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Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Simon Semmler war ein kleiner, unruhiger, magerer Mann mit vor dem Kopf liegenden Fischaugen und überhaupt einem Gesicht wie ein Hecht, ein unheimlicher Geselle, bei dem dickthuende Verschlossenheit oft mit eben so gesuchter Treuherzigkeit wechselte, der gern einen aufgeklärten Kopf vorgestellt hätte und statt dessen für einen fatalen, Händel suchenden Kerl galt, dem Jeder um so lieber aus dem Wege ging, je mehr er in das Alter trat, wo ohnehin beschränkte Menschen leicht an Ansprüchen gewinnen, was sie an Brauchbarkeit verlieren. Dennoch freute sich die arme Margareth, die sonst keinen der Ihrigen mehr am Leben hatte.

Simon, bist du da? sagte sie und zitterte, daß sie sich am Stuhle halten mußte. Willst du sehen, wie es mir geht und meinem schmutzigen Jungen? -- Simon betrachtete sie ernst und reichte ihr die Hand: Du bist alt geworden, Margreth! -- Margreth seufzte: Es ist mir derweil oft bitterlich gegangen mit allerlei Schicksalen. -- Ja, Mädchen, zu spät gefreit, hat immer gereut! Jetzt bist du alt, und das Kind ist klein. Jedes Ding hat seine Zeit. Aber wenn ein altes Haus brennt, dann hilft kein Löschen. -- Ueber Magreth's vergrämtes Gesicht flog eine Flamme, so roth wie Blut.

Aber ich höre, dein Junge ist schlau und gewichs't, fuhr Simon fort. -- Ei nun so ziemlich und dabei fromm. -- Hum, 's hat mal Einer eine Kuh gestohlen, der hieß auch Fromm. Aber er ist still und nach-

Simon Semmler war ein kleiner, unruhiger, magerer Mann mit vor dem Kopf liegenden Fischaugen und überhaupt einem Gesicht wie ein Hecht, ein unheimlicher Geselle, bei dem dickthuende Verschlossenheit oft mit eben so gesuchter Treuherzigkeit wechselte, der gern einen aufgeklärten Kopf vorgestellt hätte und statt dessen für einen fatalen, Händel suchenden Kerl galt, dem Jeder um so lieber aus dem Wege ging, je mehr er in das Alter trat, wo ohnehin beschränkte Menschen leicht an Ansprüchen gewinnen, was sie an Brauchbarkeit verlieren. Dennoch freute sich die arme Margareth, die sonst keinen der Ihrigen mehr am Leben hatte.

Simon, bist du da? sagte sie und zitterte, daß sie sich am Stuhle halten mußte. Willst du sehen, wie es mir geht und meinem schmutzigen Jungen? — Simon betrachtete sie ernst und reichte ihr die Hand: Du bist alt geworden, Margreth! — Margreth seufzte: Es ist mir derweil oft bitterlich gegangen mit allerlei Schicksalen. — Ja, Mädchen, zu spät gefreit, hat immer gereut! Jetzt bist du alt, und das Kind ist klein. Jedes Ding hat seine Zeit. Aber wenn ein altes Haus brennt, dann hilft kein Löschen. — Ueber Magreth's vergrämtes Gesicht flog eine Flamme, so roth wie Blut.

Aber ich höre, dein Junge ist schlau und gewichs't, fuhr Simon fort. — Ei nun so ziemlich und dabei fromm. — Hum, 's hat mal Einer eine Kuh gestohlen, der hieß auch Fromm. Aber er ist still und nach-

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[0019] Simon Semmler war ein kleiner, unruhiger, magerer Mann mit vor dem Kopf liegenden Fischaugen und überhaupt einem Gesicht wie ein Hecht, ein unheimlicher Geselle, bei dem dickthuende Verschlossenheit oft mit eben so gesuchter Treuherzigkeit wechselte, der gern einen aufgeklärten Kopf vorgestellt hätte und statt dessen für einen fatalen, Händel suchenden Kerl galt, dem Jeder um so lieber aus dem Wege ging, je mehr er in das Alter trat, wo ohnehin beschränkte Menschen leicht an Ansprüchen gewinnen, was sie an Brauchbarkeit verlieren. Dennoch freute sich die arme Margareth, die sonst keinen der Ihrigen mehr am Leben hatte. Simon, bist du da? sagte sie und zitterte, daß sie sich am Stuhle halten mußte. Willst du sehen, wie es mir geht und meinem schmutzigen Jungen? — Simon betrachtete sie ernst und reichte ihr die Hand: Du bist alt geworden, Margreth! — Margreth seufzte: Es ist mir derweil oft bitterlich gegangen mit allerlei Schicksalen. — Ja, Mädchen, zu spät gefreit, hat immer gereut! Jetzt bist du alt, und das Kind ist klein. Jedes Ding hat seine Zeit. Aber wenn ein altes Haus brennt, dann hilft kein Löschen. — Ueber Magreth's vergrämtes Gesicht flog eine Flamme, so roth wie Blut. Aber ich höre, dein Junge ist schlau und gewichs't, fuhr Simon fort. — Ei nun so ziemlich und dabei fromm. — Hum, 's hat mal Einer eine Kuh gestohlen, der hieß auch Fromm. Aber er ist still und nach-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:10:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:10:05Z)

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/19>, abgerufen am 03.12.2024.