Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

gesanbruch erreichte er die Dorfschaften derselben, die meisten der
Bewohner wurden in ihren Betten ermordet, die Häuser geplün-
dert und den Flammen Preis gegeben; dann eilte das Heer zu
den Engpässen, wohin sich die Uxier von allen Seiten versammelt
hatten, um die Pässe zu sperren. Alexander sandte Kraterus mit
einem Theile des Heeres auf die Höhen hinter dem von den
Uxiern besetzten Paßwege, während er selbst gegen den Paß mit
größter Eile vorrückte, so daß die Barbaren, umgangen, durch die
Schnelligkeit des Feindes erschreckt, aller Vortheile, die der Eng-
paß gewähren konnte, beraubt, sich sofort, als Alexander in geschlos-
senen Reihen anrückte, fliehend zurückzogen; viele stürzten in die
Abgründe, viele wurden von den verfolgenden Macedoniern, noch
mehr von Kraterus Truppen auf der Höhe, nach der sie sich retten
wollten, erschlagen. Alexander war anfangs Willens den ganzen
Stamm der Berguxier aus diesen Gegenden zu versetzen; Sisy-
gambis, die Königin Mutter, legte Fürbitte für sie ein; man sagt,
Madates, ihrer Nichte Gemahl, sei ihr Anführer gewesen. Alexan-
der ließ auf der Königin Bitten diesen Hirtenstämmen ihr Bergland,
er legte ihnen einen jährlichen Tribut von tausend Pferden, fünf-
hundert Haupt Zugvieh, dreißigtausend Schaafen auf; Geld und
Gewerbe hatten sie nicht 47).

So war der Eingang in die Gebirge geöffnet; und während
Parmenion mit der einen Hälfte des Heeres, namentlich den Schwer-
gewaffneten und dem Train, auf der großen Heerstraße weiter zog,
eilte Alexander selbst an der Spitze der Getreuen zu Fuß und
zu Roß, der Agrianer, Schützen und Plänkerer auf dem nächsten,
aber beschwerlichen Gebirgswege, die Persischen Pässe zu erreichen;
Eilmärsche brachten ihn am fünften Tage an den Eingang dersel-
ben, den er durch mächtige Mauern gesperrt fand; der Satrap Ario-
barzanes, so hieß es, stehe mit vierzigtausend Mann Fußvolk und
siebenhundert Reutern hinter der Mauer in einem festen Lager,
entschlossen den Eingang um jeden Preis zu wehren. Alexander

47) Arrian. III. 17. Curt. V. 3. 16. sagt, daß sie unter den
Susischen Satrapen gestellt worden. Nach Arrian. Ind. 40 suchte der
König diese Hirtenvölker zum Ackerbau zu gewöhnen und bauete ih-
nen Städte in den Bergen.
16 *

gesanbruch erreichte er die Dorfſchaften derſelben, die meiſten der
Bewohner wurden in ihren Betten ermordet, die Häuſer geplün-
dert und den Flammen Preis gegeben; dann eilte das Heer zu
den Engpäſſen, wohin ſich die Uxier von allen Seiten verſammelt
hatten, um die Päſſe zu ſperren. Alexander ſandte Kraterus mit
einem Theile des Heeres auf die Höhen hinter dem von den
Uxiern beſetzten Paßwege, während er ſelbſt gegen den Paß mit
größter Eile vorrückte, ſo daß die Barbaren, umgangen, durch die
Schnelligkeit des Feindes erſchreckt, aller Vortheile, die der Eng-
paß gewähren konnte, beraubt, ſich ſofort, als Alexander in geſchloſ-
ſenen Reihen anrückte, fliehend zurückzogen; viele ſtürzten in die
Abgründe, viele wurden von den verfolgenden Macedoniern, noch
mehr von Kraterus Truppen auf der Höhe, nach der ſie ſich retten
wollten, erſchlagen. Alexander war anfangs Willens den ganzen
Stamm der Berguxier aus dieſen Gegenden zu verſetzen; Siſy-
gambis, die Königin Mutter, legte Fürbitte für ſie ein; man ſagt,
Madates, ihrer Nichte Gemahl, ſei ihr Anführer geweſen. Alexan-
der ließ auf der Königin Bitten dieſen Hirtenſtämmen ihr Bergland,
er legte ihnen einen jährlichen Tribut von tauſend Pferden, fünf-
hundert Haupt Zugvieh, dreißigtauſend Schaafen auf; Geld und
Gewerbe hatten ſie nicht 47).

