Und kann nicht sagen, wie so wohl mir war. Der wüste Ritt, entschwundene Gefahr, Ließ doppelt noch den Augenblick empfinden, Nachdenken konnte keine Stelle finden, Da sich in Taumel herbe Spannung brach. Halbschlummernd sah ich in den grünen Haag: Die Nacht war jetzt so milde, lichtbewegt Als sie begonnen schwarz und schauerlich. Ein jedes Kräutchen Thaugeflitter trägt, Es schläft der Klee, die Blumen bücken sich, Im Traume lächelnd scheint der Mond zu beben, Wenn linde Nebelstreifen drüber schweben. So ruhig wohl am dritten Schöpfungstag In ihrem ersten Schlaf die Erde lag, Wo Leben nur in Kräutern noch und Gras. Ganz heimisch war die Scholle wo ich saß; Denn tausend Schritt von dieser Stelle noch Barg meine Klause jenes Klippenjoch: Dies Wasser rauscht' an ihren Bretterwänden, Ihr Gärtchen lag an jenes Waldes Enden, Dies ist der Baum, wo ich im Schatten lag, Und dies die Höhe, wo ich Kräuter brach. Ob wohl die Quelle drunten wacht im Thal? Ein Glitzern nur verrath das klare Naß. So sinnend wär' entschlummert ich zumal, Wenn nicht der Thau sich durch den Mantel stahl. Die Kälte weckte mich, es war im Mai, Es war wohl schön, doch frisch die Nacht dabei. Nicht fern mehr schien der Tag: so stand ich auf Und dämmerte gemach den Wald hinauf,
Und kann nicht ſagen, wie ſo wohl mir war. Der wüſte Ritt, entſchwundene Gefahr, Ließ doppelt noch den Augenblick empfinden, Nachdenken konnte keine Stelle finden, Da ſich in Taumel herbe Spannung brach. Halbſchlummernd ſah ich in den grünen Haag: Die Nacht war jetzt ſo milde, lichtbewegt Als ſie begonnen ſchwarz und ſchauerlich. Ein jedes Kräutchen Thaugeflitter trägt, Es ſchläft der Klee, die Blumen bücken ſich, Im Traume lächelnd ſcheint der Mond zu beben, Wenn linde Nebelſtreifen drüber ſchweben. So ruhig wohl am dritten Schöpfungstag In ihrem erſten Schlaf die Erde lag, Wo Leben nur in Kräutern noch und Gras. Ganz heimiſch war die Scholle wo ich ſaß; Denn tauſend Schritt von dieſer Stelle noch Barg meine Klauſe jenes Klippenjoch: Dies Waſſer rauſcht' an ihren Bretterwänden, Ihr Gärtchen lag an jenes Waldes Enden, Dies iſt der Baum, wo ich im Schatten lag, Und dies die Höhe, wo ich Kräuter brach. Ob wohl die Quelle drunten wacht im Thal? Ein Glitzern nur verrath das klare Naß. So ſinnend wär' entſchlummert ich zumal, Wenn nicht der Thau ſich durch den Mantel ſtahl. Die Kälte weckte mich, es war im Mai, Es war wohl ſchön, doch friſch die Nacht dabei. Nicht fern mehr ſchien der Tag: ſo ſtand ich auf Und dämmerte gemach den Wald hinauf,
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Und kann nicht ſagen, wie ſo wohl mir war.
Der wüſte Ritt, entſchwundene Gefahr,
Ließ doppelt noch den Augenblick empfinden,
Nachdenken konnte keine Stelle finden,
Da ſich in Taumel herbe Spannung brach.
Halbſchlummernd ſah ich in den grünen Haag:
Die Nacht war jetzt ſo milde, lichtbewegt
Als ſie begonnen ſchwarz und ſchauerlich.
Ein jedes Kräutchen Thaugeflitter trägt,
Es ſchläft der Klee, die Blumen bücken ſich,
Im Traume lächelnd ſcheint der Mond zu beben,
Wenn linde Nebelſtreifen drüber ſchweben.
So ruhig wohl am dritten Schöpfungstag
In ihrem erſten Schlaf die Erde lag,
Wo Leben nur in Kräutern noch und Gras.
Ganz heimiſch war die Scholle wo ich ſaß;
Denn tauſend Schritt von dieſer Stelle noch
Barg meine Klauſe jenes Klippenjoch:
Dies Waſſer rauſcht' an ihren Bretterwänden,
Ihr Gärtchen lag an jenes Waldes Enden,
Dies iſt der Baum, wo ich im Schatten lag,
Und dies die Höhe, wo ich Kräuter brach.
Ob wohl die Quelle drunten wacht im Thal?
Ein Glitzern nur verrath das klare Naß.
So ſinnend wär' entſchlummert ich zumal,
Wenn nicht der Thau ſich durch den Mantel ſtahl.
Die Kälte weckte mich, es war im Mai,
Es war wohl ſchön, doch friſch die Nacht dabei.
Nicht fern mehr ſchien der Tag: ſo ſtand ich auf
Und dämmerte gemach den Wald hinauf,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/494>, abgerufen am 22.11.2024.
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