Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Doch jener, in sich selbst gekehrt, Des Kleinen Stimme nicht beachtet, Mit angestrengter Sorge trachtet Die innern Feinde abzuwehren, So pochend durch die Adern gähren. Er birgt die Augen, sinnt und sinnt: Zu Saint Remi, im Stübchen klein, Was seine Tochter wohl beginnt? Die Wände hell, die Schemel rein Sucht er den Sinnen vorzuführen. Vergebens! wunderlich berühren Auch hier sich Wirklichkeit und Schein; Die todte Schwester fällt ihm ein. Gleich Träumen die Gedanken irren, Im Ohre hallt ein feines Schwirren, Ein Klingeln, seltsam zu belauschen; Es ist des eignen Blutes Rauschen, Das, murrend ob der Adern Band, Zum Haupt die Klagen hat gesandt. So geht es nicht, so darf's nicht bleiben! Der Greis, in seiner Seelenqual, Beginnt die Glieder allzumal Mit angestrengtem Fleiß zu reiben. Des Mantels Rauschen an der Wand, Das Rispeln seiner eignen Hand, Des Haares Knistern, wenn er schwer Streicht mit den Fingern drüber her: Ein Laut des Lebens scheint dem schwachen Bedrängten Busen Luft zu machen. Und dann -- ein Schrei! woher und wie? Doch jener, in ſich ſelbſt gekehrt, Des Kleinen Stimme nicht beachtet, Mit angeſtrengter Sorge trachtet Die innern Feinde abzuwehren, So pochend durch die Adern gähren. Er birgt die Augen, ſinnt und ſinnt: Zu Saint Remi, im Stübchen klein, Was ſeine Tochter wohl beginnt? Die Wände hell, die Schemel rein Sucht er den Sinnen vorzuführen. Vergebens! wunderlich berühren Auch hier ſich Wirklichkeit und Schein; Die todte Schweſter fällt ihm ein. Gleich Träumen die Gedanken irren, Im Ohre hallt ein feines Schwirren, Ein Klingeln, ſeltſam zu belauſchen; Es iſt des eignen Blutes Rauſchen, Das, murrend ob der Adern Band, Zum Haupt die Klagen hat geſandt. So geht es nicht, ſo darf's nicht bleiben! Der Greis, in ſeiner Seelenqual, Beginnt die Glieder allzumal Mit angeſtrengtem Fleiß zu reiben. Des Mantels Rauſchen an der Wand, Das Riſpeln ſeiner eignen Hand, Des Haares Kniſtern, wenn er ſchwer Streicht mit den Fingern drüber her: Ein Laut des Lebens ſcheint dem ſchwachen Bedrängten Buſen Luft zu machen. Und dann — ein Schrei! woher und wie? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0435" n="421"/> <lg n="20"> <l>Doch jener, in ſich ſelbſt gekehrt,</l><lb/> <l>Des Kleinen Stimme nicht beachtet,</l><lb/> <l>Mit angeſtrengter Sorge trachtet</l><lb/> <l>Die innern Feinde abzuwehren,</l><lb/> <l>So pochend durch die Adern gähren.</l><lb/> <l>Er birgt die Augen, ſinnt und ſinnt:</l><lb/> <l>Zu Saint Remi, im Stübchen klein,</l><lb/> <l>Was ſeine Tochter wohl beginnt?</l><lb/> <l>Die Wände hell, die Schemel rein</l><lb/> <l>Sucht er den Sinnen vorzuführen.</l><lb/> <l>Vergebens! wunderlich berühren</l><lb/> <l>Auch hier ſich Wirklichkeit und Schein;</l><lb/> <l>Die todte Schweſter fällt ihm ein.</l><lb/> <l>Gleich Träumen die Gedanken irren,</l><lb/> <l>Im Ohre hallt ein feines Schwirren,</l><lb/> <l>Ein Klingeln, ſeltſam zu belauſchen;</l><lb/> <l>Es iſt des eignen Blutes Rauſchen,</l><lb/> <l>Das, murrend ob der Adern Band,</l><lb/> <l>Zum Haupt die Klagen hat geſandt.</l><lb/> <l>So geht es nicht, ſo darf's nicht bleiben!</l><lb/> <l>Der Greis, in ſeiner Seelenqual,</l><lb/> <l>Beginnt die Glieder allzumal</l><lb/> <l>Mit angeſtrengtem Fleiß zu reiben.</l><lb/> <l>Des Mantels Rauſchen an der Wand,</l><lb/> <l>Das Riſpeln ſeiner eignen Hand,</l><lb/> <l>Des Haares Kniſtern, wenn er ſchwer</l><lb/> <l>Streicht mit den Fingern drüber her:</l><lb/> <l>Ein Laut des Lebens ſcheint dem ſchwachen</l><lb/> <l>Bedrängten Buſen Luft zu machen.</l><lb/> <l>Und dann — ein Schrei! woher und wie?</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [421/0435]
Doch jener, in ſich ſelbſt gekehrt,
Des Kleinen Stimme nicht beachtet,
Mit angeſtrengter Sorge trachtet
Die innern Feinde abzuwehren,
So pochend durch die Adern gähren.
Er birgt die Augen, ſinnt und ſinnt:
Zu Saint Remi, im Stübchen klein,
Was ſeine Tochter wohl beginnt?
Die Wände hell, die Schemel rein
Sucht er den Sinnen vorzuführen.
Vergebens! wunderlich berühren
Auch hier ſich Wirklichkeit und Schein;
Die todte Schweſter fällt ihm ein.
Gleich Träumen die Gedanken irren,
Im Ohre hallt ein feines Schwirren,
Ein Klingeln, ſeltſam zu belauſchen;
Es iſt des eignen Blutes Rauſchen,
Das, murrend ob der Adern Band,
Zum Haupt die Klagen hat geſandt.
So geht es nicht, ſo darf's nicht bleiben!
Der Greis, in ſeiner Seelenqual,
Beginnt die Glieder allzumal
Mit angeſtrengtem Fleiß zu reiben.
Des Mantels Rauſchen an der Wand,
Das Riſpeln ſeiner eignen Hand,
Des Haares Kniſtern, wenn er ſchwer
Streicht mit den Fingern drüber her:
Ein Laut des Lebens ſcheint dem ſchwachen
Bedrängten Buſen Luft zu machen.
Und dann — ein Schrei! woher und wie?
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