Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.handlung für beendigt erklärt worden war, erschien am nächsten Morgen eine Unzahl der angesehensten Israeliten im Schlosse, um dem gnädigen Herrn einen Handel anzutragen. Der Gegenstand war die Buche, unter der Aaron's Stab gefunden und wo der Mord wahrscheinlich verübt worden war. -- Wollt ihr sie fällen? so mitten im vollen Laube? fragte der Gutsherr. Nein, Ihro Gnaden, sie muß stehen bleiben im Winter und Sommer, so lange ein Span daran ist. -- Aber, wenn ich nun den Wald hauen lasse, so schadet es dem jungen Aufschlag. -- Wollen wir sie doch nicht um gewöhnlichen Preis. Sie boten 200 Thaler. Der Handel ward geschlossen und allen Förstern streng eingeschärft, die Judenbuche auf keine Weise zu schädigen. Darauf sah man an einem Abende wohl gegen sechzig Juden, ihren Rabbiner an der Spitze in das Brederholz ziehen, alle schweigend um mit gesenkten Augen. Sie blieben über eine Stunde im Walde und kehrten dann ebenso ernst und feierlich zurück, durch das Dorf B. bis in das Zellerfeld, wo sie sich zerstreuten und Jeder seines Weges ging. Am nächsten Morgen stand an der Buche mit dem Beil eingehauen: m t`mvd bmqvm tvt ypg` bk kshr tt `shyt ly handlung für beendigt erklärt worden war, erschien am nächsten Morgen eine Unzahl der angesehensten Israeliten im Schlosse, um dem gnädigen Herrn einen Handel anzutragen. Der Gegenstand war die Buche, unter der Aaron's Stab gefunden und wo der Mord wahrscheinlich verübt worden war. — Wollt ihr sie fällen? so mitten im vollen Laube? fragte der Gutsherr. Nein, Ihro Gnaden, sie muß stehen bleiben im Winter und Sommer, so lange ein Span daran ist. — Aber, wenn ich nun den Wald hauen lasse, so schadet es dem jungen Aufschlag. — Wollen wir sie doch nicht um gewöhnlichen Preis. Sie boten 200 Thaler. Der Handel ward geschlossen und allen Förstern streng eingeschärft, die Judenbuche auf keine Weise zu schädigen. Darauf sah man an einem Abende wohl gegen sechzig Juden, ihren Rabbiner an der Spitze in das Brederholz ziehen, alle schweigend um mit gesenkten Augen. Sie blieben über eine Stunde im Walde und kehrten dann ebenso ernst und feierlich zurück, durch das Dorf B. bis in das Zellerfeld, wo sie sich zerstreuten und Jeder seines Weges ging. Am nächsten Morgen stand an der Buche mit dem Beil eingehauen: אם תעמוד במקום תות יפגע בך כאשר אתת עשית לי <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0064"/> handlung für beendigt erklärt worden war, erschien am nächsten Morgen eine Unzahl der angesehensten Israeliten im Schlosse, um dem gnädigen Herrn einen Handel anzutragen. Der Gegenstand war die Buche, unter der Aaron's Stab gefunden und wo der Mord wahrscheinlich verübt worden war. — Wollt ihr sie fällen? so mitten im vollen Laube? fragte der Gutsherr.</p><lb/> <p>Nein, Ihro Gnaden, sie muß stehen bleiben im Winter und Sommer, so lange ein Span daran ist. — Aber, wenn ich nun den Wald hauen lasse, so schadet es dem jungen Aufschlag. — Wollen wir sie doch nicht um gewöhnlichen Preis. Sie boten 200 Thaler. Der Handel ward geschlossen und allen Förstern streng eingeschärft, die Judenbuche auf keine Weise zu schädigen.</p><lb/> <p>Darauf sah man an einem Abende wohl gegen sechzig Juden, ihren Rabbiner an der Spitze in das Brederholz ziehen, alle schweigend um mit gesenkten Augen.</p><lb/> <p>Sie blieben über eine Stunde im Walde und kehrten dann ebenso ernst und feierlich zurück, durch das Dorf B. bis in das Zellerfeld, wo sie sich zerstreuten und Jeder seines Weges ging.</p><lb/> <p>Am nächsten Morgen stand an der Buche mit dem Beil eingehauen:</p><lb/> <cit> <quote> <foreign xml:lang="heb">אם תעמוד במקום תות יפגע בך כאשר אתת עשית לי</foreign> </quote> </cit><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
handlung für beendigt erklärt worden war, erschien am nächsten Morgen eine Unzahl der angesehensten Israeliten im Schlosse, um dem gnädigen Herrn einen Handel anzutragen. Der Gegenstand war die Buche, unter der Aaron's Stab gefunden und wo der Mord wahrscheinlich verübt worden war. — Wollt ihr sie fällen? so mitten im vollen Laube? fragte der Gutsherr.
Nein, Ihro Gnaden, sie muß stehen bleiben im Winter und Sommer, so lange ein Span daran ist. — Aber, wenn ich nun den Wald hauen lasse, so schadet es dem jungen Aufschlag. — Wollen wir sie doch nicht um gewöhnlichen Preis. Sie boten 200 Thaler. Der Handel ward geschlossen und allen Förstern streng eingeschärft, die Judenbuche auf keine Weise zu schädigen.
Darauf sah man an einem Abende wohl gegen sechzig Juden, ihren Rabbiner an der Spitze in das Brederholz ziehen, alle schweigend um mit gesenkten Augen.
Sie blieben über eine Stunde im Walde und kehrten dann ebenso ernst und feierlich zurück, durch das Dorf B. bis in das Zellerfeld, wo sie sich zerstreuten und Jeder seines Weges ging.
Am nächsten Morgen stand an der Buche mit dem Beil eingehauen:
אם תעמוד במקום תות יפגע בך כאשר אתת עשית לי
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/64>, abgerufen am 16.02.2025. |