Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

fig zugegen 34); Lob und Geschenke machten dem Soldaten die
schwere Arbeit leicht. Die Tyrier hatten bisher ruhig zugesehen;
jetzt war der Damm der Insel bis auf wenige hundert Schritte
genahet; sie brachten deshalb auf die dem Lande zugewendete Stelle
ihrer hohen Mauer so viel Geschütz als möglich zusammen und be-
gannen Pfeile und Steine gegen die bloßgestellten Arbeiter auf
dem Damm zu schleudern, während diese zugleich von beiden Sei-
ten durch die Trieren der Tyrier hart mitgenommen wurden. Zwei
Thürme, die Alexander auf dem Ende des Dammes errichten ließ,
mit Schirmdecken und Fellen überhangen und mit Wurfgeschütz
versehen, schützten die Arbeiter vor den Geschossen von der Stadt
her und vor den Trieren; mit jedem Tage rückte der Damm,
wenn auch wegen des tieferen Meeres langsamer, vor. Dieser Ge-
fahr zu begegnen baueten die Tyrier einen Brander in folgender
Weise. Ein Frachtschiff wurde mit dürrem Reisig und anderen
leicht entzündbaren Stoffen angefüllt, dann am Galeon zwei Mast-
bäume befestigt und mit einer möglichst weiten Gallerie umgeben, um
in derselben desto mehr Stroh und Kien aufhäufen zu können; überdies
brachte man noch Pech und Schwefel und andere Dinge der Art
hinein; ferner wurden an die beiden Masten doppelte Raen befestigt,
an deren Enden Kessel mit allerlei das Feuer schnell verbreitenden
Brennstoffen hingen; endlich wurde der hintere Schiffsraum schwer
geballastet, um das vordere Werk möglichst über den Wasserspiegel
empor zu heben. Bei dem nächsten günstigen Winde ließen die
Tyrier diesen Brander in See gehen; einige Trieren nahmen ihn
ins Schlepptau und brachten ihn gegen den Damm; dann warf
die in dem Brander befindliche Mannschaft Feuer in den Raum
und in die Masten, und schwamm zu den Trieren, die eiligst das
brennende Gebäude mit aller Gewalt gegen die Spitze des Dam-
mes trieben. Der Brander erfüllte, von einem starken Nordwest-
winde begünstigt, vollkommen seinen Zweck, in kurzer Zeit standen
die Thürme, die Schirmdächer, die Gerüste und Faschinenhaufen

34) Es wird erzählt, Alexander habe zuerst einen Schanzkorb
mit Erde gefüllt und herangetragen, worauf dann die Macedonier
mit lautem Jauchzen die mühselige Arbeit begonnen hätten; Polyaen.
IV. 3. 3.

fig zugegen 34); Lob und Geſchenke machten dem Soldaten die
ſchwere Arbeit leicht. Die Tyrier hatten bisher ruhig zugeſehen;
jetzt war der Damm der Inſel bis auf wenige hundert Schritte
genahet; ſie brachten deshalb auf die dem Lande zugewendete Stelle
ihrer hohen Mauer ſo viel Geſchütz als möglich zuſammen und be-
gannen Pfeile und Steine gegen die bloßgeſtellten Arbeiter auf
dem Damm zu ſchleudern, während dieſe zugleich von beiden Sei-
ten durch die Trieren der Tyrier hart mitgenommen wurden. Zwei
Thürme, die Alexander auf dem Ende des Dammes errichten ließ,
mit Schirmdecken und Fellen überhangen und mit Wurfgeſchütz
verſehen, ſchützten die Arbeiter vor den Geſchoſſen von der Stadt
her und vor den Trieren; mit jedem Tage rückte der Damm,
wenn auch wegen des tieferen Meeres langſamer, vor. Dieſer Ge-
fahr zu begegnen baueten die Tyrier einen Brander in folgender
Weiſe. Ein Frachtſchiff wurde mit dürrem Reiſig und anderen
leicht entzündbaren Stoffen angefüllt, dann am Galeon zwei Maſt-
