Wie ist es schauerlich im weiten Versteinten öden Palmenwald, Wo die Gedanken niedergleiten Wie Anakonden schwer und kalt; Und blutig sich der Schatten hebt Am blut'gen Märtyrer der Scheibe, Wie neben dem gebannten Leibe Die Seele schwebt. *
Der Ampel Schein verlosch, im Schiffe Schläft halbgeschlossen Blum' und Kraut; Wie nackt gespülte Uferriffe Die Streben lehnen, tief ergraut; Anschwellend zum Altare dort, Dann aufwärts dehnend, lang gezogen, Schlingen die Häupter sie zu Bogen, Und schlummern fort.
Und immer schwerer will es rinnen Von Quader, Säulenknauf und Schaft, Und in dem Strale will's gewinnen Ein dunstig Leben, geisterhaft: Da horch! es dröhnt im Thurme -- ha! Die Glocke summt -- da leise säuselt Der Dunst, er zucket, wimmelt, kräuselt, -- Nun steht es da! --
Ein Nebelmäntlein umgeschlagen, Ein graues Käppchen, grau Gewand,
* Nach der Zaubersage.
Wie iſt es ſchauerlich im weiten Verſteinten öden Palmenwald, Wo die Gedanken niedergleiten Wie Anakonden ſchwer und kalt; Und blutig ſich der Schatten hebt Am blut'gen Märtyrer der Scheibe, Wie neben dem gebannten Leibe Die Seele ſchwebt. *
Der Ampel Schein verloſch, im Schiffe Schläft halbgeſchloſſen Blum' und Kraut; Wie nackt geſpülte Uferriffe Die Streben lehnen, tief ergraut; Anſchwellend zum Altare dort, Dann aufwärts dehnend, lang gezogen, Schlingen die Häupter ſie zu Bogen, Und ſchlummern fort.
Und immer ſchwerer will es rinnen Von Quader, Säulenknauf und Schaft, Und in dem Strale will's gewinnen Ein dunſtig Leben, geiſterhaft: Da horch! es dröhnt im Thurme — ha! Die Glocke ſummt — da leiſe ſäuſelt Der Dunſt, er zucket, wimmelt, kräuſelt, — Nun ſteht es da! —
Ein Nebelmäntlein umgeſchlagen, Ein graues Käppchen, grau Gewand,
* Nach der Zauberſage.
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Wie iſt es ſchauerlich im weiten
Verſteinten öden Palmenwald,
Wo die Gedanken niedergleiten
Wie Anakonden ſchwer und kalt;
Und blutig ſich der Schatten hebt
Am blut'gen Märtyrer der Scheibe,
Wie neben dem gebannten Leibe
Die Seele ſchwebt. *
Der Ampel Schein verloſch, im Schiffe
Schläft halbgeſchloſſen Blum' und Kraut;
Wie nackt geſpülte Uferriffe
Die Streben lehnen, tief ergraut;
Anſchwellend zum Altare dort,
Dann aufwärts dehnend, lang gezogen,
Schlingen die Häupter ſie zu Bogen,
Und ſchlummern fort.
Und immer ſchwerer will es rinnen
Von Quader, Säulenknauf und Schaft,
Und in dem Strale will's gewinnen
Ein dunſtig Leben, geiſterhaft:
Da horch! es dröhnt im Thurme — ha!
Die Glocke ſummt — da leiſe ſäuſelt
Der Dunſt, er zucket, wimmelt, kräuſelt, —
Nun ſteht es da! —
Ein Nebelmäntlein umgeſchlagen,
Ein graues Käppchen, grau Gewand,
* Nach der Zauberſage.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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