auf der Oase zu ruhen und dem suchenden Sohne sich kund zu ge- ben in geheimnißvoller Gestalt. Ein frommes priesterliches Geschlecht wohnte um den Tempel des Gottes, fern von der Welt, in heiliger Einsamkeit, in der Ammon Zeus, der Gott des Lebens, nahe war; sie lebten für seinen Dienst und für die Verkündigung seiner Orakel, die zu hören die Völker von nah und fern heilige Boten und Geschenke sandten. Zu dem Tempel in der Wüste beschloß der Macedonische König zu ziehen, und große Dinge den großen Gott zu fragen.
Was aber wollte er fragen? Die Macedonier mit ihm er- zählten sich wunderbare Geschichten aus früherer Zeit; damals von Wenigen geglaubt, von Vielen verlacht, von Allen gekannt, waren sie durch diesen Zug von Neuem angeregt worden; man erinnerte sich der nächtlichen Orgien, die Olympias in den Bergen der Hei- math feierte; man wußte von ihren Zauberkünsten, um deren Wil- len sie König Philipp verstoßen 7); er habe sie einst in ihrem Schlafgemach belauscht und einen Drachen in ihrem Schooß gese- hen, vertraute Männer, die er darum gen Delphi geschickt, hätten ihm des Gottes Antwort gebracht, er möge dem großen Ammon Zeus opfern und ihn vor allen Göttern ehren; man meinte, auch Herakles sei einer sterblichen Mutter Sohn gewesen; man wollte wissen, daß Olympias ihrem Sohne auf dem Wege zum Helles- pont 8) das Geheimniß seiner Geburt vertrauet. Vieles der Art besprachen die Macedonier, aber des Königes Willen wußten sie nicht; nur wenige Truppen sollten ihm folgen.
Von Alexandria brach der Zug auf und wandte sich zunächst längs der wüsten Meeresküste gen Parätonium, der ersten Ortschaft der Cyrenäer, deren Gesandten und Geschenke Alexander freundlich empfing, indem er sie als Griechen und Bundesgenossen ehrte 9). Von hier führte der Weg südwärts durch wüste Sandstrecken, über deren eintönigen Horizont kein Baum, kein Hügel hervorragt; die Luft voll Staubwolken, der Sand so lose, daß jeder Schritt unsicher war; nirgend ein Grasplatz zum Ruhen, nirgend ein Brunnen oder Quell, der den brennenden Durst hätte stillen können; -- Regen-
7)Plut. Alex. 3.
8)Itiner. Alex. 18.
9)Curt. IV. 7. 9. Diod. XVII. 49.
auf der Oaſe zu ruhen und dem ſuchenden Sohne ſich kund zu ge- ben in geheimnißvoller Geſtalt. Ein frommes prieſterliches Geſchlecht wohnte um den Tempel des Gottes, fern von der Welt, in heiliger Einſamkeit, in der Ammon Zeus, der Gott des Lebens, nahe war; ſie lebten für ſeinen Dienſt und für die Verkündigung ſeiner Orakel, die zu hören die Völker von nah und fern heilige Boten und Geſchenke ſandten. Zu dem Tempel in der Wüſte beſchloß der Macedoniſche König zu ziehen, und große Dinge den großen Gott zu fragen.
Was aber wollte er fragen? Die Macedonier mit ihm er- zählten ſich wunderbare Geſchichten aus früherer Zeit; damals von Wenigen geglaubt, von Vielen verlacht, von Allen gekannt, waren ſie durch dieſen Zug von Neuem angeregt worden; man erinnerte ſich der nächtlichen Orgien, die Olympias in den Bergen der Hei- math feierte; man wußte von ihren Zauberkünſten, um deren Wil- len ſie König Philipp verſtoßen 7); er habe ſie einſt in ihrem Schlafgemach belauſcht und einen Drachen in ihrem Schooß geſe- hen, vertraute Männer, die er darum gen Delphi geſchickt, hätten ihm des Gottes Antwort gebracht, er möge dem großen Ammon Zeus opfern und ihn vor allen Göttern ehren; man meinte, auch Herakles ſei einer ſterblichen Mutter Sohn geweſen; man wollte wiſſen, daß Olympias ihrem Sohne auf dem Wege zum Helles- pont 8) das Geheimniß ſeiner Geburt vertrauet. Vieles der Art beſprachen die Macedonier, aber des Königes Willen wußten ſie nicht; nur wenige Truppen ſollten ihm folgen.
