In Sätzen prallend von der Decke, Dann lagert er an Stromes Rand. Hin schleppt der müde Mann den Schritt; Er bückt sich mühsam, welche Qual! Ergreift ihn, der zum dritten Mal Ihm immer gleitet aus der Hand. Und schwindelnd, bei dem sauren Beugen, Fühlt er das Blut zum Haupte steigen, Sein Aug', von kalten Thränen schwer, Sieht kaum das Allernächste mehr. Noch tappt er, wo aus dunklem Schaft Die glatte Eisenspitze blinkt. Da weicht des Armes letzte Kraft, Und auf den Schnee das Knäbchen sinkt; Es rafft sich auf, ergreift den Stab, Gehorsam, leichtem Dienst gewöhnt. "Mein Kind! mein Kind!" der Alte stöhnt, Und nimmt die kleine Last ihm ab, "Was willst du noch zuletzt dich plagen!" Späht mit der Augen trübem Stern Beklommen durch den nächt'gen Schein; -- "Du kannst nicht gehn, ich dich nicht tragen, Und ach! das Hospital ist fern. So müssen wir das Letzte wagen, Und kehren bei den Todten ein." Er lenkt die Schritte von dem Strand, Sein Knäbchen hält er an der Hand.
Das Mondlicht, das mit kaltem Kusse Liebkoset dem versteinten Flusse,
In Sätzen prallend von der Decke, Dann lagert er an Stromes Rand. Hin ſchleppt der müde Mann den Schritt; Er bückt ſich mühſam, welche Qual! Ergreift ihn, der zum dritten Mal Ihm immer gleitet aus der Hand. Und ſchwindelnd, bei dem ſauren Beugen, Fühlt er das Blut zum Haupte ſteigen, Sein Aug', von kalten Thränen ſchwer, Sieht kaum das Allernächſte mehr. Noch tappt er, wo aus dunklem Schaft Die glatte Eiſenſpitze blinkt. Da weicht des Armes letzte Kraft, Und auf den Schnee das Knäbchen ſinkt; Es rafft ſich auf, ergreift den Stab, Gehorſam, leichtem Dienſt gewöhnt. „Mein Kind! mein Kind!“ der Alte ſtöhnt, Und nimmt die kleine Laſt ihm ab, „Was willſt du noch zuletzt dich plagen!“ Späht mit der Augen trübem Stern Beklommen durch den nächt'gen Schein; — „Du kannſt nicht gehn, ich dich nicht tragen, Und ach! das Hoſpital iſt fern. So müſſen wir das Letzte wagen, Und kehren bei den Todten ein.“ Er lenkt die Schritte von dem Strand, Sein Knäbchen hält er an der Hand.
Das Mondlicht, das mit kaltem Kuſſe Liebkoſet dem verſteinten Fluſſe,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="12"><pbfacs="#f0422"n="408"/><l>In Sätzen prallend von der Decke,</l><lb/><l>Dann lagert er an Stromes Rand.</l><lb/><l>Hin ſchleppt der müde Mann den Schritt;</l><lb/><l>Er bückt ſich mühſam, welche Qual!</l><lb/><l>Ergreift ihn, der zum dritten Mal</l><lb/><l>Ihm immer gleitet aus der Hand.</l><lb/><l>Und ſchwindelnd, bei dem ſauren Beugen,</l><lb/><l>Fühlt er das Blut zum Haupte ſteigen,</l><lb/><l>Sein Aug', von kalten Thränen ſchwer,</l><lb/><l>Sieht kaum das Allernächſte mehr.</l><lb/><l>Noch tappt er, wo aus dunklem Schaft</l><lb/><l>Die glatte Eiſenſpitze blinkt.</l><lb/><l>Da weicht des Armes letzte Kraft,</l><lb/><l>Und auf den Schnee das Knäbchen ſinkt;</l><lb/><l>Es rafft ſich auf, ergreift den Stab,</l><lb/><l>Gehorſam, leichtem Dienſt gewöhnt.</l><lb/><l>„Mein Kind! mein Kind!“ der Alte ſtöhnt,</l><lb/><l>Und nimmt die kleine Laſt ihm ab,</l><lb/><l>„Was willſt du noch zuletzt dich plagen!“</l><lb/><l>Späht mit der Augen trübem Stern</l><lb/><l>Beklommen durch den nächt'gen Schein; —</l><lb/><l>„Du kannſt nicht gehn, ich dich nicht tragen,</l><lb/><l>Und ach! das Hoſpital iſt fern.</l><lb/><l>So müſſen wir das Letzte wagen,</l><lb/><l>Und kehren bei den Todten ein.“</l><lb/><l>Er lenkt die Schritte von dem Strand,</l><lb/><l>Sein Knäbchen hält er an der Hand.</l><lb/></lg><lgn="13"><l>Das Mondlicht, das mit kaltem Kuſſe</l><lb/><l>Liebkoſet dem verſteinten Fluſſe,</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[408/0422]
In Sätzen prallend von der Decke,
Dann lagert er an Stromes Rand.
Hin ſchleppt der müde Mann den Schritt;
Er bückt ſich mühſam, welche Qual!
Ergreift ihn, der zum dritten Mal
Ihm immer gleitet aus der Hand.
Und ſchwindelnd, bei dem ſauren Beugen,
Fühlt er das Blut zum Haupte ſteigen,
Sein Aug', von kalten Thränen ſchwer,
Sieht kaum das Allernächſte mehr.
Noch tappt er, wo aus dunklem Schaft
Die glatte Eiſenſpitze blinkt.
Da weicht des Armes letzte Kraft,
Und auf den Schnee das Knäbchen ſinkt;
Es rafft ſich auf, ergreift den Stab,
Gehorſam, leichtem Dienſt gewöhnt.
„Mein Kind! mein Kind!“ der Alte ſtöhnt,
Und nimmt die kleine Laſt ihm ab,
„Was willſt du noch zuletzt dich plagen!“
Späht mit der Augen trübem Stern
Beklommen durch den nächt'gen Schein; —
„Du kannſt nicht gehn, ich dich nicht tragen,
Und ach! das Hoſpital iſt fern.
So müſſen wir das Letzte wagen,
Und kehren bei den Todten ein.“
Er lenkt die Schritte von dem Strand,
Sein Knäbchen hält er an der Hand.
Das Mondlicht, das mit kaltem Kuſſe
Liebkoſet dem verſteinten Fluſſe,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/422>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.