ter verfolgte; er ließ seine Hypaspisten links schwenken und den Söldnern in die Flanke fallen, die, unfähig dem Doppelangriff zu widerstehen, geworfen, zersprengt, niedergemacht wurden. Das Geschrei der Fliehenden riß Schaar auf Schaar mit sich; die Per- sischen Reuterschaaren, eben noch im kühnsten Kampfe, vernahmen das Geschrei "der König flieht" mit Panischem Schrecken, sie be- gannen, sich zu lösen, zu wenden, zu fliehen; sie jagten durch die Ebene, durch die schreienden, fliehenden, rettungslosen Schaaren; Alles stürzte den Bergen zu, die Schluchten füllten sich; das Ge- dränge aller Waffen und Nationen, der zermalmende Hufschlag der stürzenden Pferde, das Geschrei der Verzweifelnden, die mörderische Wuth ihrer Todesangst, dazu die schneidenden Klingen der verfol- genden Macedonier und das jubelnd: Siegesgeschrei -- das war das Ende des glorreichen Tages von Issus. Der Verlust der Per- ser war ungeheuer, der Wahlplatz mit Leichen und Sterbenden be- deckt, ganze Schluchten des Gebirges mit Leichen gesperrt, und hinter dem Wall von Leichen des Königs Flucht sicher. Denn Darius, der, sobald Alexanders erster Angriff glückte, sein Vierge- spann gewendet hatte, war durch die Ebene bis zu den Bergen hingejagt, dann hemmte der jähe Boden die Eile, er sprang vom Wagen, ließ Mantel, Bogen und Schild zurück und warf sich auf ein Pferd, das zu seinem Füllen im heimischen Stalle mit der Eile, die Darius verlangte, heimjagte. Alexander setzte ihm nach, so lange es Tag war; den König zu fangen, schien der Sieges- preis des Tages; er fand in der Schlucht des Königs Schlacht- wagen, seinen Schild, Mantel und Bogen, der König selbst war meilenweit voraus; mit diesen Trophäen kehrte er ins Lager der Perser zurück, das ohne Kampf von seinen Leuten besetzt und zur Nachtruhe eingerichtet war 22).
22) Diodor sagt gedankenlos genug, daß Alexander den Darius fünf Meilen weit verfolgt habe, und doch zu Mitternacht im Lager zurück gewesen sei. Uebrigens sind wir in der Darstellung der Schlacht den Angaben Arrians gefolgt und somit von den Ansichten neuerer Schrift- steller abgewichen. Man darf sich durch die Richtung der Flucht in die Berge nicht zu dem Glauben verleiten lassen, daß Darius Schlacht- ordnung in südöstlicher Richtung gestanden habe; der Lauf des Pina-
ter verfolgte; er ließ ſeine Hypaspiſten links ſchwenken und den Söldnern in die Flanke fallen, die, unfähig dem Doppelangriff zu widerſtehen, geworfen, zerſprengt, niedergemacht wurden. Das Geſchrei der Fliehenden riß Schaar auf Schaar mit ſich; die Per- ſiſchen Reuterſchaaren, eben noch im kühnſten Kampfe, vernahmen das Geſchrei „der König flieht“ mit Paniſchem Schrecken, ſie be- gannen, ſich zu löſen, zu wenden, zu fliehen; ſie jagten durch die Ebene, durch die ſchreienden, fliehenden, rettungsloſen Schaaren; Alles ſtürzte den Bergen zu, die Schluchten füllten ſich; das Ge- dränge aller Waffen und Nationen, der zermalmende Hufſchlag der ſtürzenden Pferde, das Geſchrei der Verzweifelnden, die mörderiſche Wuth ihrer Todesangſt, dazu die ſchneidenden Klingen der verfol- genden Macedonier und das jubelnd: Siegesgeſchrei — das war das Ende des glorreichen Tages von Iſſus. Der Verluſt der Per- ſer war ungeheuer, der Wahlplatz mit Leichen und Sterbenden be- deckt, ganze Schluchten des Gebirges mit Leichen geſperrt, und hinter dem Wall von Leichen des Königs Flucht ſicher. Denn Darius, der, ſobald Alexanders erſter Angriff glückte, ſein Vierge- ſpann gewendet hatte, war durch die Ebene bis zu den Bergen hingejagt, dann hemmte der jähe Boden die Eile, er ſprang vom Wagen, ließ Mantel, Bogen und Schild zurück und warf ſich auf ein Pferd, das zu ſeinem Füllen im heimiſchen Stalle mit der Eile, die Darius verlangte, heimjagte. Alexander ſetzte ihm nach, ſo lange es Tag war; den König zu fangen, ſchien der Sieges- preis des Tages; er fand in der Schlucht des Königs Schlacht- wagen, ſeinen Schild, Mantel und Bogen, der König ſelbſt war meilenweit voraus; mit dieſen Trophäen kehrte er ins Lager der Perſer zurück, das ohne Kampf von ſeinen Leuten beſetzt und zur Nachtruhe eingerichtet war 22).
