noch zuletzt die Anführung der Thessalischen Ritterschaft, mit der er- jetzt an der Seeküste von Aeolis cantonirte. Aber selbst das edle Vertrauen des Königs vermochte nicht, des finsteren Mannes Gesin- nung zu ändern; das Bewußtsein eines vergeblichen, aber nicht be- reuten Verbrechens, der ohnmächtige Stolz, doppelt gekränkt durch die Großmuth des glücküberhäuften Jünglings, das Andenken an zwei Brüder, deren Blut für den gemeinsamen Plan geflossen, die eigene Herrschsucht, die desto heftiger quälte, je hoffnungsloser sie war, kurz Neid, Haß, Wunsch und Furcht, das mögen die Trieb- federn gewesen sein, die den Lynkestier die Verbindung mit dem Persischen Hofe wieder anzuknüpfen oder vielleicht nicht abzubrechen bewogen. Des Antiochus Sohn Amyntas, der, landesflüchtig aus Macedonien, beim Herannahen des Macedonischen Heeres Ephesus verlassen hatte, brachte schriftliche und mündliche Eröffnungen in Alexanders Namen an den Perserkönig, und Asisines, einer von Darius Vertrauten, kam, angeblich um Aufträge an den Phrygi- schen Satrapen zu bringen, mit geheimen Aufträgen nach Klein- asien, zunächst bemüht, sich in die Cantonirungen der Thessalischen Ritterschaft einzuschleichen. Von Parmenion aufgefangen, gestand er den eigentlichen Zweck seiner Sendung, den er, unter Bedeckung nach Phaselis an den König geschickt, dahin bezeichnete: daß er im Namen des Königs Darius die von dem General angebotene Er- mordung Alexanders habe billigen und dafür versprechen sollen, daß Darius dem Lynkestier nach vollbrachtem Morde den Macedonischen Thron, wie er gefordert, verschaffen, und überdies tausend Talente Gold zum Geschenk senden werde. Sofort berief der König die Freunde, sich mit ihnen zu berathen, wie gegen den General zu verfahren sei. Diese waren der Meinung, daß derselbe als Hoch- verräther anzusehen sei, falls er nicht entscheidende Beweise für seine Treue vorzubringen habe; sei es früher schon nicht wohl ge- than gewesen, einem so zweideutigen Manne den Kern der Reuterei anzuvertrauen, so scheine es jetzt um so nothwendiger zu sein, ihn wenigstens sofort unschädlich zu machen, bevor er die Thessalische Ritterschaft noch mehr für sich gewinne, und sie in seine Verräthe- rei verwickele; wenn irgend je, so hätten diesmal die Götter durch ein bedeutsames Zeichen gewarnt, das von der Hand zu weisen, mehr als unvorsichtig sein würde. Demnach wurde einer der ge-
noch zuletzt die Anführung der Theſſaliſchen Ritterſchaft, mit der er- jetzt an der Seeküſte von Aeolis cantonirte. Aber ſelbſt das edle Vertrauen des Königs vermochte nicht, des finſteren Mannes Geſin- nung zu ändern; das Bewußtſein eines vergeblichen, aber nicht be- reuten Verbrechens, der ohnmächtige Stolz, doppelt gekränkt durch die Großmuth des glücküberhäuften Jünglings, das Andenken an zwei Brüder, deren Blut für den gemeinſamen Plan gefloſſen, die eigene Herrſchſucht, die deſto heftiger quälte, je hoffnungsloſer ſie war, kurz Neid, Haß, Wunſch und Furcht, das mögen die Trieb- federn geweſen ſein, die den Lynkeſtier die Verbindung mit dem Perſiſchen Hofe wieder anzuknüpfen oder vielleicht nicht abzubrechen bewogen. Des Antiochus Sohn Amyntas, der, landesflüchtig aus Macedonien, beim Herannahen des Macedoniſchen Heeres Epheſus verlaſſen hatte, brachte ſchriftliche und mündliche Eröffnungen in Alexanders Namen an den Perſerkönig, und Aſiſines, einer von Darius Vertrauten, kam, angeblich um Aufträge an den Phrygi- ſchen Satrapen zu bringen, mit geheimen Aufträgen nach Klein- aſien, zunächſt bemüht, ſich in die Cantonirungen der Theſſaliſchen Ritterſchaft einzuſchleichen. Von Parmenion aufgefangen, geſtand er den eigentlichen Zweck ſeiner Sendung, den er, unter Bedeckung