So war der Eingang in die Gebirge geöffnet; und während
Parmenion mit der einen Hälfte des Heeres, namentlich den Schwer-
gewaffneten und dem Train, auf der großen Heerſtraße weiter zog,
eilte Alexander ſelbſt an der Spitze der Getreuen zu Fuß und
zu Roß, der Agrianer, Schützen und Plänkerer auf dem nächſten,
aber beſchwerlichen Gebirgswege, die Perſiſchen Päſſe zu erreichen;
Eilmärſche brachten ihn am fünften Tage an den Eingang derſel-
ben, den er durch mächtige Mauern geſperrt fand; der Satrap Ario-
barzanes, ſo hieß es, ſtehe mit vierzigtauſend Mann Fußvolk und
ſiebenhundert Reutern hinter der Mauer in einem feſten Lager,
entſchloſſen den Eingang um jeden Preis zu wehren. Alexander

47) Arrian. III. 17. Curt. V. 3. 16. ſagt, daß ſie unter den
Suſiſchen Satrapen geſtellt worden. Nach Arrian. Ind. 40 ſuchte der
König dieſe Hirtenvölker zum Ackerbau zu gewöhnen und bauete ih-
nen Städte in den Bergen.
16 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0257" n="243"/>
gesanbruch erreichte er die Dorf&#x017F;chaften der&#x017F;elben, die mei&#x017F;ten der<lb/>
Bewohner wurden in ihren Betten ermordet, die Häu&#x017F;er geplün-<lb/>
dert und den Flammen Preis gegeben; dann eilte das Heer zu<lb/>
den Engpä&#x017F;&#x017F;en, wohin &#x017F;ich die Uxier von allen Seiten ver&#x017F;ammelt<lb/>
hatten, um die Pä&#x017F;&#x017F;e zu &#x017F;perren. Alexander &#x017F;andte Kraterus mit<lb/>
einem Theile des Heeres auf die Höhen hinter dem von den<lb/>
Uxiern be&#x017F;etzten Paßwege, während er &#x017F;elb&#x017F;t gegen den Paß mit<lb/>
größter Eile vorrückte, &#x017F;o daß die Barbaren, umgangen, durch die<lb/>
Schnelligkeit des Feindes er&#x017F;chreckt, aller Vortheile, die der Eng-<lb/>
paß gewähren konnte, beraubt, &#x017F;ich &#x017F;ofort, als Alexander in ge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enen Reihen anrückte, fliehend zurückzogen; viele &#x017F;türzten in die<lb/>
Abgründe, viele wurden von den verfolgenden Macedoniern, noch<lb/>
mehr von Kraterus Truppen auf der Höhe, nach der &#x017F;ie &#x017F;ich retten<lb/>
wollten, er&#x017F;chlagen. Alexander war anfangs Willens den ganzen<lb/>
Stamm der Berguxier aus die&#x017F;en Gegenden zu ver&#x017F;etzen; Si&#x017F;y-<lb/>
gambis, die Königin Mutter, legte Fürbitte für &#x017F;ie ein; man &#x017F;agt,<lb/>
Madates, ihrer Nichte Gemahl, &#x017F;ei ihr Anführer gewe&#x017F;en. Alexan-<lb/>
der ließ auf der Königin Bitten die&#x017F;en Hirten&#x017F;tämmen ihr Bergland,<lb/>
er legte ihnen einen jährlichen Tribut von tau&#x017F;end Pferden, fünf-<lb/>
hundert Haupt Zugvieh, dreißigtau&#x017F;end Schaafen auf; Geld und<lb/>
Gewerbe hatten &#x017F;ie nicht <note place="foot" n="47)"><hi rendition="#aq">Arrian. III. 17. Curt. V.</hi> 3. 16. &#x017F;agt, daß &#x017F;ie unter den<lb/>
Su&#x017F;i&#x017F;chen Satrapen ge&#x017F;tellt worden. Nach <hi rendition="#aq">Arrian. Ind.</hi> 40 &#x017F;uchte der<lb/>
König die&#x017F;e Hirtenvölker zum Ackerbau zu gewöhnen und bauete ih-<lb/>
nen Städte in den Bergen.</note>.</p><lb/>
          <p>So war der Eingang in die Gebirge geöffnet; und während<lb/>
Parmenion mit der einen Hälfte des Heeres, namentlich den Schwer-<lb/>
