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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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sches Ganze, zu einem System militärischer Bewegungen, durch die
er hätte umgarnt werden können, unfähig sei, daß im schlimmsten
Falle eine Reihe rascher und kühner Märsche von seiner Seite
jene unbehülfliche Masse zum Nachrücken gezwungen, verwirrt, auf-
gelöst und jedem Ueberfall bloßgegeben hätte. Darius hätte für
seine Völkermasse das einer Massenwirkung günstige Terrain be-
halten müssen; in seiner Verblendung war er jetzt in die enge
Strandebene am Pinarus vorgerückt; von flüchtigen Landleuten be-
nachrichtigt, daß Alexander kaum einige Stunden entfernt jenseits
der Strandpässe stehe und nichts weniger als auf der Flucht sei,
mußte er sich jedenfalls, da er sein ungeheures Heer weder schnell
genug zurückziehen konnte, noch gegen diese Thermopylen Ciliciens
vorzuschieben wagte, in der engen Ebene gelagert zu einer Schlacht
vorbereiten, für die er jetzt die Vortheile des Angriffs dem Feinde
überlassen mußte. -- In der That, hätte es irgend ein Strategem
gegeben, den Großkönig zum Aufbruch aus der Ebene von Onchä
und zu dieser folgereichen Bewegung nach Cilicien hinab zu nöthi-
gen, so würde es Alexander, selbst wenn es einen größeren Verlust,
als den der Lazarethe von Issus gegolten hätte, mit Freuden ge-
wagt haben; so unglaublich schien ihm das erste Gerücht von Da-
rius Nähe, daß er einige Officiere auf einer Jacht an der Küste
entlang fahren ließ, um sich von der Nähe des Feindes wirklich
zu überzeugen.

Einen anderen Eindruck machte dasselbe Gerücht auf die Trup-
pen Alexanders 15); sie hatten den Feind in einigen Tagen und
auf offenem Felde zu begegnen gehofft; jetzt war Alles unerwartet
und übereilt; jetzt stand der Feind in ihrem Rücken, schon morgen
sollte gekämpft werden; man werde, hieß es, was man schon be-
sessen, dem Feinde durch eine Schlacht entreißen, jeden Schritt
rückwärts mit Blut erkaufen müssen; vielleicht aber seien die Pässe
schon besetzt und gesperrt, vielleicht müsse man sich, wie einst die
Zehntausend, durch das Innere Asiens durchschlagen, um statt
Ruhm und Beute, kaum das nackte Leben in die Heimath zu brin-
gen; und das alles, weil man nicht vorsichtig vorgerückt sei; man

15) Daß diese Angaben bei Curtius historischen Grund haben,
sieht man aus dem Anfang der Rede Alexanders bei Arrian.
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ſches Ganze, zu einem Syſtem militäriſcher Bewegungen, durch die
er hätte umgarnt werden können, unfähig ſei, daß im ſchlimmſten
Falle eine Reihe raſcher und kühner Märſche von ſeiner Seite
jene unbehülfliche Maſſe zum Nachrücken gezwungen, verwirrt, auf-
gelöſt und jedem Ueberfall bloßgegeben hätte. Darius hätte für
ſeine Völkermaſſe das einer Maſſenwirkung günſtige Terrain be-
halten müſſen; in ſeiner Verblendung war er jetzt in die enge
Strandebene am Pinarus vorgerückt; von flüchtigen Landleuten be-
nachrichtigt, daß Alexander kaum einige Stunden entfernt jenſeits
der Strandpäſſe ſtehe und nichts weniger als auf der Flucht ſei,
mußte er ſich jedenfalls, da er ſein ungeheures Heer weder ſchnell
genug zurückziehen konnte, noch gegen dieſe Thermopylen Ciliciens
vorzuſchieben wagte, in der engen Ebene gelagert zu einer Schlacht
vorbereiten, für die er jetzt die Vortheile des Angriffs dem Feinde
überlaſſen mußte. — In der That, hätte es irgend ein Strategem
gegeben, den Großkönig zum Aufbruch aus der Ebene von Onchä
und zu dieſer folgereichen Bewegung nach Cilicien hinab zu nöthi-
gen, ſo würde es Alexander, ſelbſt wenn es einen größeren Verluſt,
als den der Lazarethe von Iſſus gegolten hätte, mit Freuden ge-
wagt haben; ſo unglaublich ſchien ihm das erſte Gerücht von Da-
rius Nähe, daß er einige Officiere auf einer Jacht an der Küſte
entlang fahren ließ, um ſich von der Nähe des Feindes wirklich
zu überzeugen.

