Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

dem er Schätze und Vorräthe aller Art zu finden hoffen durfte;
war einmal sein Heer gerüstet, und Geld und Lebensmittel für so
lange vorräthig, bis man dem Feinde gegenüber stand, so bedurfte
es im Uebrigen einer großen Kriegscasse nicht, da die Kriege jener
Zeit nicht durch kostbaren Schießbedarf und weitläuftiges Gespann-
werk vertheuert wurden. Auf diese Weise war Alexander durch
den Mangel an Geld nicht behindert, während der Großkönig und
die Persischen Satrapen mit ihren vielgepriesenen Schätzen den
Macedonischen Soldaten desto willkommnere Feinde waren.

Wesentlicher erscheint das Misverhältniß der Macedonischen
Seemacht. Der Perserkönig konnte über vierhundert Segel gebie-
ten; seine Flotte war die der Phönicier, der besten Seeleute
der alten Welt; sie hatte, wenigstens in der letzten Seeschlacht,
die Hellenen besiegt. Die Macedonische Seemacht, von Phi-
lipp gegründet, aber bisher noch nicht erprobt, war von keiner
Bedeutung; die Flotte, die jetzt gegen die der Perser ausziehen
sollte, bestand zum großen Theil aus den Trieren der Griechischen
Bundesstaaten, von denen natürlich nicht immer die größte Hinge-
bung erwartet werden konnte. Alexanders Pläne waren ganz auf
die Trefflichkeit seiner Landmacht gegründet, und die Flotte nur
dazu da, um jene in ihren ersten Bewegungen zu sichern. Nach-
dem sie diesen Zweck erfüllt, wurde sie lästig und hinderlich; Alexan-
der nahm deshalb bald die Gelegenheit wahr, sie aufzulösen.

Was endlich das Macedonische Landheer anbelangt, so erkennt
man in dessen Einrichtung ein seltenes Zusammenwirken glücklicher
Umstände und großer militärischer Talente. Die moralische Ueber-
legenheit Griechischer Heere gegen die materielle der Persischen
hatte sich seit fast zwei Jahrhunderten in jedem Kriege immer herr-
licher bewährt; je mehr sich die Kriegskunst bei den Griechen in
heimischen und auswärtigen Kämpfen entwickelte, desto gefährlicher
wurde sie den Kriegsvölkern des Persischen Reiches; Alexanders
Heer voll Kampflust und stolzer Erinnerungen, in aller Technik des
Kriegshandwerkes ausgezeichnet, und in seiner durchaus zweckgemä-
ßen Organisation der erste strategische Körper, den die Geschichte
kennt, trug in sich selbst die Gewißheit des Sieges 1).

1) Die Vorzüge der Hellenischen Waffen im Kampfe gegen die
Barbaren sind sehr glücklich in Jul. Africanus cp. 1. (Math. Vett.
p. 277. sq.)
auseinandergesetzt.

dem er Schätze und Vorräthe aller Art zu finden hoffen durfte;
war einmal ſein Heer gerüſtet, und Geld und Lebensmittel für ſo
lange vorräthig, bis man dem Feinde gegenüber ſtand, ſo bedurfte
es im Uebrigen einer großen Kriegscaſſe nicht, da die Kriege jener
Zeit nicht durch koſtbaren Schießbedarf und weitläuftiges Geſpann-
werk vertheuert wurden. Auf dieſe Weiſe war Alexander durch
den Mangel an Geld nicht behindert, während der Großkönig und
die Perſiſchen Satrapen mit ihren vielgeprieſenen Schätzen den
Macedoniſchen Soldaten deſto willkommnere Feinde waren.

Weſentlicher erſcheint das Misverhältniß der Macedoniſchen
Seemacht. Der Perſerkönig konnte über vierhundert Segel gebie-
ten; ſeine Flotte war die der Phönicier, der beſten Seeleute
der alten Welt; ſie hatte, wenigſtens in der letzten Seeſchlacht,
die Hellenen beſiegt. Die Macedoniſche Seemacht, von Phi-
lipp gegründet, aber bisher noch nicht erprobt, war von keiner
Bedeutung; die Flotte, die jetzt gegen die der Perſer ausziehen
ſollte, beſtand zum großen Theil aus den Trieren der Griechiſchen
Bundesſtaaten, von denen natürlich nicht immer die größte Hinge-
bung erwartet werden konnte. Alexanders Pläne waren ganz auf
die Trefflichkeit ſeiner Landmacht gegründet, und die Flotte nur
dazu da, um jene in ihren erſten Bewegungen zu ſichern. Nach-
dem ſie dieſen Zweck erfüllt, wurde ſie läſtig und hinderlich; Alexan-
der nahm deshalb bald die Gelegenheit wahr, ſie aufzulöſen.