bäume befeſtigt und mit einer möglichſt weiten Gallerie umgeben, um
in derſelben deſto mehr Stroh und Kien aufhäufen zu können; überdies
brachte man noch Pech und Schwefel und andere Dinge der Art
hinein; ferner wurden an die beiden Maſten doppelte Raen befeſtigt,
an deren Enden Keſſel mit allerlei das Feuer ſchnell verbreitenden
Brennſtoffen hingen; endlich wurde der hintere Schiffsraum ſchwer
geballaſtet, um das vordere Werk möglichſt über den Waſſerſpiegel
empor zu heben. Bei dem nächſten günſtigen Winde ließen die
Tyrier dieſen Brander in See gehen; einige Trieren nahmen ihn
ins Schlepptau und brachten ihn gegen den Damm; dann warf
die in dem Brander befindliche Mannſchaft Feuer in den Raum
und in die Maſten, und ſchwamm zu den Trieren, die eiligſt das
brennende Gebäude mit aller Gewalt gegen die Spitze des Dam-
mes trieben. Der Brander erfüllte, von einem ſtarken Nordweſt-
winde begünſtigt, vollkommen ſeinen Zweck, in kurzer Zeit ſtanden
die Thürme, die Schirmdächer, die Gerüſte und Faſchinenhaufen

34) Es wird erzählt, Alexander habe zuerſt einen Schanzkorb
mit Erde gefüllt und herangetragen, worauf dann die Macedonier
mit lautem Jauchzen die mühſelige Arbeit begonnen hätten; Polyaen.
IV. 3. 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0199" n="185"/>
fig zugegen <note place="foot" n="34)">Es wird erzählt, Alexander habe zuer&#x017F;t einen Schanzkorb<lb/>
mit Erde gefüllt und herangetragen, worauf dann die Macedonier<lb/>
mit lautem Jauchzen die müh&#x017F;elige Arbeit begonnen hätten; <hi rendition="#aq">Polyaen.<lb/>
IV. 3. 3.</hi></note>; Lob und Ge&#x017F;chenke machten dem Soldaten die<lb/>
&#x017F;chwere Arbeit leicht. Die Tyrier hatten bisher ruhig zuge&#x017F;ehen;<lb/>
jetzt war der Damm der In&#x017F;el bis auf wenige hundert Schritte<lb/>
genahet; &#x017F;ie brachten deshalb auf die dem Lande zugewendete Stelle<lb/>
ihrer hohen Mauer &#x017F;o viel Ge&#x017F;chütz als möglich zu&#x017F;ammen und be-<lb/>
gannen Pfeile und Steine gegen die bloßge&#x017F;tellten Arbeiter auf<lb/>
dem Damm zu &#x017F;chleudern, während die&#x017F;e zugleich von beiden Sei-<lb/>
ten durch die Trieren der Tyrier hart mitgenommen wurden. Zwei<lb/>
Thürme, die Alexander auf dem Ende des Dammes errichten ließ,<lb/>
mit Schirmdecken und Fellen überhangen und mit Wurfge&#x017F;chütz<lb/>
ver&#x017F;ehen, &#x017F;chützten die Arbeiter vor den Ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en von der Stadt<lb/>
her und vor den Trieren; mit jedem Tage rückte der Damm,<lb/>
wenn auch wegen des tieferen Meeres lang&#x017F;amer, vor. Die&#x017F;er Ge-<lb/>
fahr zu begegnen baueten die Tyrier einen Brander in folgender<lb/>
Wei&#x017F;e. Ein Fracht&#x017F;chiff wurde mit dürrem Rei&#x017F;ig und anderen<lb/>
leicht entzündbaren Stoffen angefüllt, dann am Galeon zwei Ma&#x017F;t-<lb/>
bäume befe&#x017F;tigt und mit einer möglich&#x017F;t weiten Gallerie umgeben, um<lb/>
in der&#x017F;elben de&#x017F;to mehr Stroh und Kien aufhäufen zu können; überdies<lb/>
brachte man noch Pech und Schwefel und andere Dinge der Art<lb/>
hinein; ferner wurden an die beiden Ma&#x017F;ten doppelte Raen befe&#x017F;tigt,<lb/>
an deren Enden Ke&#x017F;&#x017F;el mit allerlei das Feuer &#x017F;chnell verbreitenden<lb/>
