Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].sepolis nieder, zwischen Persern und Hellenen der letzte feindliche Fortan war kein Haß und keine Rache mehr gegen die Ueber- Talente, aber auf Kosten der Geschichte Geschichten gemacht hat, ist für diese Winterrast in Persepolis überschwenglich reich an geist- reichen Zügen. Seine Plünderung von Persepolis, jene Griechen, die vergreis't, verstümmelt, gebrandmarkt, voll Schaam und Verzweif- lung dem Könige entgegen treten, endlich jene Athenische Tänzerin Thais, die in der Begeisterung des Tanzes einen Feuerbrand vom Altare reißt und in den Pallast wirft, deren Beispiel trunken und in wilder Siegeslust Alexander und seine Getreuen folgen, das alles sind Mährchen (cf. Plut. cp. 38. oi dapo gnomes tauta geneskhai phasin), die, aus derselben Quelle geschöpft, von einer Reihe spät- geborener Schriftsteller so oft und mit solcher Zuversicht wiederholt werden, daß sie mit der Zeit zu historischer Gewißheit geworden sind. Wer weiß, wie einst der Brand des Kremls und die gebrandmarkten Reste des Polnischen Adels in den Bergwerken Sibiriens späteren Geschlechtern erscheinen werden? -- Cf. Ker Porter I. p. 647. -- 53) Schon im Alterthume haben Parmenions verständige Reden
mehr Beifall gefunden, als die rasche That Alexanders, die sie hin- dern sollten; man hat hinzugefügt, daß solches Wüthen gegen den todten Stein, gegen Kunstdenkmale, gegen Erobertes zugleich kindisch, barbarisch und beklagenswerth sei; und in der That scheinen diejeni- gen mit Recht so zu sprechen, welche in dem Charakter eines Helden nichts als ihre eigenen Tugenden, Bestrebungen und Maximen in er- höheter Potenz zu finden hoffen. Indeß haben große Männer das Recht, nach ihrem Maaße gemessen zu werden, und in dem, was man ihre Fehler nennt, liegt ein tieferer Sinn als in der ganzen Moral, gegen die sie zu verstoßen den Muth haben. Träger der Gedanken ihrer Zeit und ihres Volkes, handeln sie mit jener dunklen Leiden- schaft, die, eben so weit als ihr Beruf über den Horizont der Alltäg- lichkeit hinaus, sie in die einsame Region der geschichtlichen Größe trägt, die nur der Blick der Bewunderung zu erreichen vermag. Mag darum der Brand von Persepolis denen ein Aergerniß sein, die in einem Tugendhelden das Ideal menschlicher Herrlichkeit sehen; in dem Heldenleben Alexanders ist dennoch dieser Tag von Persepolis die Sonnenhöhe und das Fest der lautersten Freude. ſepolis nieder, zwiſchen Perſern und Hellenen der letzte feindliche Fortan war kein Haß und keine Rache mehr gegen die Ueber- Talente, aber auf Koſten der Geſchichte Geſchichten gemacht hat, iſt für dieſe Winterraſt in Perſepolis überſchwenglich reich an geiſt- reichen Zügen. Seine Plünderung von Perſepolis, jene Griechen, die vergreiſ’t, verſtümmelt, gebrandmarkt, voll Schaam und Verzweif- lung dem Könige entgegen treten, endlich jene Atheniſche Tänzerin Thais, die in der Begeiſterung des Tanzes einen Feuerbrand vom Altare reißt und in den Pallaſt wirft, deren Beiſpiel trunken und in wilder Siegesluſt Alexander und ſeine Getreuen folgen, das alles ſind Mährchen (cf. Plut. cp. 38. οἱ δ̕ἀπὸ γνώμης ταῦτα γενέσϧαι φασίν), die, aus derſelben Quelle geſchöpft, von einer Reihe ſpät- geborener Schriftſteller ſo oft und mit ſolcher Zuverſicht wiederholt werden, daß ſie mit der Zeit zu hiſtoriſcher Gewißheit geworden ſind. Wer weiß, wie einſt der Brand des Kremls und die gebrandmarkten Reſte des Polniſchen Adels in den Bergwerken Sibiriens ſpäteren Geſchlechtern erſcheinen werden? — Cf. Ker Porter I. p. 647. — 53) Schon im Alterthume haben Parmenions verſtändige Reden
