Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

schen Ritterschaft, die gesammte Reuterei, so wie den Park der Wa-
gen und Maschinen enthielt, über Tralles nach Sardes ging, um
in den Lydischen Ebenen zu überwintern und mit dem Beginn des
Frühlings nach Gordium hin aufzubrechen. Die größere Colonne,
bestehend aus den Hypaspisten, den Divisionen der Phalanx, den
Agrianern, Bogenschützen, Thraciern und dem größeren Theil der
Macedonischen Ritterschaft, brach, unter Führung des Königs selbst,
von Karien auf, um die Seeküste und die inneren Landschaften
Kleinasiens zu durchziehen und in Besitz zu nehmen.

Der Marsch ging durch Karien über Hyparna, das durch Ka-
pitulation mit den in der Festung liegenden Söldnern genommen
wurde, nach der Landschaft Lycien. Lycien war zwar seit der Zeit
des Cyrus dem Persischen Reiche einverleibt 44), hatte aber nicht
blos seine eidgenossische Verfassung behalten, sondern auch bald seine
Unabhängigkeit so weit wieder erlangt, daß es nur einen bestimm-
ten Tribut nach Susa zahlte, der an den jedesmaligen Lyciarchen
entrichtet wurde, eine Stelle, die in der letzten Zeit den Karischen
Dynasten gehört hatte und wahrscheinlich an Orontobates überge-
gangen war; noch in den letzten Jahren hatte der Perserkönig die Ge-
birgslandschaft Milyas, auf der Grenze gegen Phrygien hin, zu
dem Bereich des Lyciarchen geschlagen; Persische Besatzungen stan-
den in Lycien nicht; Alexander fand kein Hinderniß bei der Besitz-
nahme dieser an Städten ziemlich reichen und durch Seehäfen aus-
gezeichneten Provinz. -- Telmissus, und jenseit des Xanthusflusses
Pinara, Xanthus, Patara und an dreißig kleinere Ortschaften im
oberen Lycien, ergaben sich den Macedoniern; dann rückte das Heer,
es war in der Mitte des Winters, an die Quellen des Xanthus
hinauf, in die Landschaft Milyas 44a). Hier empfing Alexander
die Gesandtschaften der Phaseliten und mehrerer anderer Städte
des unteren Lyciens, die freundlich empfangen wurden, und nach
des Königs Befehl die Detaschements, die er zur Besetzung der

44) Herod. I. 176.
44a) Strabo sagt: Diese Landschaft er-
streckt sich von den Engpässen oberhalb Telmissus und dem darüber
bis zum Taurus liegenden Lande, bei Isinda vorüber bis Sagalassus
und Apamea. Auf Leakes Karte steht demnach der Name Sinda oder
Isinda zu weit nordostwärts.

ſchen Ritterſchaft, die geſammte Reuterei, ſo wie den Park der Wa-
gen und Maſchinen enthielt, über Tralles nach Sardes ging, um
in den Lydiſchen Ebenen zu überwintern und mit dem Beginn des
Frühlings nach Gordium hin aufzubrechen. Die größere Colonne,
beſtehend aus den Hypaspiſten, den Diviſionen der Phalanx, den
Agrianern, Bogenſchützen, Thraciern und dem größeren Theil der
Macedoniſchen Ritterſchaft, brach, unter Führung des Königs ſelbſt,
von Karien auf, um die Seeküſte und die inneren Landſchaften
Kleinaſiens zu durchziehen und in Beſitz zu nehmen.

