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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Zeit war, alle Mittel und Kräfte anstrengten, um sich zu schützen,
waren Alexanders Ingenieure, aus der Schule des Polyidus, unter
ihnen der berühmte Deimachos, auf das Eifrigste bemühet, die Er-
findsamkeit der Phönicier zu überbieten. Jetzt, nachdem Alexander
durch seinen Damm einen festen Angriffspunkt und für seine Schiffe
einen ziemlich sicheren Ankerplatz gewonnen, nachdem er den Mee-
resgrund gereinigt und seinen Maschinen das Anlegen an den
Mauern möglich gemacht, nachdem er die Tyrische Seemacht vom
Meere verdrängt hatte, so daß ihm nichts mehr zu thun übrig
blieb, als die Mauern zu übersteigen oder zu durchbrechen, erst jetzt
wurde die mühevollste und gefährlichste Arbeit begonnen. Dem
Damme gegenüber waren die Mauern zu hoch und zu dick, um
erschüttert oder erstiegen zu werden; nicht viel mehr richteten die
Maschinen auf der Nordseite aus; die Mächtigkeit der in Gyps
gelegten Quadermassen schien jeder Gewalt zu trotzen. Mit desto
größerer Hartnäckigkeit verfolgte Alexander seinen Plan; er ließ auf
der Südseite der Stadt die Maschinen anrücken, arbeiten und nicht
eher ruhen, als bis die Mauer, bedeutend beschädigt und durchbro-
chen, zu einer Bresche zusammenstürzte. Sogleich wurden Fallbrük-
ken hineingeworfen, ein Sturm versucht; es begann der härteste
Kampf; die Tyrier schlugen die Macedonier zurück, Alexander gab
die zu kleine Bresche auf, welche bald von den Tyriern hinterbauet
wurde.

Nichts weniger als entmuthigt 38) wartete Alexander nur stille
See ab, um den Sturm zu wiederholen; drei Tage später, es war
am 20sten August 39), wurde der entscheidende Angriff gemacht.
Das Meer war ruhig, die Luft klar, der Horizont wolkenlos, Alles so,

wie
38) Diodor und Curtius versichern das Gegentheil; gerade die Ge-
nauigkeit ihrer Angaben offenbaret deren Unrichtigkeit.
39) Das
Datum ergiebt die Angabe Arrians, daß Tyrus im Monat Hekatom-
bion (22sten Juli bis 20sten August 332 incl.) erobert sei, in Verbin-
dung mit Plutarchs wunderlicher Geschichte von Aristanders Ausspruch,
nach welchem die Stadt, obgleich man schon den letzten Tag des Mo-
nats hatte, doch noch in demselben Monat erobert werden sollte;
die Ausschmückung mag autoschediastisch sein, das zum Grunde lie-
gende Datum ist es wohl nicht.

Zeit war, alle Mittel und Kräfte anſtrengten, um ſich zu ſchützen,
waren Alexanders Ingenieure, aus der Schule des Polyidus, unter
ihnen der berühmte Deimachos, auf das Eifrigſte bemühet, die Er-
findſamkeit der Phönicier zu überbieten. Jetzt, nachdem Alexander
durch ſeinen Damm einen feſten Angriffspunkt und für ſeine Schiffe
einen ziemlich ſicheren Ankerplatz gewonnen, nachdem er den Mee-
resgrund gereinigt und ſeinen Maſchinen das Anlegen an den
Mauern möglich gemacht, nachdem er die Tyriſche Seemacht vom
Meere verdrängt hatte, ſo daß ihm nichts mehr zu thun übrig
blieb, als die Mauern zu überſteigen oder zu durchbrechen, erſt jetzt
wurde die mühevollſte und gefährlichſte Arbeit begonnen. Dem
Damme gegenüber waren die Mauern zu hoch und zu dick, um
erſchüttert oder erſtiegen zu werden; nicht viel mehr richteten die
Maſchinen auf der Nordſeite aus; die Mächtigkeit der in Gyps
gelegten Quadermaſſen ſchien jeder Gewalt zu trotzen. Mit deſto
größerer Hartnäckigkeit verfolgte Alexander ſeinen Plan; er ließ auf
der Südſeite der Stadt die Maſchinen anrücken, arbeiten und nicht
eher ruhen, als bis die Mauer, bedeutend beſchädigt und durchbro-
chen, zu einer Breſche zuſammenſtürzte. Sogleich wurden Fallbrük-
ken hineingeworfen, ein Sturm verſucht; es begann der härteſte
Kampf; die Tyrier ſchlugen die Macedonier zurück, Alexander gab
die zu kleine Breſche auf, welche bald von den Tyriern hinterbauet
wurde.

