Alexander selbst wandte sich südwärts, um auf Sardes, die Residenz der Satrapie Lydien loszugehen. Sardes war berühmt wegen seiner alten Burg, die auf den schroffen Felsenvorsprüngen des Tmolus gelegen und mit dreifacher Mauer umgeben für unan- greifbar galt; dazu kam, daß sich in derselben der Schatz der rei- chen Satrapie befand, welcher dem Befehlshaber der Stadt Gele- genheit bieten konnte, die überdies bedeutende Besatzung zu vermeh- ren und zu versorgen, so daß Alexanders Vorrücken wenigstens eine Zeitlang aufgehalten worden wäre. Desto erfreulicher war es dem Könige, als ihm etwa zwei Meilen von der Stadt Mithrines der Persische Befehlshaber der Besatzung nebst den angesehensten Bür- gern der Stadt entgegenkam, diese die Stadt, jener die Burg mit den Schätzen zu übergeben. Der König sandte den Stymphäer Amyntas voraus, die Burg zu besetzen, er selbst folgte nach kurzer Rast nach; den Perser Mithrines behielt er fortan in seiner Nähe, und zeichnete ihn auf jede Weise aus, gewiß eben so sehr, um seine That zu belohnen, als um zu zeigen, wie er sie belohne. Den Sardern und allen Lydiern gab er die Freiheit und die Verfas- sung ihrer Väter wieder, deren sie zwei Jahrhunderte lang unter dem Druck Persischer Satrapen entbehrt hatten, offenbar der beste Weg, ein Volk, das sich ehemals wenig oder gar nicht von den Griechen unterschied, für Griechisches Leben und Wesen wieder zu gewinnen. Um die Stadt zu ehren, beschloß der König, die Burg mit einem Tempel des Olympischen Zeus zu schmücken; als er sich nach der tauglichsten Stelle dazu im Bereiche der Akropolis um- sah, erhob sich plötzlich ein Wetter, unter Donner und Blitz ergoß sich ein heftiger Regenschauer über den Platz, wo einst der Lydische Königspallast gestanden hatte; Alexander erkannte das glückliche Zei- chen des Gottes im Donnergewölk, und wählte diesen Ort für den Tempel, der fortan die hohe Burg des unglücklichen Krösus schmük- ken sollte.
Sardes wurde der zweite wichtige Punkt in der Operations- linie Alexanders, das Thor zum Inneren Kleinasiens, zu dem viel- fache Straßen von diesem Mittelpunkte des Vorderasiatischen Handels hinausführen. Die Statthalterschaft Lydiens erhielt des Parme- nions Bruder Asander; eine Schaar Reuter und leichtes Fußvolk wurde als Besatzung der Satrapie unter seinen Befehl gestellt; mit
Alexander ſelbſt wandte ſich ſüdwärts, um auf Sardes, die Reſidenz der Satrapie Lydien loszugehen. Sardes war berühmt wegen ſeiner alten Burg, die auf den ſchroffen Felſenvorſprüngen des Tmolus gelegen und mit dreifacher Mauer umgeben für unan- greifbar galt; dazu kam, daß ſich in derſelben der Schatz der rei- chen Satrapie befand, welcher dem Befehlshaber der Stadt Gele- genheit bieten konnte, die überdies bedeutende Beſatzung zu vermeh- ren und zu verſorgen, ſo daß Alexanders Vorrücken wenigſtens eine Zeitlang aufgehalten worden wäre. Deſto erfreulicher war es dem Könige, als ihm etwa zwei Meilen von der Stadt Mithrines der Perſiſche Befehlshaber der Beſatzung nebſt den angeſehenſten Bür- gern der Stadt entgegenkam, dieſe die Stadt, jener die Burg mit den Schätzen zu übergeben. Der König ſandte den Stymphäer Amyntas voraus, die Burg zu beſetzen, er ſelbſt folgte nach kurzer Raſt nach; den Perſer Mithrines behielt er fortan in ſeiner Nähe, und zeichnete ihn auf jede Weiſe aus, gewiß eben ſo ſehr, um ſeine That zu belohnen, als um zu zeigen, wie er ſie belohne. Den Sardern und allen Lydiern gab er die Freiheit und die Verfaſ- ſung ihrer Väter wieder, deren ſie zwei Jahrhunderte lang unter dem Druck Perſiſcher Satrapen entbehrt hatten, offenbar der beſte Weg, ein Volk, das ſich ehemals wenig oder gar nicht von den Griechen unterſchied, für Griechiſches Leben und Weſen wieder zu gewinnen. Um die Stadt zu ehren, beſchloß der König, die Burg mit einem Tempel des Olympiſchen Zeus zu ſchmücken; als er ſich nach der tauglichſten Stelle dazu im Bereiche der Akropolis um- ſah, erhob ſich plötzlich ein Wetter, unter Donner und Blitz ergoß ſich ein heftiger Regenſchauer über den Platz, wo einſt der Lydiſche Königspallaſt geſtanden hatte; Alexander erkannte das glückliche Zei- chen des Gottes im Donnergewölk, und wählte dieſen Ort für den Tempel, der fortan die hohe Burg des unglücklichen Kröſus ſchmük- ken ſollte.