Der Marſch ging durch Karien über Hyparna, das durch Ka-
pitulation mit den in der Feſtung liegenden Söldnern genommen
wurde, nach der Landſchaft Lycien. Lycien war zwar ſeit der Zeit
des Cyrus dem Perſiſchen Reiche einverleibt 44), hatte aber nicht
blos ſeine eidgenoſſiſche Verfaſſung behalten, ſondern auch bald ſeine
Unabhängigkeit ſo weit wieder erlangt, daß es nur einen beſtimm-
ten Tribut nach Suſa zahlte, der an den jedesmaligen Lyciarchen
entrichtet wurde, eine Stelle, die in der letzten Zeit den Kariſchen
Dynaſten gehört hatte und wahrſcheinlich an Orontobates überge-
gangen war; noch in den letzten Jahren hatte der Perſerkönig die Ge-
birgslandſchaft Milyas, auf der Grenze gegen Phrygien hin, zu
dem Bereich des Lyciarchen geſchlagen; Perſiſche Beſatzungen ſtan-
den in Lycien nicht; Alexander fand kein Hinderniß bei der Beſitz-
nahme dieſer an Städten ziemlich reichen und durch Seehäfen aus-
gezeichneten Provinz. — Telmiſſus, und jenſeit des Xanthusfluſſes
Pinara, Xanthus, Patara und an dreißig kleinere Ortſchaften im
oberen Lycien, ergaben ſich den Macedoniern; dann rückte das Heer,
es war in der Mitte des Winters, an die Quellen des Xanthus
hinauf, in die Landſchaft Milyas 44a). Hier empfing Alexander
die Geſandtſchaften der Phaſeliten und mehrerer anderer Städte
des unteren Lyciens, die freundlich empfangen wurden, und nach
des Königs Befehl die Detaſchements, die er zur Beſetzung der