nach Phaſelis an den König geſchickt, dahin bezeichnete: daß er im Namen des Königs Darius die von dem General angebotene Er- mordung Alexanders habe billigen und dafür verſprechen ſollen, daß Darius dem Lynkeſtier nach vollbrachtem Morde den Macedoniſchen Thron, wie er gefordert, verſchaffen, und überdies tauſend Talente Gold zum Geſchenk ſenden werde. Sofort berief der König die Freunde, ſich mit ihnen zu berathen, wie gegen den General zu verfahren ſei. Dieſe waren der Meinung, daß derſelbe als Hoch- verräther anzuſehen ſei, falls er nicht entſcheidende Beweiſe für ſeine Treue vorzubringen habe; ſei es früher ſchon nicht wohl ge- than geweſen, einem ſo zweideutigen Manne den Kern der Reuterei anzuvertrauen, ſo ſcheine es jetzt um ſo nothwendiger zu ſein, ihn wenigſtens ſofort unſchädlich zu machen, bevor er die Theſſaliſche Ritterſchaft noch mehr für ſich gewinne, und ſie in ſeine Verräthe- rei verwickele; wenn irgend je, ſo hätten diesmal die Götter durch ein bedeutſames Zeichen gewarnt, das von der Hand zu weiſen, mehr als unvorſichtig ſein würde. Demnach wurde einer der ge-
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noch zuletzt die Anführung der Theſſaliſchen Ritterſchaft, mit der er-
jetzt an der Seeküſte von Aeolis cantonirte. Aber ſelbſt das edle
Vertrauen des Königs vermochte nicht, des finſteren Mannes Geſin-
nung zu ändern; das Bewußtſein eines vergeblichen, aber nicht be-
reuten Verbrechens, der ohnmächtige Stolz, doppelt gekränkt durch
die Großmuth des glücküberhäuften Jünglings, das Andenken an
zwei Brüder, deren Blut für den gemeinſamen Plan gefloſſen, die
eigene Herrſchſucht, die deſto heftiger quälte, je hoffnungsloſer ſie
war, kurz Neid, Haß, Wunſch und Furcht, das mögen die Trieb-
federn geweſen ſein, die den Lynkeſtier die Verbindung mit dem
Perſiſchen Hofe wieder anzuknüpfen oder vielleicht nicht abzubrechen
bewogen. Des Antiochus Sohn Amyntas, der, landesflüchtig aus
Macedonien, beim Herannahen des Macedoniſchen Heeres Epheſus
verlaſſen hatte, brachte ſchriftliche und mündliche Eröffnungen in
Alexanders Namen an den Perſerkönig, und Aſiſines, einer von
Darius Vertrauten, kam, angeblich um Aufträge an den Phrygi-
ſchen Satrapen zu bringen, mit geheimen Aufträgen nach Klein-
aſien, zunächſt bemüht, ſich in die Cantonirungen der Theſſaliſchen
Ritterſchaft einzuſchleichen. Von Parmenion aufgefangen, geſtand
er den eigentlichen Zweck ſeiner Sendung, den er, unter Bedeckung
nach Phaſelis an den König geſchickt, dahin bezeichnete: daß er im
Namen des Königs Darius die von dem General angebotene Er-
mordung Alexanders habe billigen und dafür verſprechen ſollen, daß
Darius dem Lynkeſtier nach vollbrachtem Morde den Macedoniſchen
Thron, wie er gefordert, verſchaffen, und überdies tauſend Talente
Gold zum Geſchenk ſenden werde. Sofort berief der König die
Freunde, ſich mit ihnen zu berathen, wie gegen den General zu
verfahren ſei. Dieſe waren der Meinung, daß derſelbe als Hoch-
verräther anzuſehen ſei, falls er nicht entſcheidende Beweiſe für
ſeine Treue vorzubringen habe; ſei es früher ſchon nicht wohl ge-
than geweſen, einem ſo zweideutigen Manne den Kern der Reuterei
anzuvertrauen, ſo ſcheine es jetzt um ſo nothwendiger zu ſein, ihn
wenigſtens ſofort unſchädlich zu machen, bevor er die Theſſaliſche
Ritterſchaft noch mehr für ſich gewinne, und ſie in ſeine Verräthe-
rei verwickele; wenn irgend je, ſo hätten diesmal die Götter durch
ein bedeutſames Zeichen gewarnt, das von der Hand zu weiſen,
mehr als unvorſichtig ſein würde. Demnach wurde einer der ge-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/153>, abgerufen am 21.11.2024.
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