Was endlich das Macedoniſche Landheer anbelangt, ſo erkennt
man in deſſen Einrichtung ein ſeltenes Zuſammenwirken glücklicher
Umſtände und großer militäriſcher Talente. Die moraliſche Ueber-
legenheit Griechiſcher Heere gegen die materielle der Perſiſchen
hatte ſich ſeit faſt zwei Jahrhunderten in jedem Kriege immer herr-
licher bewährt; je mehr ſich die Kriegskunſt bei den Griechen in
heimiſchen und auswärtigen Kämpfen entwickelte, deſto gefährlicher
wurde ſie den Kriegsvölkern des Perſiſchen Reiches; Alexanders
Heer voll Kampfluſt und ſtolzer Erinnerungen, in aller Technik des
Kriegshandwerkes ausgezeichnet, und in ſeiner durchaus zweckgemä-
ßen Organiſation der erſte ſtrategiſche Körper, den die Geſchichte
kennt, trug in ſich ſelbſt die Gewißheit des Sieges 1).

1) Die Vorzüge der Helleniſchen Waffen im Kampfe gegen die
Barbaren ſind ſehr glücklich in Jul. Africanus cp. 1. (Math. Vett.
p. 277. sq.)
auseinandergeſetzt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="93"/>
dem er Schätze und Vorräthe aller Art zu finden hoffen durfte;<lb/>
war einmal &#x017F;ein Heer gerü&#x017F;tet, und Geld und Lebensmittel für &#x017F;o<lb/>
lange vorräthig, bis man dem Feinde gegenüber &#x017F;tand, &#x017F;o bedurfte<lb/>
es im Uebrigen einer großen Kriegsca&#x017F;&#x017F;e nicht, da die Kriege jener<lb/>
Zeit nicht durch ko&#x017F;tbaren Schießbedarf und weitläuftiges Ge&#x017F;pann-<lb/>
werk vertheuert wurden. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e war Alexander durch<lb/>
den Mangel an Geld nicht behindert, während der Großkönig und<lb/>
die Per&#x017F;i&#x017F;chen Satrapen mit ihren vielgeprie&#x017F;enen Schätzen den<lb/>
Macedoni&#x017F;chen Soldaten de&#x017F;to willkommnere Feinde waren.</p><lb/>
          <p>We&#x017F;entlicher er&#x017F;cheint das Misverhältniß der Macedoni&#x017F;chen<lb/>
Seemacht. Der Per&#x017F;erkönig konnte über vierhundert Segel gebie-<lb/>
ten; &#x017F;eine Flotte war die der Phönicier, der be&#x017F;ten Seeleute<lb/>
der alten Welt; &#x017F;ie hatte, wenig&#x017F;tens in der letzten See&#x017F;chlacht,<lb/>
die Hellenen be&#x017F;iegt. Die Macedoni&#x017F;che Seemacht, von Phi-<lb/>
lipp gegründet, aber bisher noch nicht erprobt, war von keiner<lb/>
Bedeutung; die Flotte, die jetzt gegen die der Per&#x017F;er ausziehen<lb/>
&#x017F;ollte, be&#x017F;tand zum großen Theil aus den Trieren der Griechi&#x017F;chen<lb/>
Bundes&#x017F;taaten, von denen natürlich nicht immer die größte Hinge-<lb/>
bung erwartet werden konnte. Alexanders Pläne waren ganz auf<lb/>
die Trefflichkeit &#x017F;einer Landmacht gegründet, und die Flotte nur<lb/>
dazu da, um jene in ihren er&#x017F;ten Bewegungen zu &#x017F;ichern. Nach-<lb/>
dem &#x017F;ie die&#x017F;en Zweck erfüllt, wurde &#x017F;ie lä&#x017F;tig und hinderlich; Alexan-<lb/>
der nahm deshalb bald die Gelegenheit wahr, &#x017F;ie aufzulö&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Was endlich das Macedoni&#x017F;che Landheer anbelangt, &#x017F;o erkennt<lb/>
man in de&#x017F;&#x017F;en Einrichtung ein &#x017F;eltenes Zu&#x017F;ammenwirken glücklicher<lb/>
Um&#x017F;tände und großer militäri&#x017F;cher Talente. Die morali&#x017F;che Ueber-<lb/>
legenheit Griechi&#x017F;cher Heere gegen die materielle der Per&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
hatte &#x017F;ich &#x017F;eit fa&#x017F;t zwei Jahrhunderten in jedem Kriege immer herr-<lb/>