44) Herod. I. 176.
44a) Strabo ſagt: Dieſe Landſchaft er-
ſtreckt ſich von den Engpäſſen oberhalb Telmiſſus und dem darüber
bis zum Taurus liegenden Lande, bei Iſinda vorüber bis Sagalaſſus
und Apamea. Auf Leakes Karte ſteht demnach der Name Sinda oder
Iſinda zu weit nordoſtwärts.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0150" n="136"/>
&#x017F;chen Ritter&#x017F;chaft, die ge&#x017F;ammte Reuterei, &#x017F;o wie den Park der Wa-<lb/>
gen und Ma&#x017F;chinen enthielt, über Tralles nach Sardes ging, um<lb/>
in den Lydi&#x017F;chen Ebenen zu überwintern und mit dem Beginn des<lb/>
Frühlings nach Gordium hin aufzubrechen. Die größere Colonne,<lb/>
be&#x017F;tehend aus den Hypaspi&#x017F;ten, den Divi&#x017F;ionen der Phalanx, den<lb/>
Agrianern, Bogen&#x017F;chützen, Thraciern und dem größeren Theil der<lb/>
Macedoni&#x017F;chen Ritter&#x017F;chaft, brach, unter Führung des Königs &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
von Karien auf, um die Seekü&#x017F;te und die inneren Land&#x017F;chaften<lb/>
Kleina&#x017F;iens zu durchziehen und in Be&#x017F;itz zu nehmen.</p><lb/>
          <p>Der Mar&#x017F;ch ging durch Karien über Hyparna, das durch Ka-<lb/>
pitulation mit den in der Fe&#x017F;tung liegenden Söldnern genommen<lb/>
wurde, nach der Land&#x017F;chaft Lycien. Lycien war zwar &#x017F;eit der Zeit<lb/>
des Cyrus dem Per&#x017F;i&#x017F;chen Reiche einverleibt <note place="foot" n="44)"><hi rendition="#aq">Herod. I.</hi> 176.</note>, hatte aber nicht<lb/>
blos &#x017F;eine eidgeno&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Verfa&#x017F;&#x017F;ung behalten, &#x017F;ondern auch bald &#x017F;eine<lb/>
Unabhängigkeit &#x017F;o weit wieder erlangt, daß es nur einen be&#x017F;timm-<lb/>
ten Tribut nach Su&#x017F;a zahlte, der an den jedesmaligen Lyciarchen<lb/>
entrichtet wurde, eine Stelle, die in der letzten Zeit den Kari&#x017F;chen<lb/>
Dyna&#x017F;ten gehört hatte und wahr&#x017F;cheinlich an Orontobates überge-<lb/>
gangen war; noch in den letzten Jahren hatte der Per&#x017F;erkönig die Ge-<lb/>
birgsland&#x017F;chaft Milyas, auf der Grenze gegen Phrygien hin, zu<lb/>
dem Bereich des Lyciarchen ge&#x017F;chlagen; Per&#x017F;i&#x017F;che Be&#x017F;atzungen &#x017F;tan-<lb/>
den in Lycien nicht; Alexander fand kein Hinderniß bei der Be&#x017F;itz-<lb/>
nahme die&#x017F;er an Städten ziemlich reichen und durch Seehäfen aus-<lb/>
gezeichneten Provinz. &#x2014; Telmi&#x017F;&#x017F;us, und jen&#x017F;eit des Xanthusflu&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Pinara, Xanthus, Patara und an dreißig kleinere Ort&#x017F;chaften im<lb/>
oberen Lycien, ergaben &#x017F;ich den Macedoniern; dann rückte das Heer,<lb/>
es war in der Mitte des Winters, an die Quellen des Xanthus<lb/>
hinauf, in die Land&#x017F;chaft Milyas <note place="foot" n="44a)">Strabo &#x017F;agt: Die&#x017F;e Land&#x017F;chaft er-<lb/>
&#x017F;treckt &#x017F;ich von den Engpä&#x017F;&#x017F;en oberhalb Telmi&#x017F;&#x017F;us und dem darüber<lb/>
bis zum Taurus liegenden Lande, bei I&#x017F;inda vorüber bis Sagala&#x017F;&#x017F;us<lb/>
und Apamea. Auf Leakes Karte &#x017F;teht demnach der Name Sinda oder<lb/>
I&#x017F;inda zu weit nordo&#x017F;twärts.</note>. Hier empfing Alexander<lb/>
die Ge&#x017F;andt&#x017F;chaften der Pha&#x017F;eliten und mehrerer anderer Städte<lb/>
des unteren Lyciens, die freundlich empfangen wurden, und nach<lb/>
des Königs Befehl die Deta&#x017F;chements, die er zur Be&#x017F;etzung der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0150] ſchen Ritterſchaft, die geſammte Reuterei, ſo wie den Park der Wa- gen und Maſchinen enthielt, über Tralles nach Sardes ging, um in den Lydiſchen Ebenen zu überwintern und mit dem Beginn des Frühlings nach Gordium hin aufzubrechen. Die größere Colonne, beſtehend aus den Hypaspiſten, den Diviſionen der Phalanx, den Agrianern, Bogenſchützen, Thraciern und dem größeren Theil der Macedoniſchen Ritterſchaft, brach, unter Führung des Königs ſelbſt, von Karien auf, um die Seeküſte und die inneren Landſchaften Kleinaſiens zu durchziehen und in Beſitz zu nehmen. Der Marſch ging durch Karien über Hyparna, das durch Ka- pitulation mit den in der Feſtung liegenden Söldnern genommen wurde, nach der Landſchaft Lycien. Lycien war zwar ſeit der Zeit des Cyrus dem Perſiſchen Reiche einverleibt 44), hatte aber nicht blos ſeine eidgenoſſiſche Verfaſſung behalten, ſondern auch bald ſeine Unabhängigkeit ſo weit wieder erlangt, daß es nur einen beſtimm- ten Tribut nach Suſa zahlte, der an den jedesmaligen Lyciarchen entrichtet wurde, eine Stelle, die in der letzten Zeit den Kariſchen Dynaſten gehört hatte und wahrſcheinlich an Orontobates überge- gangen war; noch in den letzten Jahren hatte der Perſerkönig die Ge- birgslandſchaft Milyas, auf der Grenze gegen Phrygien hin, zu dem Bereich des Lyciarchen geſchlagen; Perſiſche Beſatzungen ſtan- den in Lycien nicht; Alexander fand kein Hinderniß bei der Beſitz- nahme dieſer an Städten ziemlich reichen und durch Seehäfen aus- gezeichneten Provinz. — Telmiſſus, und jenſeit des Xanthusfluſſes Pinara, Xanthus, Patara und an dreißig kleinere Ortſchaften im oberen Lycien, ergaben ſich den Macedoniern; dann rückte das Heer, es war in der Mitte des Winters, an die Quellen des Xanthus hinauf, in die Landſchaft Milyas 44a). Hier empfing Alexander die Geſandtſchaften der Phaſeliten und mehrerer anderer Städte des unteren Lyciens, die freundlich empfangen wurden, und nach des Königs Befehl die Detaſchements, die er zur Beſetzung der 44) Herod. I. 176. 44a) Strabo ſagt: Dieſe Landſchaft er- ſtreckt ſich von den Engpäſſen oberhalb Telmiſſus und dem darüber bis zum Taurus liegenden Lande, bei Iſinda vorüber bis Sagalaſſus und Apamea. Auf Leakes Karte ſteht demnach der Name Sinda oder Iſinda zu weit nordoſtwärts.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/150
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/150>, abgerufen am 18.12.2024.