Rechten trägt es die Lampe, Ihr Flämmchen zittert über der Rampe, Verdämmernd, blau, wie ein Elfenlicht. O dunkel die Nacht! und ſchaurig der Wind! Die Fahnen wirbeln am knarrenden Thor, — Da tritt aus der Halle das Hausgeſind' Mit Blendlaternen und einzeln vor. Der Pförtner dehnet ſich, halb ſchon träumend, Am Dochte zupfet der Jäger ſäumend, Und wie ein Oger gähnet der Mohr. Was iſt? — wie das auseinander ſchnellt! In Reihen ordnen die Männer ſich, Und eine Wacht vor die Dirnen ſtellt Die graue Zofe ſich ehrbarlich, „Ward ich geſehn an des Vorhangs Lücke? Doch nein, zum Balkone ſtarren die Blicke, Nun langſam wenden die Häupter ſich.“ „O weh meine Augen! bin ich verrückt? Was gleitet entlang das Treppengeländ? Hab' ich nicht ſo aus dem Spiegel geblickt? Das ſind meine Glieder, — welch ein Geblend'! Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken, Das iſt mein Strich über Stirn und Locken! — Weh, bin ich toll, oder nahet mein End'!“ Das Fräulein erbleicht und wieder erglüht,
Das Fräulein wendet die Blicke nicht, Und leiſe rührend die Stufen zieht Am Steingelände das Nebelgeſicht, In ſeiner Rechten trägt es die Lampe, Ihr Flämmchen zittert über der Rampe, Verdämmernd, blau, wie ein Elfenlicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0329" n="315"/> <lg n="4"> <l>O dunkel die Nacht! und ſchaurig der Wind!</l><lb/> <l>Die Fahnen wirbeln am knarrenden Thor, —</l><lb/> <l>Da tritt aus der Halle das Hausgeſind'</l><lb/> <l>Mit Blendlaternen und einzeln vor.</l><lb/> <l>Der Pförtner dehnet ſich, halb ſchon träumend,</l><lb/> <l>Am Dochte zupfet der Jäger ſäumend,</l><lb/> <l>Und wie ein Oger gähnet der Mohr.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Was iſt? — wie das auseinander ſchnellt!</l><lb/> <l>In Reihen ordnen die Männer ſich,</l><lb/> <l>Und eine Wacht vor die Dirnen ſtellt</l><lb/> <l>Die graue Zofe ſich ehrbarlich,</l><lb/> <l>„Ward ich geſehn an des Vorhangs Lücke?</l><lb/> <l>Doch nein, zum Balkone ſtarren die Blicke,</l><lb/> <l>Nun langſam wenden die Häupter ſich.“</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>„O weh meine Augen! bin ich verrückt?</l><lb/> <l>Was gleitet entlang das Treppengeländ?</l><lb/> <l>Hab' ich nicht ſo aus dem Spiegel geblickt?</l><lb/> <l>Das ſind meine Glieder, — welch ein Geblend'!</l><lb/> <l>Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken,</l><lb/> <l>Das iſt mein Strich über Stirn und Locken! —</l><lb/> <l>Weh, bin ich toll, oder nahet mein End'!“</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Das Fräulein erbleicht und wieder erglüht,</l><lb/> <l>Das Fräulein wendet die Blicke nicht,</l><lb/> <l>Und leiſe rührend die Stufen zieht</l><lb/> <l>Am Steingelände das Nebelgeſicht,</l><lb/> <l>In ſeiner Rechten trägt es die Lampe,</l><lb/> <l>Ihr Flämmchen zittert über der Rampe,</l><lb/> <l>Verdämmernd, blau, wie ein Elfenlicht.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [315/0329]
O dunkel die Nacht! und ſchaurig der Wind!
Die Fahnen wirbeln am knarrenden Thor, —
Da tritt aus der Halle das Hausgeſind'
Mit Blendlaternen und einzeln vor.
Der Pförtner dehnet ſich, halb ſchon träumend,
Am Dochte zupfet der Jäger ſäumend,
Und wie ein Oger gähnet der Mohr.
Was iſt? — wie das auseinander ſchnellt!
In Reihen ordnen die Männer ſich,
Und eine Wacht vor die Dirnen ſtellt
Die graue Zofe ſich ehrbarlich,
„Ward ich geſehn an des Vorhangs Lücke?
Doch nein, zum Balkone ſtarren die Blicke,
Nun langſam wenden die Häupter ſich.“
„O weh meine Augen! bin ich verrückt?
Was gleitet entlang das Treppengeländ?
Hab' ich nicht ſo aus dem Spiegel geblickt?
Das ſind meine Glieder, — welch ein Geblend'!
Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken,
Das iſt mein Strich über Stirn und Locken! —
Weh, bin ich toll, oder nahet mein End'!“
Das Fräulein erbleicht und wieder erglüht,
Das Fräulein wendet die Blicke nicht,
Und leiſe rührend die Stufen zieht
Am Steingelände das Nebelgeſicht,
In ſeiner Rechten trägt es die Lampe,
Ihr Flämmchen zittert über der Rampe,
Verdämmernd, blau, wie ein Elfenlicht.
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