Von Alexandria brach der Zug auf und wandte ſich zunächſt längs der wüſten Meeresküſte gen Parätonium, der erſten Ortſchaft der Cyrenäer, deren Geſandten und Geſchenke Alexander freundlich empfing, indem er ſie als Griechen und Bundesgenoſſen ehrte 9). Von hier führte der Weg ſüdwärts durch wüſte Sandſtrecken, über deren eintönigen Horizont kein Baum, kein Hügel hervorragt; die Luft voll Staubwolken, der Sand ſo loſe, daß jeder Schritt unſicher war; nirgend ein Grasplatz zum Ruhen, nirgend ein Brunnen oder Quell, der den brennenden Durſt hätte ſtillen können; — Regen-
7)Plut. Alex. 3.
8)Itiner. Alex. 18.
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auf der Oaſe zu ruhen und dem ſuchenden Sohne ſich kund zu ge-
ben in geheimnißvoller Geſtalt. Ein frommes prieſterliches Geſchlecht
wohnte um den Tempel des Gottes, fern von der Welt, in heiliger
Einſamkeit, in der Ammon Zeus, der Gott des Lebens, nahe
war; ſie lebten für ſeinen Dienſt und für die Verkündigung ſeiner
Orakel, die zu hören die Völker von nah und fern heilige Boten und
Geſchenke ſandten. Zu dem Tempel in der Wüſte beſchloß der
Macedoniſche König zu ziehen, und große Dinge den großen Gott
zu fragen.
Was aber wollte er fragen? Die Macedonier mit ihm er-
zählten ſich wunderbare Geſchichten aus früherer Zeit; damals von
Wenigen geglaubt, von Vielen verlacht, von Allen gekannt, waren
ſie durch dieſen Zug von Neuem angeregt worden; man erinnerte
ſich der nächtlichen Orgien, die Olympias in den Bergen der Hei-
math feierte; man wußte von ihren Zauberkünſten, um deren Wil-
len ſie König Philipp verſtoßen 7); er habe ſie einſt in ihrem
Schlafgemach belauſcht und einen Drachen in ihrem Schooß geſe-
hen, vertraute Männer, die er darum gen Delphi geſchickt, hätten
ihm des Gottes Antwort gebracht, er möge dem großen Ammon
Zeus opfern und ihn vor allen Göttern ehren; man meinte, auch
Herakles ſei einer ſterblichen Mutter Sohn geweſen; man wollte
wiſſen, daß Olympias ihrem Sohne auf dem Wege zum Helles-
pont 8) das Geheimniß ſeiner Geburt vertrauet. Vieles der Art
beſprachen die Macedonier, aber des Königes Willen wußten ſie
nicht; nur wenige Truppen ſollten ihm folgen.
Von Alexandria brach der Zug auf und wandte ſich zunächſt
längs der wüſten Meeresküſte gen Parätonium, der erſten Ortſchaft
der Cyrenäer, deren Geſandten und Geſchenke Alexander freundlich
empfing, indem er ſie als Griechen und Bundesgenoſſen ehrte 9).
Von hier führte der Weg ſüdwärts durch wüſte Sandſtrecken, über
deren eintönigen Horizont kein Baum, kein Hügel hervorragt; die
Luft voll Staubwolken, der Sand ſo loſe, daß jeder Schritt unſicher
war; nirgend ein Grasplatz zum Ruhen, nirgend ein Brunnen oder
Quell, der den brennenden Durſt hätte ſtillen können; — Regen-
7) Plut. Alex. 3.
8) Itiner. Alex. 18.
9) Curt. IV. 7. 9.
Diod. XVII. 49.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/227>, abgerufen am 27.11.2024.
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