Einen anderen Eindruck machte daſſelbe Gerücht auf die Trup-
pen Alexanders 15); ſie hatten den Feind in einigen Tagen und
auf offenem Felde zu begegnen gehofft; jetzt war Alles unerwartet
und übereilt; jetzt ſtand der Feind in ihrem Rücken, ſchon morgen
ſollte gekämpft werden; man werde, hieß es, was man ſchon be-
ſeſſen, dem Feinde durch eine Schlacht entreißen, jeden Schritt
rückwärts mit Blut erkaufen müſſen; vielleicht aber ſeien die Päſſe
ſchon beſetzt und geſperrt, vielleicht müſſe man ſich, wie einſt die
Zehntauſend, durch das Innere Aſiens durchſchlagen, um ſtatt
Ruhm und Beute, kaum das nackte Leben in die Heimath zu brin-
gen; und das alles, weil man nicht vorſichtig vorgerückt ſei; man

15) Daß dieſe Angaben bei Curtius hiſtoriſchen Grund haben,
ſieht man aus dem Anfang der Rede Alexanders bei Arrian.
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[161/0175] ſches Ganze, zu einem Syſtem militäriſcher Bewegungen, durch die er hätte umgarnt werden können, unfähig ſei, daß im ſchlimmſten Falle eine Reihe raſcher und kühner Märſche von ſeiner Seite jene unbehülfliche Maſſe zum Nachrücken gezwungen, verwirrt, auf- gelöſt und jedem Ueberfall bloßgegeben hätte. Darius hätte für ſeine Völkermaſſe das einer Maſſenwirkung günſtige Terrain be- halten müſſen; in ſeiner Verblendung war er jetzt in die enge Strandebene am Pinarus vorgerückt; von flüchtigen Landleuten be- nachrichtigt, daß Alexander kaum einige Stunden entfernt jenſeits der Strandpäſſe ſtehe und nichts weniger als auf der Flucht ſei, mußte er ſich jedenfalls, da er ſein ungeheures Heer weder ſchnell genug zurückziehen konnte, noch gegen dieſe Thermopylen Ciliciens vorzuſchieben wagte, in der engen Ebene gelagert zu einer Schlacht vorbereiten, für die er jetzt die Vortheile des Angriffs dem Feinde überlaſſen mußte. — In der That, hätte es irgend ein Strategem gegeben, den Großkönig zum Aufbruch aus der Ebene von Onchä und zu dieſer folgereichen Bewegung nach Cilicien hinab zu nöthi- gen, ſo würde es Alexander, ſelbſt wenn es einen größeren Verluſt, als den der Lazarethe von Iſſus gegolten hätte, mit Freuden ge- wagt haben; ſo unglaublich ſchien ihm das erſte Gerücht von Da- rius Nähe, daß er einige Officiere auf einer Jacht an der Küſte entlang fahren ließ, um ſich von der Nähe des Feindes wirklich zu überzeugen. Einen anderen Eindruck machte daſſelbe Gerücht auf die Trup- pen Alexanders 15); ſie hatten den Feind in einigen Tagen und auf offenem Felde zu begegnen gehofft; jetzt war Alles unerwartet und übereilt; jetzt ſtand der Feind in ihrem Rücken, ſchon morgen ſollte gekämpft werden; man werde, hieß es, was man ſchon be- ſeſſen, dem Feinde durch eine Schlacht entreißen, jeden Schritt rückwärts mit Blut erkaufen müſſen; vielleicht aber ſeien die Päſſe ſchon beſetzt und geſperrt, vielleicht müſſe man ſich, wie einſt die Zehntauſend, durch das Innere Aſiens durchſchlagen, um ſtatt Ruhm und Beute, kaum das nackte Leben in die Heimath zu brin- gen; und das alles, weil man nicht vorſichtig vorgerückt ſei; man 15) Daß dieſe Angaben bei Curtius hiſtoriſchen Grund haben, ſieht man aus dem Anfang der Rede Alexanders bei Arrian. 11

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/175>, abgerufen am 18.12.2024.