Nichts weniger als entmuthigt 38) wartete Alexander nur ſtille
See ab, um den Sturm zu wiederholen; drei Tage ſpäter, es war
am 20ſten Auguſt 39), wurde der entſcheidende Angriff gemacht.
Das Meer war ruhig, die Luft klar, der Horizont wolkenlos, Alles ſo,

wie
38) Diodor und Curtius verſichern das Gegentheil; gerade die Ge-
nauigkeit ihrer Angaben offenbaret deren Unrichtigkeit.
39) Das
Datum ergiebt die Angabe Arrians, daß Tyrus im Monat Hekatom-
bion (22ſten Juli bis 20ſten Auguſt 332 incl.) erobert ſei, in Verbin-
dung mit Plutarchs wunderlicher Geſchichte von Ariſtanders Ausſpruch,
nach welchem die Stadt, obgleich man ſchon den letzten Tag des Mo-
nats hatte, doch noch in demſelben Monat erobert werden ſollte;
die Ausſchmückung mag autoſchediaſtiſch ſein, das zum Grunde lie-
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[192/0206] Zeit war, alle Mittel und Kräfte anſtrengten, um ſich zu ſchützen, waren Alexanders Ingenieure, aus der Schule des Polyidus, unter ihnen der berühmte Deimachos, auf das Eifrigſte bemühet, die Er- findſamkeit der Phönicier zu überbieten. Jetzt, nachdem Alexander durch ſeinen Damm einen feſten Angriffspunkt und für ſeine Schiffe einen ziemlich ſicheren Ankerplatz gewonnen, nachdem er den Mee- resgrund gereinigt und ſeinen Maſchinen das Anlegen an den Mauern möglich gemacht, nachdem er die Tyriſche Seemacht vom Meere verdrängt hatte, ſo daß ihm nichts mehr zu thun übrig blieb, als die Mauern zu überſteigen oder zu durchbrechen, erſt jetzt wurde die mühevollſte und gefährlichſte Arbeit begonnen. Dem Damme gegenüber waren die Mauern zu hoch und zu dick, um erſchüttert oder erſtiegen zu werden; nicht viel mehr richteten die Maſchinen auf der Nordſeite aus; die Mächtigkeit der in Gyps gelegten Quadermaſſen ſchien jeder Gewalt zu trotzen. Mit deſto größerer Hartnäckigkeit verfolgte Alexander ſeinen Plan; er ließ auf der Südſeite der Stadt die Maſchinen anrücken, arbeiten und nicht eher ruhen, als bis die Mauer, bedeutend beſchädigt und durchbro- chen, zu einer Breſche zuſammenſtürzte. Sogleich wurden Fallbrük- ken hineingeworfen, ein Sturm verſucht; es begann der härteſte Kampf; die Tyrier ſchlugen die Macedonier zurück, Alexander gab die zu kleine Breſche auf, welche bald von den Tyriern hinterbauet wurde. Nichts weniger als entmuthigt 38) wartete Alexander nur ſtille See ab, um den Sturm zu wiederholen; drei Tage ſpäter, es war am 20ſten Auguſt 39), wurde der entſcheidende Angriff gemacht. Das Meer war ruhig, die Luft klar, der Horizont wolkenlos, Alles ſo, wie 38) Diodor und Curtius verſichern das Gegentheil; gerade die Ge- nauigkeit ihrer Angaben offenbaret deren Unrichtigkeit. 39) Das Datum ergiebt die Angabe Arrians, daß Tyrus im Monat Hekatom- bion (22ſten Juli bis 20ſten Auguſt 332 incl.) erobert ſei, in Verbin- dung mit Plutarchs wunderlicher Geſchichte von Ariſtanders Ausſpruch, nach welchem die Stadt, obgleich man ſchon den letzten Tag des Mo- nats hatte, doch noch in demſelben Monat erobert werden ſollte; die Ausſchmückung mag autoſchediaſtiſch ſein, das zum Grunde lie- gende Datum iſt es wohl nicht.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/206>, abgerufen am 27.11.2024.