Brenn&#x017F;toffen hingen; endlich wurde der hintere Schiffsraum &#x017F;chwer<lb/>
geballa&#x017F;tet, um das vordere Werk möglich&#x017F;t über den Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;piegel<lb/>
empor zu heben. Bei dem näch&#x017F;ten gün&#x017F;tigen Winde ließen die<lb/>
Tyrier die&#x017F;en Brander in See gehen; einige Trieren nahmen ihn<lb/>
ins Schlepptau und brachten ihn gegen den Damm; dann warf<lb/>
die in dem Brander befindliche Mann&#x017F;chaft Feuer in den Raum<lb/>
und in die Ma&#x017F;ten, und &#x017F;chwamm zu den Trieren, die eilig&#x017F;t das<lb/>
brennende Gebäude mit aller Gewalt gegen die Spitze des Dam-<lb/>
mes trieben. Der Brander erfüllte, von einem &#x017F;tarken Nordwe&#x017F;t-<lb/>
winde begün&#x017F;tigt, vollkommen &#x017F;einen Zweck, in kurzer Zeit &#x017F;tanden<lb/>
die Thürme, die Schirmdächer, die Gerü&#x017F;te und Fa&#x017F;chinenhaufen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0199] fig zugegen 34); Lob und Geſchenke machten dem Soldaten die ſchwere Arbeit leicht. Die Tyrier hatten bisher ruhig zugeſehen; jetzt war der Damm der Inſel bis auf wenige hundert Schritte genahet; ſie brachten deshalb auf die dem Lande zugewendete Stelle ihrer hohen Mauer ſo viel Geſchütz als möglich zuſammen und be- gannen Pfeile und Steine gegen die bloßgeſtellten Arbeiter auf dem Damm zu ſchleudern, während dieſe zugleich von beiden Sei- ten durch die Trieren der Tyrier hart mitgenommen wurden. Zwei Thürme, die Alexander auf dem Ende des Dammes errichten ließ, mit Schirmdecken und Fellen überhangen und mit Wurfgeſchütz verſehen, ſchützten die Arbeiter vor den Geſchoſſen von der Stadt her und vor den Trieren; mit jedem Tage rückte der Damm, wenn auch wegen des tieferen Meeres langſamer, vor. Dieſer Ge- fahr zu begegnen baueten die Tyrier einen Brander in folgender Weiſe. Ein Frachtſchiff wurde mit dürrem Reiſig und anderen leicht entzündbaren Stoffen angefüllt, dann am Galeon zwei Maſt- bäume befeſtigt und mit einer möglichſt weiten Gallerie umgeben, um in derſelben deſto mehr Stroh und Kien aufhäufen zu können; überdies brachte man noch Pech und Schwefel und andere Dinge der Art hinein; ferner wurden an die beiden Maſten doppelte Raen befeſtigt, an deren Enden Keſſel mit allerlei das Feuer ſchnell verbreitenden Brennſtoffen hingen; endlich wurde der hintere Schiffsraum ſchwer geballaſtet, um das vordere Werk möglichſt über den Waſſerſpiegel empor zu heben. Bei dem nächſten günſtigen Winde ließen die Tyrier dieſen Brander in See gehen; einige Trieren nahmen ihn ins Schlepptau und brachten ihn gegen den Damm; dann warf die in dem Brander befindliche Mannſchaft Feuer in den Raum und in die Maſten, und ſchwamm zu den Trieren, die eiligſt das brennende Gebäude mit aller Gewalt gegen die Spitze des Dam- mes trieben. Der Brander erfüllte, von einem ſtarken Nordweſt- winde begünſtigt, vollkommen ſeinen Zweck, in kurzer Zeit ſtanden die Thürme, die Schirmdächer, die Gerüſte und Faſchinenhaufen 34) Es wird erzählt, Alexander habe zuerſt einen Schanzkorb mit Erde gefüllt und herangetragen, worauf dann die Macedonier mit lautem Jauchzen die mühſelige Arbeit begonnen hätten; Polyaen. IV. 3. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/199
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/199>, abgerufen am 21.11.2024.