Bald nach Philipps Tode war ein edler Macedonier, Amyntas, nach Ephesus geflüchtet; er war der Sohn des Antiochus, eines unter Philipp hochangesehenen Mannes 31), und sein Bruder He- raklides führte das Geschwader der Ritterschaft von Bottiäa 32); obschon Alexander ihn nie anders, als höchst gütig behandelt hatte, war Antiochus, mochte er sich irgend einer Schuld bewußt sein, oder argen Wünschen Raum geben, voll Haß gegen Alexander, und entschlossen, ihm zu schaden, wo er konnte. So war er nach Ephe- sus gekommen, hatte mit dem Persischen Hofe Verbindungen ange- knüpft, während ihn die Oligarchie der Stadt auf alle Weise ehrte. Indeß war die Schlacht am Granikus geschlagen, Memnon hatte sich mit einigen Ueberresten der geschlagenen Truppen nach der Jonischen Küste gerettet, und flüchtete auf Ephesus zu; hier hatte die Nachricht von der Niederlage der Perser die heftigste Auf- regung hervorgebracht; das Volk hoffte, die Demokratie wieder zu gewinnen, die Oligarchie war in der höchsten Gefahr; da erschien Memnon vor der Stadt; die Parthei des Syrphax eilte, ihm die Thore zu öffnen, und begann in Verbindung mit den Persischen Truppen auf das fürchterlichste gegen die Volksparthei zu wüthen; das Grab des Heropythus, des Befreiers von Ephesus, wurde aufgewühlt und entweiht, der heilige Schatz im großen Tempel der Artemis geplündert, des Königs Philipp Bildsäule im Tempel um- gestürzt, kurz es geschah alles, was den Untergang der Gewaltherr- schaft noch mehr, als ihren Beginn zu schänden pflegt. Indeß rückte Alexanders siegreiches Heer immer näher, Memnon war be- reits nach Halicarnassus gegangen, um dort möglichst kräftige Ver- theidigungsmaaßregeln zu treffen; und Amyntas, der bei der Auf- regung des Volkes sich nicht mehr sicher, noch die Stadt gegen die Macedonier zu behaupten für möglich halten mochte, eilte an der Spitze der in der Stadt liegenden Miethsvölker, sich zweier Trieren im Hafen zu bemächtigen, und flüchtete zur Persischen Flotte, welche vierhundert Segel stark bereits im Aegäischen Meere erschienen war. Kaum sah sich das Volk von den Kriegsschaa- ren befreit, als es auch in allgemeiner Empörung gegen die oli- garchische Parthei aufstand; eine Menge angesehener Männer
31)Plut. apophth. v. Antiokhos.
32)Arrian. I. 2. III. 11.
Bald nach Philipps Tode war ein edler Macedonier, Amyntas, nach Epheſus geflüchtet; er war der Sohn des Antiochus, eines unter Philipp hochangeſehenen Mannes 31), und ſein Bruder He- raklides führte das Geſchwader der Ritterſchaft von Bottiäa 32); obſchon Alexander ihn nie anders, als höchſt gütig behandelt hatte, war Antiochus, mochte er ſich irgend einer Schuld bewußt ſein, oder argen Wünſchen Raum geben, voll Haß gegen Alexander, und entſchloſſen, ihm zu ſchaden, wo er konnte. So war er nach Ephe- ſus gekommen, hatte mit dem Perſiſchen Hofe Verbindungen ange- knüpft, während ihn die Oligarchie der Stadt auf alle Weiſe ehrte. Indeß war die Schlacht am Granikus geſchlagen, Memnon hatte ſich mit einigen Ueberreſten der geſchlagenen Truppen nach der Joniſchen Küſte gerettet, und flüchtete auf Epheſus zu; hier hatte die Nachricht von der Niederlage der Perſer die heftigſte Auf- regung hervorgebracht; das Volk