Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

ein Ende des Bastes, und verlegen sahen die Umstehenden sein ver-
gebliches Bemühen; so wäre Asiens Herrschaft nicht sein? er zog
sein Schwert und durchhieb den Knoten; das Orakel war, gleich-
viel wie, erfüllt. Und in der That, der kühne Schwertstreich war
seiner würdiger und für die Zukunft bedeutsamer, als die müh-
samste Geduld; ja mit dieser hätte er aufgehört Alexander und der
Ueberwinder Asiens zu sein, nur sein Schwert vermochte das Un-
entwirrbare zu entwirren, vermochte den todten Völkerknäuel und
das Joch Asiens zu lösen nach dem Spruche der Götter; die
Götter selbst verkündeten in der Nacht mit Donner und Blitz, daß
Alexander ihren Willen erkannt und erfüllt habe, und Alexander
opferte den Göttern, daß sie die Lösung des Joches seinem Geiste
offenbart und ihm das Zeichen in der Nacht gegeben hätten 7).

Das Heer brach Tages darauf von Gordium auf und mar-
schirte am Südabhange der Paphlagonischen Grenzgebirge nach An-
cyra; dorthin kam eine Gesandtschaft der Paphlagonier, dem Könige
die Unterwerfung ihres Landes unter der Bedingung anzubieten,
daß keine Macedonischen Truppen nach Paphlagonien kämen. Ale-
xander willigte gern ein; Paphlagonien blieb unter einheimischen
Dynasten; es trat unter die Hoheit der Statthalterschaft von Phry-
gien am Hellespont 8).

7) Eine andere Darstellung hat Aristobul von dieser Begebenheit
gegeben: Der König habe den Spannnagel, der durch den Deichsel
gesteckt den Knoten zusammenhielt, herausgezogen. Selbst angenom-
men, daß die Sache so richtig sei, so wird zuverlässig das ganze Heer
das Zerhauen mit dem Schwerte lieber geglaubt und nacherzählt ha-
ben, als die in der That unbedeutende Operation mit dem Spannna-
gel; wie beim Ei des Kolumbus, ist nicht das Resultat, sondern die
Neuheit der Lösung ein Zeugniß des Genies.
8) Nach Curtius III.
1. 2. 3.
soll Alexander selbst in Paphlagonien eingerückt sein; das
ausdrückliche Zeugniß des Arrian beweiset das Gegentheil. Sonst
würde auch nicht Dionysius, der Tyrann von Heraklea, ein getreuer
Anhänger des Perserthums, seine Herrschaft aufrecht erhalten haben,
sondern es wäre schon jetzt dort die Demokratie eingerichtet worden,
welche einige Zeit später die Exulirten von Heraklea durch Alexan-
ders Einfluß wieder herzustellen wünschten. Memnon apd. Phot. p.
223. b. 40.

ein Ende des Baſtes, und verlegen ſahen die Umſtehenden ſein ver-
gebliches Bemühen; ſo wäre Aſiens Herrſchaft nicht ſein? er zog
ſein Schwert und durchhieb den Knoten; das Orakel war, gleich-
viel wie, erfüllt. Und in der That, der kühne Schwertſtreich war
ſeiner würdiger und für die Zukunft bedeutſamer, als die müh-
ſamſte Geduld; ja mit dieſer hätte er aufgehört Alexander und der
Ueberwinder Aſiens zu ſein, nur ſein Schwert vermochte das Un-
entwirrbare zu entwirren, vermochte den todten Völkerknäuel und
das Joch Aſiens zu löſen nach dem Spruche der Götter; die
Götter ſelbſt verkündeten in der Nacht mit Donner und Blitz, daß
Alexander ihren Willen erkannt und erfüllt habe, und Alexander
opferte den Göttern, daß ſie die Löſung des Joches ſeinem Geiſte
offenbart und ihm das Zeichen in der Nacht gegeben hätten 7).

Das Heer brach Tages darauf von Gordium auf und mar-
ſchirte am Südabhange der Paphlagoniſchen Grenzgebirge nach An-
cyra; dorthin kam eine Geſandtſchaft der Paphlagonier, dem Könige
die Unterwerfung ihres Landes unter der Bedingung anzubieten,
daß keine Macedoniſchen Truppen nach Paphlagonien kämen. Ale-
xander willigte gern ein; Paphlagonien blieb unter einheimiſchen
Dynaſten; es trat unter die Hoheit der Statthalterſchaft von Phry-
gien am Hellespont 8).