22) Diodor ſagt gedankenlos genug, daß Alexander den Darius fünf Meilen weit verfolgt habe, und doch zu Mitternacht im Lager zurück geweſen ſei. Uebrigens ſind wir in der Darſtellung der Schlacht den Angaben Arrians gefolgt und ſomit von den Anſichten neuerer Schrift- ſteller abgewichen. Man darf ſich durch die Richtung der Flucht in die Berge nicht zu dem Glauben verleiten laſſen, daß Darius Schlacht- ordnung in ſüdöſtlicher Richtung geſtanden habe; der Lauf des Pina-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="170"/>
ter verfolgte; er ließ ſeine Hypaspiſten links ſchwenken und den<lb/>
Söldnern in die Flanke fallen, die, unfähig dem Doppelangriff zu<lb/>
widerſtehen, geworfen, zerſprengt, niedergemacht wurden. Das<lb/>
Geſchrei der Fliehenden riß Schaar auf Schaar mit ſich; die Per-<lb/>ſiſchen Reuterſchaaren, eben noch im kühnſten Kampfe, vernahmen<lb/>
das Geſchrei „der König flieht“ mit Paniſchem Schrecken, ſie be-<lb/>
gannen, ſich zu löſen, zu wenden, zu fliehen; ſie jagten durch die<lb/>
Ebene, durch die ſchreienden, fliehenden, rettungsloſen Schaaren;<lb/>
Alles ſtürzte den Bergen zu, die Schluchten füllten ſich; das Ge-<lb/>
dränge aller Waffen und Nationen, der zermalmende Hufſchlag der<lb/>ſtürzenden Pferde, das Geſchrei der Verzweifelnden, die mörderiſche<lb/>
Wuth ihrer Todesangſt, dazu die ſchneidenden Klingen der verfol-<lb/>
genden Macedonier und das jubelnd: Siegesgeſchrei — das war<lb/>
das Ende des glorreichen Tages von Iſſus. Der Verluſt der Per-<lb/>ſer war ungeheuer, der Wahlplatz mit Leichen und Sterbenden be-<lb/>
deckt, ganze Schluchten des Gebirges mit Leichen geſperrt, und<lb/>
hinter dem Wall von Leichen des Königs Flucht ſicher. Denn<lb/>
Darius, der, ſobald Alexanders erſter Angriff glückte, ſein Vierge-<lb/>ſpann gewendet hatte, war durch die Ebene bis zu den Bergen<lb/>
hingejagt, dann hemmte der jähe Boden die Eile, er ſprang vom<lb/>
Wagen, ließ Mantel, Bogen und Schild zurück und warf ſich auf<lb/>
ein Pferd, das zu ſeinem Füllen im heimiſchen Stalle mit der<lb/>
Eile, die Darius verlangte, heimjagte. Alexander ſetzte ihm nach,<lb/>ſo lange es Tag war; den König zu fangen, ſchien der Sieges-<lb/>
preis des Tages; er fand in der Schlucht des Königs Schlacht-<lb/>
wagen, ſeinen Schild, Mantel und Bogen, der König ſelbſt war<lb/>
meilenweit voraus; mit dieſen Trophäen kehrte er ins Lager der<lb/>
Perſer zurück, das ohne Kampf von ſeinen Leuten beſetzt und zur<lb/>
Nachtruhe eingerichtet war <notexml:id="note-0184"next="#note-0185"place="foot"n="22)">Diodor ſagt gedankenlos genug, daß Alexander den Darius<lb/>
fünf Meilen weit verfolgt habe, und doch zu Mitternacht im Lager zurück<lb/>
geweſen ſei. Uebrigens ſind wir in der Darſtellung der Schlacht den<lb/>
