Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Täuscher zaudert, dann umschleicht behutsam wie ein
Fuchs im Winde
Die Mauern er; -- ist's nicht als ob ein Licht im Innern
sich entzünde?
Er schüttelt sich, er tritt hinein
Und steht im finstern Gang allein;

Tappt am Gemäuer, wendet sich; dort stimmt es durch der
Thüre Spalten,
Sacht beugt er zu der Ritze, lauscht, den schweren Odem
angehalten;
Kein Ton, kein Räuspern, nur ein Laut wie scharfgeführter
Feder Schrillen,
Und ein Geriesel wie wenn Sand auf Estrich stäubt durch
schmale Rillen;
Sacht greift er an die Klinke, sacht
Hat er gepocht und aufgemacht.
III.
Wie friedlich in der Erde Schooß die still geringen Leutchen
schlafen!
Endlich ein Pfühl nach hartem Stroh, nach saurer Fahrt
endlich ein Hafen!
Dem Flockenwulste, sichtbar kaum, entheben sich die niedern
Hügel,
Doch Gottes Engel kennt sie wohl, und schirmend breitet er
die Flügel
Den Kreuzlein zu, die Pflock an Pflock
Sich reihen um den Marmorblock.

Der Täuſcher zaudert, dann umſchleicht behutſam wie ein
Fuchs im Winde
Die Mauern er; — iſt's nicht als ob ein Licht im Innern
ſich entzünde?
Er ſchüttelt ſich, er tritt hinein
Und ſteht im finſtern Gang allein;

Tappt am Gemäuer, wendet ſich; dort ſtimmt es durch der
Thüre Spalten,
Sacht beugt er zu der Ritze, lauſcht, den ſchweren Odem
angehalten;
Kein Ton, kein Räuſpern, nur ein Laut wie ſcharfgeführter
Feder Schrillen,
Und ein Gerieſel wie wenn Sand auf Eſtrich ſtäubt durch
ſchmale Rillen;
Sacht greift er an die Klinke, ſacht
Hat er gepocht und aufgemacht.
III.
Wie friedlich in der Erde Schooß die ſtill geringen Leutchen
ſchlafen!
Endlich ein Pfühl nach hartem Stroh, nach ſaurer Fahrt
endlich ein Hafen!
Dem Flockenwulſte, ſichtbar kaum, entheben ſich die niedern
Hügel,
Doch Gottes Engel kennt ſie wohl, und ſchirmend breitet er
die Flügel
Den Kreuzlein zu, die Pflock an Pflock
Sich reihen um den Marmorblock.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="9">
                <pb facs="#f0392" n="378"/>
                <l>Der Täu&#x017F;cher zaudert, dann um&#x017F;chleicht behut&#x017F;am wie ein</l><lb/>
                <l>Fuchs im Winde</l><lb/>
                <l>Die Mauern er; &#x2014; i&#x017F;t's nicht als ob ein Licht im Innern</l><lb/>
                <l>&#x017F;ich entzünde?</l><lb/>
                <l>Er &#x017F;chüttelt &#x017F;ich, er tritt hinein</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;teht im fin&#x017F;tern Gang allein;</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="10">
                <l>Tappt am Gemäuer, wendet &#x017F;ich; dort &#x017F;timmt es durch der</l><lb/>
                <l>Thüre Spalten,</l><lb/>
                <l>Sacht beugt er zu der Ritze, lau&#x017F;cht, den &#x017F;chweren Odem</l><lb/>
                <l>angehalten;</l><lb/>
                <l>Kein Ton, kein Räu&#x017F;pern, nur ein Laut wie &#x017F;charfgeführter</l><lb/>
                <l>Feder Schrillen,</l><lb/>
                <l>Und ein Gerie&#x017F;el wie wenn Sand auf E&#x017F;trich &#x017F;täubt durch</l><lb/>
                <l>&#x017F;chmale Rillen;</l><lb/>
                <l>Sacht greift er an die Klinke, &#x017F;acht</l><lb/>
                <l>Hat er gepocht und aufgemacht.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq #b">III</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Wie friedlich in der Erde Schooß die &#x017F;till geringen Leutchen</l><lb/>
                <l>&#x017F;chlafen!</l><lb/>
                <l>Endlich ein Pfühl nach hartem Stroh, nach &#x017F;aurer Fahrt</l><lb/>
                <l>endlich ein Hafen!</l><lb/>
                <l>Dem Flockenwul&#x017F;te, &#x017F;ichtbar kaum, entheben &#x017F;ich die niedern</l><lb/>
                <l>Hügel,</l><lb/>
                <l>Doch Gottes Engel kennt &#x017F;ie wohl, und &#x017F;chirmend breitet er</l><lb/>
                <l>die Flügel</l><lb/>
                <l>Den Kreuzlein zu, die Pflock an Pflock</l><lb/>
                <l>Sich reihen um den Marmorblock.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0392] Der Täuſcher zaudert, dann umſchleicht behutſam wie ein Fuchs im Winde Die Mauern er; — iſt's nicht als ob ein Licht im Innern ſich entzünde? Er ſchüttelt ſich, er tritt hinein Und ſteht im finſtern Gang allein; Tappt am Gemäuer, wendet ſich; dort ſtimmt es durch der Thüre Spalten, Sacht beugt er zu der Ritze, lauſcht, den ſchweren Odem angehalten; Kein Ton, kein Räuſpern, nur ein Laut wie ſcharfgeführter Feder Schrillen, Und ein Gerieſel wie wenn Sand auf Eſtrich ſtäubt durch ſchmale Rillen; Sacht greift er an die Klinke, ſacht Hat er gepocht und aufgemacht. III. Wie friedlich in der Erde Schooß die ſtill geringen Leutchen ſchlafen! Endlich ein Pfühl nach hartem Stroh, nach ſaurer Fahrt endlich ein Hafen! Dem Flockenwulſte, ſichtbar kaum, entheben ſich die niedern Hügel, Doch Gottes Engel kennt ſie wohl, und ſchirmend breitet er die Flügel Den Kreuzlein zu, die Pflock an Pflock Sich reihen um den Marmorblock.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/392
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/392>, abgerufen am 22.11.2024.