Sardes wurde der zweite wichtige Punkt in der Operations- linie Alexanders, das Thor zum Inneren Kleinaſiens, zu dem viel- fache Straßen von dieſem Mittelpunkte des Vorderaſiatiſchen Handels hinausführen. Die Statthalterſchaft Lydiens erhielt des Parme- nions Bruder Aſander; eine Schaar Reuter und leichtes Fußvolk wurde als Beſatzung der Satrapie unter ſeinen Befehl geſtellt; mit
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Alexander ſelbſt wandte ſich ſüdwärts, um auf Sardes, die
Reſidenz der Satrapie Lydien loszugehen. Sardes war berühmt
wegen ſeiner alten Burg, die auf den ſchroffen Felſenvorſprüngen
des Tmolus gelegen und mit dreifacher Mauer umgeben für unan-
greifbar galt; dazu kam, daß ſich in derſelben der Schatz der rei-
chen Satrapie befand, welcher dem Befehlshaber der Stadt Gele-
genheit bieten konnte, die überdies bedeutende Beſatzung zu vermeh-
ren und zu verſorgen, ſo daß Alexanders Vorrücken wenigſtens eine
Zeitlang aufgehalten worden wäre. Deſto erfreulicher war es dem
Könige, als ihm etwa zwei Meilen von der Stadt Mithrines der
Perſiſche Befehlshaber der Beſatzung nebſt den angeſehenſten Bür-
gern der Stadt entgegenkam, dieſe die Stadt, jener die Burg
mit den Schätzen zu übergeben. Der König ſandte den Stymphäer
Amyntas voraus, die Burg zu beſetzen, er ſelbſt folgte nach kurzer
Raſt nach; den Perſer Mithrines behielt er fortan in ſeiner Nähe,
und zeichnete ihn auf jede Weiſe aus, gewiß eben ſo ſehr, um ſeine
That zu belohnen, als um zu zeigen, wie er ſie belohne. Den
Sardern und allen Lydiern gab er die Freiheit und die Verfaſ-
ſung ihrer Väter wieder, deren ſie zwei Jahrhunderte lang unter
dem Druck Perſiſcher Satrapen entbehrt hatten, offenbar der beſte
Weg, ein Volk, das ſich ehemals wenig oder gar nicht von den
Griechen unterſchied, für Griechiſches Leben und Weſen wieder zu
gewinnen. Um die Stadt zu ehren, beſchloß der König, die Burg
mit einem Tempel des Olympiſchen Zeus zu ſchmücken; als er ſich
nach der tauglichſten Stelle dazu im Bereiche der Akropolis um-
ſah, erhob ſich plötzlich ein Wetter, unter Donner und Blitz ergoß
ſich ein heftiger Regenſchauer über den Platz, wo einſt der Lydiſche
Königspallaſt geſtanden hatte; Alexander erkannte das glückliche Zei-
chen des Gottes im Donnergewölk, und wählte dieſen Ort für den
Tempel, der fortan die hohe Burg des unglücklichen Kröſus ſchmük-
ken ſollte.
Sardes wurde der zweite wichtige Punkt in der Operations-
linie Alexanders, das Thor zum Inneren Kleinaſiens, zu dem viel-
fache Straßen von dieſem Mittelpunkte des Vorderaſiatiſchen Handels
hinausführen. Die Statthalterſchaft Lydiens erhielt des Parme-
nions Bruder Aſander; eine Schaar Reuter und leichtes Fußvolk
wurde als Beſatzung der Satrapie unter ſeinen Befehl geſtellt; mit
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/132>, abgerufen am 24.11.2024.
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