Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Indessen har das Knäbchen leis' Die beiden Aermchen ausgestreckt, Und aus des Mantels Huth mit Fleiß Den kleinen Kopf hervorgesteckt. Das Schlummern will ihm nicht gelingen; Die Langeweile zu bezwingen Am Mantel nestelt's immerfort, Schaut unverrückt nach einem Ort, Bald gähnend, bald mit halbem Wort. "Ja!" flüstert's, vor Ermattung roth, Die Händchen in des Mantels Tasche, "Dort steht das Glas, und dort die Flasche, Und auf dem Tische liegt das Brod." Dann zieht es sacht den Mantel los; Es gleitet von des Alten Schooß, Es taucht in's Dunkel. Auf sich rüttelnd Aus wüster Träumereien Graus, "Henry! mein Kind!" ruft jener aus, Das graue Haupt verdrossen schüttelnd, "Wo bist du nur? komm wieder, Sohn!" Dort glänzen seine Löckchen schon! Was reicht und streicht es an der Wand? An's Auge hebt der Greis die Hand: Fürwahr! nach einem Brode sucht Der kleine Arm hinauf zu langen; Und nebenan sich Schimmer reihn, Bald roth, bald grün, wie sie gefangen Im Glase dort, und dort im Wein. O unverhoffter Segen! Schon Vom Boden taumeln sieh den Alten. Indeſſen har das Knäbchen leiſ' Die beiden Aermchen ausgeſtreckt, Und aus des Mantels Huth mit Fleiß Den kleinen Kopf hervorgeſteckt. Das Schlummern will ihm nicht gelingen; Die Langeweile zu bezwingen Am Mantel neſtelt's immerfort, Schaut unverrückt nach einem Ort, Bald gähnend, bald mit halbem Wort. „Ja!“ flüſtert's, vor Ermattung roth, Die Händchen in des Mantels Taſche, „Dort ſteht das Glas, und dort die Flaſche, Und auf dem Tiſche liegt das Brod.“ Dann zieht es ſacht den Mantel los; Es gleitet von des Alten Schooß, Es taucht in's Dunkel. Auf ſich rüttelnd Aus wüſter Träumereien Graus, „Henry! mein Kind!“ ruft jener aus, Das graue Haupt verdroſſen ſchüttelnd, „Wo biſt du nur? komm wieder, Sohn!“ Dort glänzen ſeine Löckchen ſchon! Was reicht und ſtreicht es an der Wand? An's Auge hebt der Greis die Hand: Fürwahr! nach einem Brode ſucht Der kleine Arm hinauf zu langen; Und nebenan ſich Schimmer reihn, Bald roth, bald grün, wie ſie gefangen Im Glaſe dort, und dort im Wein. O unverhoffter Segen! Schon Vom Boden taumeln ſieh den Alten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0426" n="412"/> <lg n="15"> <l>Indeſſen har das Knäbchen leiſ'</l><lb/> <l>Die beiden Aermchen ausgeſtreckt,</l><lb/> <l>Und aus des Mantels Huth mit Fleiß</l><lb/> <l>Den kleinen Kopf hervorgeſteckt.</l><lb/> <l>Das Schlummern will ihm nicht gelingen;</l><lb/> <l>Die Langeweile zu bezwingen</l><lb/> <l>Am Mantel neſtelt's immerfort,</l><lb/> <l>Schaut unverrückt nach einem Ort,</l><lb/> <l>Bald gähnend, bald mit halbem Wort.</l><lb/> <l>„Ja!“ flüſtert's, vor Ermattung roth,</l><lb/> <l>Die Händchen in des Mantels Taſche,</l><lb/> <l>„Dort ſteht das Glas, und dort die Flaſche,</l><lb/> <l>Und auf dem Tiſche liegt das Brod.“</l><lb/> <l>Dann zieht es ſacht den Mantel los;</l><lb/> <l>Es gleitet von des Alten Schooß,</l><lb/> <l>Es taucht in's Dunkel. Auf ſich rüttelnd</l><lb/> <l>Aus wüſter Träumereien Graus,</l><lb/> <l>„Henry! mein Kind!“ ruft jener aus,</l><lb/> <l>Das graue Haupt verdroſſen ſchüttelnd,</l><lb/> <l>„Wo biſt du nur? komm wieder, Sohn!“</l><lb/> <l>Dort glänzen ſeine Löckchen ſchon!</l><lb/> <l>Was reicht und ſtreicht es an der Wand?</l><lb/> <l>An's Auge hebt der Greis die Hand:</l><lb/> <l>Fürwahr! nach einem Brode ſucht</l><lb/> <l>Der kleine Arm hinauf zu langen;</l><lb/> <l>Und nebenan ſich Schimmer reihn,</l><lb/> <l>Bald roth, bald grün, wie ſie gefangen</l><lb/> <l>Im Glaſe dort, und dort im Wein.</l><lb/> <l>O unverhoffter Segen! Schon</l><lb/> <l>Vom Boden taumeln ſieh den Alten.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [412/0426]
Indeſſen har das Knäbchen leiſ'
Die beiden Aermchen ausgeſtreckt,
Und aus des Mantels Huth mit Fleiß
Den kleinen Kopf hervorgeſteckt.
Das Schlummern will ihm nicht gelingen;
Die Langeweile zu bezwingen
Am Mantel neſtelt's immerfort,
Schaut unverrückt nach einem Ort,
Bald gähnend, bald mit halbem Wort.
„Ja!“ flüſtert's, vor Ermattung roth,
Die Händchen in des Mantels Taſche,
„Dort ſteht das Glas, und dort die Flaſche,
Und auf dem Tiſche liegt das Brod.“
Dann zieht es ſacht den Mantel los;
Es gleitet von des Alten Schooß,
Es taucht in's Dunkel. Auf ſich rüttelnd
Aus wüſter Träumereien Graus,
„Henry! mein Kind!“ ruft jener aus,
Das graue Haupt verdroſſen ſchüttelnd,
„Wo biſt du nur? komm wieder, Sohn!“
Dort glänzen ſeine Löckchen ſchon!
Was reicht und ſtreicht es an der Wand?
An's Auge hebt der Greis die Hand:
Fürwahr! nach einem Brode ſucht
Der kleine Arm hinauf zu langen;
Und nebenan ſich Schimmer reihn,
Bald roth, bald grün, wie ſie gefangen
Im Glaſe dort, und dort im Wein.
O unverhoffter Segen! Schon
Vom Boden taumeln ſieh den Alten.
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