gewaffneten und dem Train, auf der großen Heer&#x017F;traße weiter zog,<lb/>
eilte Alexander &#x017F;elb&#x017F;t an der Spitze der Getreuen zu Fuß und<lb/>
zu Roß, der Agrianer, Schützen und Plänkerer auf dem näch&#x017F;ten,<lb/>
aber be&#x017F;chwerlichen Gebirgswege, die Per&#x017F;i&#x017F;chen Pä&#x017F;&#x017F;e zu erreichen;<lb/>
Eilmär&#x017F;che brachten ihn am fünften Tage an den Eingang der&#x017F;el-<lb/>
ben, den er durch mächtige Mauern ge&#x017F;perrt fand; der Satrap Ario-<lb/>
barzanes, &#x017F;o hieß es, &#x017F;tehe mit vierzigtau&#x017F;end Mann Fußvolk und<lb/>
&#x017F;iebenhundert Reutern hinter der Mauer in einem fe&#x017F;ten Lager,<lb/>
ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en den Eingang um jeden Preis zu wehren. Alexander<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">16 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0257] gesanbruch erreichte er die Dorfſchaften derſelben, die meiſten der Bewohner wurden in ihren Betten ermordet, die Häuſer geplün- dert und den Flammen Preis gegeben; dann eilte das Heer zu den Engpäſſen, wohin ſich die Uxier von allen Seiten verſammelt hatten, um die Päſſe zu ſperren. Alexander ſandte Kraterus mit einem Theile des Heeres auf die Höhen hinter dem von den Uxiern beſetzten Paßwege, während er ſelbſt gegen den Paß mit größter Eile vorrückte, ſo daß die Barbaren, umgangen, durch die Schnelligkeit des Feindes erſchreckt, aller Vortheile, die der Eng- paß gewähren konnte, beraubt, ſich ſofort, als Alexander in geſchloſ- ſenen Reihen anrückte, fliehend zurückzogen; viele ſtürzten in die Abgründe, viele wurden von den verfolgenden Macedoniern, noch mehr von Kraterus Truppen auf der Höhe, nach der ſie ſich retten wollten, erſchlagen. Alexander war anfangs Willens den ganzen Stamm der Berguxier aus dieſen Gegenden zu verſetzen; Siſy- gambis, die Königin Mutter, legte Fürbitte für ſie ein; man ſagt, Madates, ihrer Nichte Gemahl, ſei ihr Anführer geweſen. Alexan- der ließ auf der Königin Bitten dieſen Hirtenſtämmen ihr Bergland, er legte ihnen einen jährlichen Tribut von tauſend Pferden, fünf- hundert Haupt Zugvieh, dreißigtauſend Schaafen auf; Geld und Gewerbe hatten ſie nicht 47). So war der Eingang in die Gebirge geöffnet; und während Parmenion mit der einen Hälfte des Heeres, namentlich den Schwer- gewaffneten und dem Train, auf der großen Heerſtraße weiter zog, eilte Alexander ſelbſt an der Spitze der Getreuen zu Fuß und zu Roß, der Agrianer, Schützen und Plänkerer auf dem nächſten, aber beſchwerlichen Gebirgswege, die Perſiſchen Päſſe zu erreichen; Eilmärſche brachten ihn am fünften Tage an den Eingang derſel- ben, den er durch mächtige Mauern geſperrt fand; der Satrap Ario- barzanes, ſo hieß es, ſtehe mit vierzigtauſend Mann Fußvolk und ſiebenhundert Reutern hinter der Mauer in einem feſten Lager, entſchloſſen den Eingang um jeden Preis zu wehren. Alexander 47) Arrian. III. 17. Curt. V. 3. 16. ſagt, daß ſie unter den Suſiſchen Satrapen geſtellt worden. Nach Arrian. Ind. 40 ſuchte der König dieſe Hirtenvölker zum Ackerbau zu gewöhnen und bauete ih- nen Städte in den Bergen. 16 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/257
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/257>, abgerufen am 22.11.2024.