7) Eine andere Darſtellung hat Ariſtobul von dieſer Begebenheit
gegeben: Der König habe den Spannnagel, der durch den Deichſel
geſteckt den Knoten zuſammenhielt, herausgezogen. Selbſt angenom-
men, daß die Sache ſo richtig ſei, ſo wird zuverläſſig das ganze Heer
das Zerhauen mit dem Schwerte lieber geglaubt und nacherzählt ha-
ben, als die in der That unbedeutende Operation mit dem Spannna-
gel; wie beim Ei des Kolumbus, iſt nicht das Reſultat, ſondern die
Neuheit der Löſung ein Zeugniß des Genies.
8) Nach Curtius III.
1. 2. 3.
ſoll Alexander ſelbſt in Paphlagonien eingerückt ſein; das
ausdrückliche Zeugniß des Arrian beweiſet das Gegentheil. Sonſt
würde auch nicht Dionyſius, der Tyrann von Heraklea, ein getreuer
Anhänger des Perſerthums, ſeine Herrſchaft aufrecht erhalten haben,
ſondern es wäre ſchon jetzt dort die Demokratie eingerichtet worden,
welche einige Zeit ſpäter die Exulirten von Heraklea durch Alexan-
ders Einfluß wieder herzuſtellen wünſchten. Memnon apd. Phot. p.
223. b. 40.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="152"/>
ein Ende des Ba&#x017F;tes, und verlegen &#x017F;ahen die Um&#x017F;tehenden &#x017F;ein ver-<lb/>
gebliches Bemühen; &#x017F;o wäre A&#x017F;iens Herr&#x017F;chaft nicht &#x017F;ein? er zog<lb/>
&#x017F;ein Schwert und durchhieb den Knoten; das Orakel war, gleich-<lb/>
viel wie, erfüllt. Und in der That, der kühne Schwert&#x017F;treich war<lb/>
&#x017F;einer würdiger und für die Zukunft bedeut&#x017F;amer, als die müh-<lb/>
&#x017F;am&#x017F;te Geduld; ja mit die&#x017F;er hätte er aufgehört Alexander und der<lb/>
Ueberwinder A&#x017F;iens zu &#x017F;ein, nur &#x017F;ein Schwert vermochte das Un-<lb/>
entwirrbare zu entwirren, vermochte den todten Völkerknäuel und<lb/>
das Joch A&#x017F;iens zu lö&#x017F;en nach dem Spruche der Götter; die<lb/>
Götter &#x017F;elb&#x017F;t verkündeten in der Nacht mit Donner und Blitz, daß<lb/>
Alexander ihren Willen erkannt und erfüllt habe, und Alexander<lb/>
opferte den <choice><sic>Götttern</sic><corr>Göttern</corr></choice>, daß &#x017F;ie die Lö&#x017F;ung des Joches &#x017F;einem Gei&#x017F;te<lb/>
offenbart und ihm das Zeichen in der Nacht gegeben hätten <note place="foot" n="7)">Eine andere Dar&#x017F;tellung hat Ari&#x017F;tobul von die&#x017F;er Begebenheit<lb/>
gegeben: Der König habe den Spannnagel, der durch den Deich&#x017F;el<lb/>
ge&#x017F;teckt den Knoten zu&#x017F;ammenhielt, herausgezogen. Selb&#x017F;t angenom-<lb/>
men, daß die Sache &#x017F;o richtig &#x017F;ei, &#x017F;o wird zuverlä&#x017F;&#x017F;ig das ganze Heer<lb/>
das Zerhauen mit dem Schwerte lieber geglaubt und nacherzählt ha-<lb/>
ben, als die in der That unbedeutende Operation mit dem Spannna-<lb/>
gel; wie beim Ei des Kolumbus, i&#x017F;t nicht das Re&#x017F;ultat, &#x017F;ondern die<lb/>
Neuheit der Lö&#x017F;ung ein Zeugniß des Genies.</note>.</p><lb/>
          <p>Das Heer brach Tages darauf von Gordium auf und mar-<lb/>
&#x017F;chirte am Südabhange der Paphlagoni&#x017F;chen Grenzgebirge nach An-<lb/>
cyra; dorthin kam eine Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft der Paphlagonier, dem Könige<lb/>
die Unterwerfung ihres Landes unter der Bedingung anzubieten,<lb/>
daß keine Macedoni&#x017F;chen Truppen nach Paphlagonien kämen. Ale-<lb/>
xander willigte gern ein; Paphlagonien blieb unter einheimi&#x017F;chen<lb/>
