Noch zwei Minuten, wo sie sann, Pulsiren ließ die heißen Glieder, -- Behende wie ein Marder dann Schlüpft keck sie in den Steinbruch nieder.
Am Eingang steht ein Felsenblock, Wo das Geschiebe überhängt; Der Epheu schüttelt sein Gelock, Zur grünen Laube vorgedrängt: Da unter'm Dache lagert sie, Behaglich lehnend an dem Steine, Und denkt: ich sitze wahrlich wie Ein Heil'genbildchen in dem Schreine!
Ihr ist so warm, der Zöpfe Paar Sie löset mit der runden Hand, Und nieder rauscht ihr schwarzes Haar Wie Rabensittiges Gewand. Ei! denkt sie, bin ich doch allein! Auf springt das Spangenpaar am Mieder; Doch unbeweglich gleich dem Stein Steht hinter'm Block der wilde Rieder:
Er sieht sie nicht, nur ihren Fuß, Der tändelnd schaukelt wie ein Schiff, Zuweilen treibt des Windes Gruß Auch eine Locke um das Riff, Doch ihres heißen Odems Zug, Samumes Hauch, glaubt er zu fühlen, Verlorne Laute, wie im Flug Lockvögel, um das Ohr ihm spielen.
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 21
Noch zwei Minuten, wo ſie ſann, Pulſiren ließ die heißen Glieder, — Behende wie ein Marder dann Schlüpft keck ſie in den Steinbruch nieder.
Am Eingang ſteht ein Felſenblock, Wo das Geſchiebe überhängt; Der Epheu ſchüttelt ſein Gelock, Zur grünen Laube vorgedrängt: Da unter'm Dache lagert ſie, Behaglich lehnend an dem Steine, Und denkt: ich ſitze wahrlich wie Ein Heil'genbildchen in dem Schreine!
Ihr iſt ſo warm, der Zöpfe Paar Sie löſet mit der runden Hand, Und nieder rauſcht ihr ſchwarzes Haar Wie Rabenſittiges Gewand. Ei! denkt ſie, bin ich doch allein! Auf ſpringt das Spangenpaar am Mieder; Doch unbeweglich gleich dem Stein Steht hinter'm Block der wilde Rieder:
Er ſieht ſie nicht, nur ihren Fuß, Der tändelnd ſchaukelt wie ein Schiff, Zuweilen treibt des Windes Gruß Auch eine Locke um das Riff, Doch ihres heißen Odems Zug, Samumes Hauch, glaubt er zu fühlen, Verlorne Laute, wie im Flug Lockvögel, um das Ohr ihm ſpielen.
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 21
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Noch zwei Minuten, wo ſie ſann,
Pulſiren ließ die heißen Glieder, —
Behende wie ein Marder dann
Schlüpft keck ſie in den Steinbruch nieder.
Am Eingang ſteht ein Felſenblock,
Wo das Geſchiebe überhängt;
Der Epheu ſchüttelt ſein Gelock,
Zur grünen Laube vorgedrängt:
Da unter'm Dache lagert ſie,
Behaglich lehnend an dem Steine,
Und denkt: ich ſitze wahrlich wie
Ein Heil'genbildchen in dem Schreine!
Ihr iſt ſo warm, der Zöpfe Paar
Sie löſet mit der runden Hand,
Und nieder rauſcht ihr ſchwarzes Haar
Wie Rabenſittiges Gewand.
Ei! denkt ſie, bin ich doch allein!
Auf ſpringt das Spangenpaar am Mieder;
Doch unbeweglich gleich dem Stein
Steht hinter'm Block der wilde Rieder:
Er ſieht ſie nicht, nur ihren Fuß,
Der tändelnd ſchaukelt wie ein Schiff,
Zuweilen treibt des Windes Gruß
Auch eine Locke um das Riff,
Doch ihres heißen Odems Zug,
Samumes Hauch, glaubt er zu fühlen,
Verlorne Laute, wie im Flug
Lockvögel, um das Ohr ihm ſpielen.
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 21
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/335>, abgerufen am 22.11.2024.
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