licher bewährt; je mehr &#x017F;ich die Kriegskun&#x017F;t bei den Griechen in<lb/>
heimi&#x017F;chen und auswärtigen Kämpfen entwickelte, de&#x017F;to gefährlicher<lb/>
wurde &#x017F;ie den Kriegsvölkern des Per&#x017F;i&#x017F;chen Reiches; Alexanders<lb/>
Heer voll Kampflu&#x017F;t und &#x017F;tolzer Erinnerungen, in aller Technik des<lb/>
Kriegshandwerkes ausgezeichnet, und in &#x017F;einer durchaus zweckgemä-<lb/>
ßen Organi&#x017F;ation der er&#x017F;te &#x017F;trategi&#x017F;che Körper, den die Ge&#x017F;chichte<lb/>
kennt, trug in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t die Gewißheit des Sieges <note place="foot" n="1)">Die Vorzüge der Helleni&#x017F;chen Waffen im Kampfe gegen die<lb/>
Barbaren &#x017F;ind &#x017F;ehr glücklich in <hi rendition="#aq">Jul. Africanus cp. 1. (Math. Vett.<lb/>
p. 277. sq.)</hi> auseinanderge&#x017F;etzt.</note>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0107] dem er Schätze und Vorräthe aller Art zu finden hoffen durfte; war einmal ſein Heer gerüſtet, und Geld und Lebensmittel für ſo lange vorräthig, bis man dem Feinde gegenüber ſtand, ſo bedurfte es im Uebrigen einer großen Kriegscaſſe nicht, da die Kriege jener Zeit nicht durch koſtbaren Schießbedarf und weitläuftiges Geſpann- werk vertheuert wurden. Auf dieſe Weiſe war Alexander durch den Mangel an Geld nicht behindert, während der Großkönig und die Perſiſchen Satrapen mit ihren vielgeprieſenen Schätzen den Macedoniſchen Soldaten deſto willkommnere Feinde waren. Weſentlicher erſcheint das Misverhältniß der Macedoniſchen Seemacht. Der Perſerkönig konnte über vierhundert Segel gebie- ten; ſeine Flotte war die der Phönicier, der beſten Seeleute der alten Welt; ſie hatte, wenigſtens in der letzten Seeſchlacht, die Hellenen beſiegt. Die Macedoniſche Seemacht, von Phi- lipp gegründet, aber bisher noch nicht erprobt, war von keiner Bedeutung; die Flotte, die jetzt gegen die der Perſer ausziehen ſollte, beſtand zum großen Theil aus den Trieren der Griechiſchen Bundesſtaaten, von denen natürlich nicht immer die größte Hinge- bung erwartet werden konnte. Alexanders Pläne waren ganz auf die Trefflichkeit ſeiner Landmacht gegründet, und die Flotte nur dazu da, um jene in ihren erſten Bewegungen zu ſichern. Nach- dem ſie dieſen Zweck erfüllt, wurde ſie läſtig und hinderlich; Alexan- der nahm deshalb bald die Gelegenheit wahr, ſie aufzulöſen. Was endlich das Macedoniſche Landheer anbelangt, ſo erkennt man in deſſen Einrichtung ein ſeltenes Zuſammenwirken glücklicher Umſtände und großer militäriſcher Talente. Die moraliſche Ueber- legenheit Griechiſcher Heere gegen die materielle der Perſiſchen hatte ſich ſeit faſt zwei Jahrhunderten in jedem Kriege immer herr- licher bewährt; je mehr ſich die Kriegskunſt bei den Griechen in heimiſchen und auswärtigen Kämpfen entwickelte, deſto gefährlicher wurde ſie den Kriegsvölkern des Perſiſchen Reiches; Alexanders Heer voll Kampfluſt und ſtolzer Erinnerungen, in aller Technik des Kriegshandwerkes ausgezeichnet, und in ſeiner durchaus zweckgemä- ßen Organiſation der erſte ſtrategiſche Körper, den die Geſchichte kennt, trug in ſich ſelbſt die Gewißheit des Sieges 1). 1) Die Vorzüge der Helleniſchen Waffen im Kampfe gegen die Barbaren ſind ſehr glücklich in Jul. Africanus cp. 1. (Math. Vett. p. 277. sq.) auseinandergeſetzt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/107
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/107>, abgerufen am 21.11.2024.