hoffte, die Demokratie wieder zu gewinnen, die Oligarchie war in der höchſten Gefahr; da erſchien Memnon vor der Stadt; die Parthei des Syrphax eilte, ihm die Thore zu öffnen, und begann in Verbindung mit den Perſiſchen Truppen auf das fürchterlichſte gegen die Volksparthei zu wüthen; das Grab des Heropythus, des Befreiers von Epheſus, wurde aufgewühlt und entweiht, der heilige Schatz im großen Tempel der Artemis geplündert, des Königs Philipp Bildſäule im Tempel um- geſtürzt, kurz es geſchah alles, was den Untergang der Gewaltherr- ſchaft noch mehr, als ihren Beginn zu ſchänden pflegt. Indeß rückte Alexanders ſiegreiches Heer immer näher, Memnon war be- reits nach Halicarnaſſus gegangen, um dort möglichſt kräftige Ver- theidigungsmaaßregeln zu treffen; und Amyntas, der bei der Auf- regung des Volkes ſich nicht mehr ſicher, noch die Stadt gegen die Macedonier zu behaupten für möglich halten mochte, eilte an der Spitze der in der Stadt liegenden Miethsvölker, ſich zweier Trieren im Hafen zu bemächtigen, und flüchtete zur Perſiſchen Flotte, welche vierhundert Segel ſtark bereits im Aegäiſchen Meere erſchienen war. Kaum ſah ſich das Volk von den Kriegsſchaa- ren befreit, als es auch in allgemeiner Empörung gegen die oli- garchiſche Parthei aufſtand; eine Menge angeſehener Männer
31)Plut. apophth. v. Ἀντίοχος.
32)Arrian. I. 2. III. 11.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0134"n="120"/>
Bald nach Philipps Tode war ein edler Macedonier, Amyntas,<lb/>
nach Epheſus geflüchtet; er war der Sohn des Antiochus, eines<lb/>
unter Philipp hochangeſehenen Mannes <noteplace="foot"n="31)"><hirendition="#aq">Plut. apophth. v.</hi>Ἀντίοχος.</note>, und ſein Bruder He-<lb/>
raklides führte das Geſchwader der Ritterſchaft von Bottiäa <noteplace="foot"n="32)"><hirendition="#aq">Arrian. I. 2. III.</hi> 11.</note>;<lb/>
obſchon Alexander ihn nie anders, als höchſt gütig behandelt hatte,<lb/>
war Antiochus, mochte er ſich irgend einer Schuld bewußt ſein,<lb/>
oder argen Wünſchen Raum geben, voll Haß gegen Alexander, und<lb/>
entſchloſſen, ihm zu ſchaden, wo er konnte. So war er nach Ephe-<lb/>ſus gekommen, hatte mit dem Perſiſchen Hofe Verbindungen ange-<lb/>
knüpft, während ihn die Oligarchie der Stadt auf alle Weiſe<lb/>
ehrte. Indeß war die Schlacht am Granikus geſchlagen, Memnon<lb/>
hatte ſich mit einigen Ueberreſten der geſchlagenen Truppen nach<lb/>
der Joniſchen Küſte gerettet, und flüchtete auf Epheſus zu; hier<lb/>
hatte die Nachricht von der Niederlage der Perſer die heftigſte Auf-<lb/>
regung hervorgebracht; das Volk hoffte, die Demokratie wieder zu<lb/>
gewinnen, die Oligarchie war in der höchſten Gefahr; da erſchien<lb/>
Memnon vor der Stadt; die Parthei des Syrphax eilte, ihm die<lb/>
Thore zu öffnen, und begann in Verbindung mit den Perſiſchen<lb/>
Truppen auf das fürchterlichſte gegen die Volksparthei zu wüthen;<lb/>
das Grab des Heropythus, des Befreiers von Epheſus, wurde<lb/>
aufgewühlt und entweiht, der heilige Schatz im großen Tempel der<lb/>
Artemis geplündert, des Königs Philipp Bildſäule im Tempel um-<lb/>
geſtürzt, kurz es geſchah alles, was den Untergang der Gewaltherr-<lb/>ſchaft noch mehr, als ihren Beginn zu ſchänden pflegt. Indeß<lb/>
