Nun noch an Horizontes Grund -- Nun sind sie fort. Des Wächters Mund Gab ihnen manchen guten Fluch, Daß, wen er trifft, der hat genug. So triumphirend schaut er nach, Wie Simson der Philister Schmach. Und wieder durch den grünen Raum Vereinzelt trabt ein armer Troß, Todtmüde Reiter ohne Roß, Die steife Ferse trägt sie kaum; Wie Hirsche keuchend vor dem Hunde, Nicht achtend Blutverlust und Wunde, Sie stolpern längs dem weichen Grunde; Der Eine fällt und rafft sich auf, Der Andre reckt den Arm hinauf, Und gichtrisch Zucken deutet an, Daß nun der Todeskampf begann. Dort hinkend ein erschöpfter Mann Steht an der Linde Stamm gelehnt, Man glaubt zu hören wie er stöhnt; Das Haupt er zweimal beugt zurück, Man glaubt zu sehn den stieren Blick. Dann stemmend an der Linde Zweigen, Die schattig über'n Anger neigen, Er müht sich mit der letzten Kraft Zu klimmen an des Baumes Schaft. Dreimal fiel er zurück in's Gras, Und schmerzbetäubt am Grunde saß, Und wieder dreimal setzt er an, Bis er den ersten Ast gewann.
Nun noch an Horizontes Grund — Nun ſind ſie fort. Des Wächters Mund Gab ihnen manchen guten Fluch, Daß, wen er trifft, der hat genug. So triumphirend ſchaut er nach, Wie Simſon der Philiſter Schmach. Und wieder durch den grünen Raum Vereinzelt trabt ein armer Troß, Todtmüde Reiter ohne Roß, Die ſteife Ferſe trägt ſie kaum; Wie Hirſche keuchend vor dem Hunde, Nicht achtend Blutverluſt und Wunde, Sie ſtolpern längs dem weichen Grunde; Der Eine fällt und rafft ſich auf, Der Andre reckt den Arm hinauf, Und gichtriſch Zucken deutet an, Daß nun der Todeskampf begann. Dort hinkend ein erſchöpfter Mann Steht an der Linde Stamm gelehnt, Man glaubt zu hören wie er ſtöhnt; Das Haupt er zweimal beugt zurück, Man glaubt zu ſehn den ſtieren Blick. Dann ſtemmend an der Linde Zweigen, Die ſchattig über'n Anger neigen, Er müht ſich mit der letzten Kraft Zu klimmen an des Baumes Schaft. Dreimal fiel er zurück in's Gras, Und ſchmerzbetäubt am Grunde ſaß, Und wieder dreimal ſetzt er an, Bis er den erſten Aſt gewann.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="16"><pbfacs="#f0581"n="567"/><l>Nun noch an Horizontes Grund —</l><lb/><l>Nun ſind ſie fort. Des Wächters Mund</l><lb/><l>Gab ihnen manchen guten Fluch,</l><lb/><l>Daß, wen er trifft, der hat genug.</l><lb/><l>So triumphirend ſchaut er nach,</l><lb/><l>Wie Simſon der Philiſter Schmach.</l><lb/><l>Und wieder durch den grünen Raum</l><lb/><l>Vereinzelt trabt ein armer Troß,</l><lb/><l>Todtmüde Reiter ohne Roß,</l><lb/><l>Die ſteife Ferſe trägt ſie kaum;</l><lb/><l>Wie Hirſche keuchend vor dem Hunde,</l><lb/><l>Nicht achtend Blutverluſt und Wunde,</l><lb/><l>Sie ſtolpern längs dem weichen Grunde;</l><lb/><l>Der Eine fällt und rafft ſich auf,</l><lb/><l>Der Andre reckt den Arm hinauf,</l><lb/><l>Und gichtriſch Zucken deutet an,</l><lb/><l>Daß nun der Todeskampf begann.</l><lb/><l>Dort hinkend ein erſchöpfter Mann</l><lb/><l>Steht an der Linde Stamm gelehnt,</l><lb/><l>Man glaubt zu hören wie er ſtöhnt;</l><lb/><l>Das Haupt er zweimal beugt zurück,</l><lb/><l>Man glaubt zu ſehn den ſtieren Blick.</l><lb/><l>Dann ſtemmend an der Linde Zweigen,</l><lb/><l>Die ſchattig über'n Anger neigen,</l><lb/><l>Er müht ſich mit der letzten Kraft</l><lb/><l>Zu klimmen an des Baumes Schaft.</l><lb/><l>Dreimal fiel er zurück in's Gras,</l><lb/><l>Und ſchmerzbetäubt am Grunde ſaß,</l><lb/><l>Und wieder dreimal ſetzt er an,</l><lb/><l>Bis er den erſten Aſt gewann.</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[567/0581]
Nun noch an Horizontes Grund —
Nun ſind ſie fort. Des Wächters Mund
Gab ihnen manchen guten Fluch,
Daß, wen er trifft, der hat genug.
So triumphirend ſchaut er nach,
Wie Simſon der Philiſter Schmach.
Und wieder durch den grünen Raum
Vereinzelt trabt ein armer Troß,
Todtmüde Reiter ohne Roß,
Die ſteife Ferſe trägt ſie kaum;
Wie Hirſche keuchend vor dem Hunde,
Nicht achtend Blutverluſt und Wunde,
Sie ſtolpern längs dem weichen Grunde;
Der Eine fällt und rafft ſich auf,
Der Andre reckt den Arm hinauf,
Und gichtriſch Zucken deutet an,
Daß nun der Todeskampf begann.
Dort hinkend ein erſchöpfter Mann
Steht an der Linde Stamm gelehnt,
Man glaubt zu hören wie er ſtöhnt;
Das Haupt er zweimal beugt zurück,
Man glaubt zu ſehn den ſtieren Blick.
Dann ſtemmend an der Linde Zweigen,
Die ſchattig über'n Anger neigen,
Er müht ſich mit der letzten Kraft
Zu klimmen an des Baumes Schaft.
Dreimal fiel er zurück in's Gras,
Und ſchmerzbetäubt am Grunde ſaß,
Und wieder dreimal ſetzt er an,
Bis er den erſten Aſt gewann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/581>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.