Angaben Arrians gefolgt und ſomit von den Anſichten neuerer Schrift-<lb/>ſteller abgewichen. Man darf ſich durch die Richtung der Flucht in<lb/>
die Berge nicht zu dem Glauben verleiten laſſen, daß Darius Schlacht-<lb/>
ordnung in ſüdöſtlicher Richtung geſtanden habe; der Lauf des Pina-</note>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[170/0184]
ter verfolgte; er ließ ſeine Hypaspiſten links ſchwenken und den
Söldnern in die Flanke fallen, die, unfähig dem Doppelangriff zu
widerſtehen, geworfen, zerſprengt, niedergemacht wurden. Das
Geſchrei der Fliehenden riß Schaar auf Schaar mit ſich; die Per-
ſiſchen Reuterſchaaren, eben noch im kühnſten Kampfe, vernahmen
das Geſchrei „der König flieht“ mit Paniſchem Schrecken, ſie be-
gannen, ſich zu löſen, zu wenden, zu fliehen; ſie jagten durch die
Ebene, durch die ſchreienden, fliehenden, rettungsloſen Schaaren;
Alles ſtürzte den Bergen zu, die Schluchten füllten ſich; das Ge-
dränge aller Waffen und Nationen, der zermalmende Hufſchlag der
ſtürzenden Pferde, das Geſchrei der Verzweifelnden, die mörderiſche
Wuth ihrer Todesangſt, dazu die ſchneidenden Klingen der verfol-
genden Macedonier und das jubelnd: Siegesgeſchrei — das war
das Ende des glorreichen Tages von Iſſus. Der Verluſt der Per-
ſer war ungeheuer, der Wahlplatz mit Leichen und Sterbenden be-
deckt, ganze Schluchten des Gebirges mit Leichen geſperrt, und
hinter dem Wall von Leichen des Königs Flucht ſicher. Denn
Darius, der, ſobald Alexanders erſter Angriff glückte, ſein Vierge-
ſpann gewendet hatte, war durch die Ebene bis zu den Bergen
hingejagt, dann hemmte der jähe Boden die Eile, er ſprang vom
Wagen, ließ Mantel, Bogen und Schild zurück und warf ſich auf
ein Pferd, das zu ſeinem Füllen im heimiſchen Stalle mit der
Eile, die Darius verlangte, heimjagte. Alexander ſetzte ihm nach,
ſo lange es Tag war; den König zu fangen, ſchien der Sieges-
preis des Tages; er fand in der Schlucht des Königs Schlacht-
wagen, ſeinen Schild, Mantel und Bogen, der König ſelbſt war
meilenweit voraus; mit dieſen Trophäen kehrte er ins Lager der
Perſer zurück, das ohne Kampf von ſeinen Leuten beſetzt und zur
Nachtruhe eingerichtet war 22).
22) Diodor ſagt gedankenlos genug, daß Alexander den Darius
fünf Meilen weit verfolgt habe, und doch zu Mitternacht im Lager zurück
geweſen ſei. Uebrigens ſind wir in der Darſtellung der Schlacht den
Angaben Arrians gefolgt und ſomit von den Anſichten neuerer Schrift-
ſteller abgewichen. Man darf ſich durch die Richtung der Flucht in
die Berge nicht zu dem Glauben verleiten laſſen, daß Darius Schlacht-
ordnung in ſüdöſtlicher Richtung geſtanden habe; der Lauf des Pina-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/184>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.