rückte Alexanders ſiegreiches Heer immer näher, Memnon war be-<lb/>
reits nach Halicarnaſſus gegangen, um dort möglichſt kräftige Ver-<lb/>
theidigungsmaaßregeln zu treffen; und Amyntas, der bei der Auf-<lb/>
regung des Volkes ſich nicht mehr ſicher, noch die Stadt gegen die<lb/>
Macedonier zu behaupten für möglich halten mochte, eilte an<lb/>
der Spitze der in der Stadt liegenden Miethsvölker, ſich zweier<lb/>
Trieren im Hafen zu bemächtigen, und flüchtete zur Perſiſchen<lb/>
Flotte, welche vierhundert Segel ſtark bereits im Aegäiſchen Meere<lb/>
erſchienen war. Kaum ſah ſich das Volk von den Kriegsſchaa-<lb/>
ren befreit, als es auch in allgemeiner Empörung gegen die oli-<lb/>
garchiſche Parthei aufſtand; eine Menge angeſehener Männer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[120/0134]
Bald nach Philipps Tode war ein edler Macedonier, Amyntas,
nach Epheſus geflüchtet; er war der Sohn des Antiochus, eines
unter Philipp hochangeſehenen Mannes 31), und ſein Bruder He-
raklides führte das Geſchwader der Ritterſchaft von Bottiäa 32);
obſchon Alexander ihn nie anders, als höchſt gütig behandelt hatte,
war Antiochus, mochte er ſich irgend einer Schuld bewußt ſein,
oder argen Wünſchen Raum geben, voll Haß gegen Alexander, und
entſchloſſen, ihm zu ſchaden, wo er konnte. So war er nach Ephe-
ſus gekommen, hatte mit dem Perſiſchen Hofe Verbindungen ange-
knüpft, während ihn die Oligarchie der Stadt auf alle Weiſe
ehrte. Indeß war die Schlacht am Granikus geſchlagen, Memnon
hatte ſich mit einigen Ueberreſten der geſchlagenen Truppen nach
der Joniſchen Küſte gerettet, und flüchtete auf Epheſus zu; hier
hatte die Nachricht von der Niederlage der Perſer die heftigſte Auf-
regung hervorgebracht; das Volk hoffte, die Demokratie wieder zu
gewinnen, die Oligarchie war in der höchſten Gefahr; da erſchien
Memnon vor der Stadt; die Parthei des Syrphax eilte, ihm die
Thore zu öffnen, und begann in Verbindung mit den Perſiſchen
Truppen auf das fürchterlichſte gegen die Volksparthei zu wüthen;
das Grab des Heropythus, des Befreiers von Epheſus, wurde
aufgewühlt und entweiht, der heilige Schatz im großen Tempel der
Artemis geplündert, des Königs Philipp Bildſäule im Tempel um-
geſtürzt, kurz es geſchah alles, was den Untergang der Gewaltherr-
ſchaft noch mehr, als ihren Beginn zu ſchänden pflegt. Indeß
rückte Alexanders ſiegreiches Heer immer näher, Memnon war be-
reits nach Halicarnaſſus gegangen, um dort möglichſt kräftige Ver-
theidigungsmaaßregeln zu treffen; und Amyntas, der bei der Auf-
regung des Volkes ſich nicht mehr ſicher, noch die Stadt gegen die
Macedonier zu behaupten für möglich halten mochte, eilte an
der Spitze der in der Stadt liegenden Miethsvölker, ſich zweier
Trieren im Hafen zu bemächtigen, und flüchtete zur Perſiſchen
Flotte, welche vierhundert Segel ſtark bereits im Aegäiſchen Meere
erſchienen war. Kaum ſah ſich das Volk von den Kriegsſchaa-
ren befreit, als es auch in allgemeiner Empörung gegen die oli-
garchiſche Parthei aufſtand; eine Menge angeſehener Männer
31) Plut. apophth. v. Ἀντίοχος.
32) Arrian. I. 2. III. 11.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/134>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.