Als ich verlassen jener Hütte Frieden Um einen Wunden, wie man mich beschieden, In jener Nacht so schwarz und schauerlich, Daß nicht ein Glühwurm durch die Kräuter schlich; Des Grases Knistern nur, der schwache Hauch Des eignen Athems brach die Stille auch. Vor ging ein Mann, und Einer nach mir schritt. Ich sah nur Grau in Grau und tappte mit, Als wir dem Bergwald zogen stumm entgegen, Gleich Kohlenstämmen unter Aschenregen. Zuerst ein Weiher kam, und dann ein Steg, Dann ging es aufwärts halb verwachsnen Weg; Im tiefern Grau verschwammen die Gestalten; Nur selten zeigten mir des Waldes Spalten Noch meines Vormanns untersetzten Bau. An einer Klippe meine Führer halten, Und ich mich wende zu verstohlner Schau. Nur dunkle Massen rings -- wo mag ich seyn? Da über mir hört' ich die Eule schrei'n Und dachte noch, ihr Nest liegt im Gestein. Doch dort und dort und dorten überall, Entlang die Waldung, gellt's im Wiederhall, Ringsum die Zweige knistern wie im Brand, Vor mir ein Mantel, drüben eine Hand, Dann über meine Schulter es sich stemmt, Und eine Binde hat den Blick gehemmt. Der Boden schwindet; eh ich mich gefaßt, Ein Roß trägt schnaubend fürder seine Last.
Mir war doch schwül, als ich zum Zügel griff; Seekranken war mir's gleich auf leckem Schiff.
Als ich verlaſſen jener Hütte Frieden Um einen Wunden, wie man mich beſchieden, In jener Nacht ſo ſchwarz und ſchauerlich, Daß nicht ein Glühwurm durch die Kräuter ſchlich; Des Graſes Kniſtern nur, der ſchwache Hauch Des eignen Athems brach die Stille auch. Vor ging ein Mann, und Einer nach mir ſchritt. Ich ſah nur Grau in Grau und tappte mit, Als wir dem Bergwald zogen ſtumm entgegen‚ Gleich Kohlenſtämmen unter Aſchenregen. Zuerſt ein Weiher kam, und dann ein Steg, Dann ging es aufwärts halb verwachsnen Weg; Im tiefern Grau verſchwammen die Geſtalten; Nur ſelten zeigten mir des Waldes Spalten Noch meines Vormanns unterſetzten Bau. An einer Klippe meine Führer halten, Und ich mich wende zu verſtohlner Schau. Nur dunkle Maſſen rings — wo mag ich ſeyn? Da über mir hört' ich die Eule ſchrei'n Und dachte noch, ihr Neſt liegt im Geſtein. Doch dort und dort und dorten überall, Entlang die Waldung, gellt's im Wiederhall, Ringsum die Zweige kniſtern wie im Brand, Vor mir ein Mantel, drüben eine Hand, Dann über meine Schulter es ſich ſtemmt, Und eine Binde hat den Blick gehemmt. Der Boden ſchwindet; eh ich mich gefaßt‚ Ein Roß trägt ſchnaubend fürder ſeine Laſt.
Mir war doch ſchwül, als ich zum Zügel griff; Seekranken war mir's gleich auf leckem Schiff.
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Als ich verlaſſen jener Hütte Frieden
Um einen Wunden, wie man mich beſchieden,
In jener Nacht ſo ſchwarz und ſchauerlich,
Daß nicht ein Glühwurm durch die Kräuter ſchlich;
Des Graſes Kniſtern nur, der ſchwache Hauch
Des eignen Athems brach die Stille auch.
Vor ging ein Mann, und Einer nach mir ſchritt.
Ich ſah nur Grau in Grau und tappte mit,
Als wir dem Bergwald zogen ſtumm entgegen‚
Gleich Kohlenſtämmen unter Aſchenregen.
Zuerſt ein Weiher kam, und dann ein Steg,
Dann ging es aufwärts halb verwachsnen Weg;
Im tiefern Grau verſchwammen die Geſtalten;
Nur ſelten zeigten mir des Waldes Spalten
Noch meines Vormanns unterſetzten Bau.
An einer Klippe meine Führer halten,
Und ich mich wende zu verſtohlner Schau.
Nur dunkle Maſſen rings — wo mag ich ſeyn?
Da über mir hört' ich die Eule ſchrei'n
Und dachte noch, ihr Neſt liegt im Geſtein.
Doch dort und dort und dorten überall,
Entlang die Waldung, gellt's im Wiederhall,
Ringsum die Zweige kniſtern wie im Brand,
Vor mir ein Mantel, drüben eine Hand,
Dann über meine Schulter es ſich ſtemmt,
Und eine Binde hat den Blick gehemmt.
Der Boden ſchwindet; eh ich mich gefaßt‚
Ein Roß trägt ſchnaubend fürder ſeine Laſt.
Mir war doch ſchwül, als ich zum Zügel griff;
Seekranken war mir's gleich auf leckem Schiff.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/476>, abgerufen am 22.11.2024.
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