Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Dort mag, von Schaum und Dampf umhüllt, Zweihundert Jahre sind dahin: Und alle, die der Sang umfaßt, Sie gingen längst zur tiefen Rast. Der Tilly schläft so fest und schwer, Als gäb' es keinen Lorbeer mehr; Und Christians verstörter Sinn Ging endlich wohl in Klarheit auf. Wie trübt die Zeit der Kunde Lauf! An seiner Brüder moos'gem Grab Beugt weidend sich das Rind herab, Und schreiend fliegt der Kibitz auf. Willst du nach diesen Hügeln fragen: Nichts weiß der Landmann dir zu sagen; "Multhäufe" nennt er sie und meint Stets sey Wachholderbusch ihr Freund. Am Moore nur trifft wohl einmal Der Gräber noch auf rost'gen Stahl, Auf einen Schädel; und mit Graus Ihn seitwärts rollend, ruft er aus: "Ein Heidenknochen! Schau, hier schlug "Der Türke sich im Loener Bruch!"16 Dort mag, von Schaum und Dampf umhüllt, Zweihundert Jahre ſind dahin: Und alle, die der Sang umfaßt, Sie gingen längſt zur tiefen Raſt. Der Tilly ſchläft ſo feſt und ſchwer, Als gäb' es keinen Lorbeer mehr; Und Chriſtians verſtörter Sinn Ging endlich wohl in Klarheit auf. Wie trübt die Zeit der Kunde Lauf! An ſeiner Brüder mooſ'gem Grab Beugt weidend ſich das Rind herab, Und ſchreiend fliegt der Kibitz auf. Willſt du nach dieſen Hügeln fragen: Nichts weiß der Landmann dir zu ſagen; „Multhäufe“ nennt er ſie und meint Stets ſey Wachholderbuſch ihr Freund. Am Moore nur trifft wohl einmal Der Gräber noch auf roſt'gen Stahl, Auf einen Schädel; und mit Graus Ihn ſeitwärts rollend, ruft er aus: „Ein Heidenknochen! Schau, hier ſchlug „Der Türke ſich im Loener Bruch!“16 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <lg n="17"> <pb facs="#f0584" n="570"/> <l>Dort mag, von Schaum und Dampf umhüllt,</l><lb/> <l>Verſchnaufen das gehetzte Wild.</l><lb/> <l>Und grimmig ſchmetternd über'n Raſen</l><lb/> <l>Zum Rückzug die Trompeten blaſen.</l><lb/> </lg> <lg n="18"> <l>Zweihundert Jahre ſind dahin:</l><lb/> <l>Und alle, die der Sang umfaßt,</l><lb/> <l>Sie gingen längſt zur tiefen Raſt.</l><lb/> <l>Der Tilly ſchläft ſo feſt und ſchwer,</l><lb/> <l>Als gäb' es keinen Lorbeer mehr;</l><lb/> <l>Und Chriſtians verſtörter Sinn</l><lb/> <l>Ging endlich wohl in Klarheit auf.</l><lb/> <l>Wie trübt die Zeit der Kunde Lauf!</l><lb/> <l>An ſeiner Brüder mooſ'gem Grab</l><lb/> <l>Beugt weidend ſich das Rind herab,</l><lb/> <l>Und ſchreiend fliegt der Kibitz auf.</l><lb/> <l>Willſt du nach dieſen Hügeln fragen:</l><lb/> <l>Nichts weiß der Landmann dir zu ſagen;</l><lb/> <l>„Multhäufe“ nennt er ſie und meint</l><lb/> <l>Stets ſey Wachholderbuſch ihr Freund.</l><lb/> <l>Am Moore nur trifft wohl einmal</l><lb/> <l>Der Gräber noch auf roſt'gen Stahl,</l><lb/> <l>Auf einen Schädel; und mit Graus</l><lb/> <l>Ihn ſeitwärts rollend, ruft er aus:</l><lb/> <l>„Ein Heidenknochen! Schau, hier ſchlug</l><lb/> <l>„Der Türke ſich im Loener Bruch!“16</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [570/0584]
Dort mag, von Schaum und Dampf umhüllt,
Verſchnaufen das gehetzte Wild.
Und grimmig ſchmetternd über'n Raſen
Zum Rückzug die Trompeten blaſen.
Zweihundert Jahre ſind dahin:
Und alle, die der Sang umfaßt,
Sie gingen längſt zur tiefen Raſt.
Der Tilly ſchläft ſo feſt und ſchwer,
Als gäb' es keinen Lorbeer mehr;
Und Chriſtians verſtörter Sinn
Ging endlich wohl in Klarheit auf.
Wie trübt die Zeit der Kunde Lauf!
An ſeiner Brüder mooſ'gem Grab
Beugt weidend ſich das Rind herab,
Und ſchreiend fliegt der Kibitz auf.
Willſt du nach dieſen Hügeln fragen:
Nichts weiß der Landmann dir zu ſagen;
„Multhäufe“ nennt er ſie und meint
Stets ſey Wachholderbuſch ihr Freund.
Am Moore nur trifft wohl einmal
Der Gräber noch auf roſt'gen Stahl,
Auf einen Schädel; und mit Graus
Ihn ſeitwärts rollend, ruft er aus:
„Ein Heidenknochen! Schau, hier ſchlug
„Der Türke ſich im Loener Bruch!“16
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