Dyna&#x017F;ten; es trat unter die Hoheit der Statthalter&#x017F;chaft von Phry-<lb/>
gien am Hellespont <note place="foot" n="8)">Nach <hi rendition="#aq">Curtius III.<lb/>
1. 2. 3.</hi> &#x017F;oll Alexander &#x017F;elb&#x017F;t in Paphlagonien eingerückt &#x017F;ein; das<lb/>
ausdrückliche Zeugniß des Arrian bewei&#x017F;et das Gegentheil. Son&#x017F;t<lb/>
würde auch nicht Diony&#x017F;ius, der Tyrann von Heraklea, ein getreuer<lb/>
Anhänger des Per&#x017F;erthums, &#x017F;eine Herr&#x017F;chaft aufrecht erhalten haben,<lb/>
&#x017F;ondern es wäre &#x017F;chon jetzt dort die Demokratie eingerichtet worden,<lb/>
welche einige Zeit &#x017F;päter die Exulirten von Heraklea durch Alexan-<lb/>
ders Einfluß wieder herzu&#x017F;tellen wün&#x017F;chten. <hi rendition="#aq">Memnon apd. Phot. p.<lb/>
223. b. 40.</hi></note>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0166] ein Ende des Baſtes, und verlegen ſahen die Umſtehenden ſein ver- gebliches Bemühen; ſo wäre Aſiens Herrſchaft nicht ſein? er zog ſein Schwert und durchhieb den Knoten; das Orakel war, gleich- viel wie, erfüllt. Und in der That, der kühne Schwertſtreich war ſeiner würdiger und für die Zukunft bedeutſamer, als die müh- ſamſte Geduld; ja mit dieſer hätte er aufgehört Alexander und der Ueberwinder Aſiens zu ſein, nur ſein Schwert vermochte das Un- entwirrbare zu entwirren, vermochte den todten Völkerknäuel und das Joch Aſiens zu löſen nach dem Spruche der Götter; die Götter ſelbſt verkündeten in der Nacht mit Donner und Blitz, daß Alexander ihren Willen erkannt und erfüllt habe, und Alexander opferte den Göttern, daß ſie die Löſung des Joches ſeinem Geiſte offenbart und ihm das Zeichen in der Nacht gegeben hätten 7). Das Heer brach Tages darauf von Gordium auf und mar- ſchirte am Südabhange der Paphlagoniſchen Grenzgebirge nach An- cyra; dorthin kam eine Geſandtſchaft der Paphlagonier, dem Könige die Unterwerfung ihres Landes unter der Bedingung anzubieten, daß keine Macedoniſchen Truppen nach Paphlagonien kämen. Ale- xander willigte gern ein; Paphlagonien blieb unter einheimiſchen Dynaſten; es trat unter die Hoheit der Statthalterſchaft von Phry- gien am Hellespont 8). 7) Eine andere Darſtellung hat Ariſtobul von dieſer Begebenheit gegeben: Der König habe den Spannnagel, der durch den Deichſel geſteckt den Knoten zuſammenhielt, herausgezogen. Selbſt angenom- men, daß die Sache ſo richtig ſei, ſo wird zuverläſſig das ganze Heer das Zerhauen mit dem Schwerte lieber geglaubt und nacherzählt ha- ben, als die in der That unbedeutende Operation mit dem Spannna- gel; wie beim Ei des Kolumbus, iſt nicht das Reſultat, ſondern die Neuheit der Löſung ein Zeugniß des Genies. 8) Nach Curtius III. 1. 2. 3. ſoll Alexander ſelbſt in Paphlagonien eingerückt ſein; das ausdrückliche Zeugniß des Arrian beweiſet das Gegentheil. Sonſt würde auch nicht Dionyſius, der Tyrann von Heraklea, ein getreuer Anhänger des Perſerthums, ſeine Herrſchaft aufrecht erhalten haben, ſondern es wäre ſchon jetzt dort die Demokratie eingerichtet worden, welche einige Zeit ſpäter die Exulirten von Heraklea durch Alexan- ders Einfluß wieder herzuſtellen wünſchten. Memnon apd. Phot. p. 223. b. 40.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/166
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/166>, abgerufen am 21.11.2024.