mehr Beifall gefunden, als die raſche That Alexanders, die ſie hin- dern ſollten; man hat hinzugefügt, daß ſolches Wüthen gegen den todten Stein, gegen Kunſtdenkmale, gegen Erobertes zugleich kindiſch, barbariſch und beklagenswerth ſei; und in der That ſcheinen diejeni- gen mit Recht ſo zu ſprechen, welche in dem Charakter eines Helden nichts als ihre eigenen Tugenden, Beſtrebungen und Maximen in er- höheter Potenz zu finden hoffen. Indeß haben große Männer das Recht, nach ihrem Maaße gemeſſen zu werden, und in dem, was man ihre Fehler nennt, liegt ein tieferer Sinn als in der ganzen Moral, gegen die ſie zu verſtoßen den Muth haben. Träger der Gedanken ihrer Zeit und ihres Volkes, handeln ſie mit jener dunklen Leiden- ſchaft, die, eben ſo weit als ihr Beruf über den Horizont der Alltäg- lichkeit hinaus, ſie in die einſame Region der geſchichtlichen Größe trägt, die nur der Blick der Bewunderung zu erreichen vermag. Mag darum der Brand von Perſepolis denen ein Aergerniß ſein, die in einem Tugendhelden das Ideal menſchlicher Herrlichkeit ſehen; in dem Heldenleben Alexanders iſt dennoch dieſer Tag von Perſepolis die Sonnenhöhe und das Feſt der lauterſten Freude. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="248"/> ſepolis nieder, zwiſchen Perſern und Hellenen der letzte feindliche<lb/> Akt, das letzte Opfer einer alten Blutrache <note place="foot" n="53)">Schon im Alterthume haben Parmenions verſtändige Reden<lb/> mehr Beifall gefunden, als die raſche That Alexanders, die ſie hin-<lb/> dern ſollten; man hat hinzugefügt, daß ſolches Wüthen gegen den<lb/> todten Stein, gegen Kunſtdenkmale, gegen Erobertes zugleich kindiſch,<lb/> barbariſch und beklagenswerth ſei; und in der That ſcheinen diejeni-<lb/> gen mit Recht ſo zu ſprechen, welche in dem Charakter eines Helden<lb/> nichts als ihre eigenen Tugenden, Beſtrebungen und Maximen in er-<lb/> höheter Potenz zu finden hoffen. Indeß haben große Männer das<lb/> Recht, nach ihrem Maaße gemeſſen zu werden, und in dem, was man<lb/> ihre Fehler nennt, liegt ein tieferer Sinn als in der ganzen Moral,<lb/> gegen die ſie zu verſtoßen den Muth haben. Träger der Gedanken<lb/> ihrer Zeit und ihres Volkes, handeln ſie mit jener dunklen Leiden-<lb/> ſchaft, die, eben ſo weit als ihr Beruf über den Horizont der Alltäg-<lb/> lichkeit hinaus, ſie in die einſame Region der geſchichtlichen Größe<lb/> trägt, die nur der Blick der Bewunderung zu erreichen vermag.<lb/> Mag darum der Brand von Perſepolis denen ein Aergerniß ſein, die<lb/> in einem Tugendhelden das Ideal menſchlicher Herrlichkeit ſehen; in<lb/> dem Heldenleben Alexanders iſt dennoch dieſer Tag von Perſepolis<lb/> die Sonnenhöhe und das Feſt der lauterſten Freude.</note>.</p><lb/> <p>Fortan war kein Haß und keine Rache mehr gegen die Ueber-<lb/> bleibſel des geſtürzten Perſerthums; und als Alexander feierlichſt<lb/> den Thron der Perſiſchen Könige, als deren Nachfolger in der<lb/> Herrſchaft Aſiens er gelten wollte, beſtiegen, und unter goldenem<lb/><note xml:id="note-0262" prev="#note-0261" place="foot" n="52)">Talente, aber auf Koſten der Geſchichte Geſchichten gemacht hat, iſt<lb/> für dieſe Winterraſt in Perſepolis überſchwenglich reich an geiſt-<lb/> reichen Zügen. Seine Plünderung von Perſepolis, jene Griechen, die<lb/> vergreiſ’t, verſtümmelt, gebrandmarkt, voll Schaam und Verzweif-<lb/> lung dem Könige entgegen treten, endlich jene Atheniſche Tänzerin<lb/> Thais, die in der Begeiſterung des Tanzes einen Feuerbrand vom<lb/> Altare reißt und in den Pallaſt wirft, deren Beiſpiel trunken und<lb/> in wilder Siegesluſt Alexander und ſeine Getreuen folgen, das alles<lb/> ſind Mährchen (<hi rendition="#aq">cf. Plut. cp.</hi> 38. οἱ δ̕ἀπὸ γνώμης ταῦτα γενέσϧαι<lb/> φασίν), die, aus derſelben Quelle geſchöpft, von einer Reihe ſpät-<lb/> geborener Schriftſteller ſo oft und mit ſolcher Zuverſicht wiederholt<lb/> werden, daß ſie mit der Zeit zu hiſtoriſcher Gewißheit geworden ſind.<lb/> Wer weiß, wie einſt der Brand des Kremls und die gebrandmarkten<lb/> Reſte des Polniſchen Adels in den Bergwerken Sibiriens ſpäteren<lb/> Geſchlechtern erſcheinen werden? — <hi rendition="#aq">Cf. Ker Porter I. p.</hi> 647. —</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0262]
ſepolis nieder, zwiſchen Perſern und Hellenen der letzte feindliche
Akt, das letzte Opfer einer alten Blutrache 53).
Fortan war kein Haß und keine Rache mehr gegen die Ueber-
bleibſel des geſtürzten Perſerthums; und als Alexander feierlichſt
den Thron der Perſiſchen Könige, als deren Nachfolger in der
Herrſchaft Aſiens er gelten wollte, beſtiegen, und unter goldenem
52)
53) Schon im Alterthume haben Parmenions verſtändige Reden
mehr Beifall gefunden, als die raſche That Alexanders, die ſie hin-
dern ſollten; man hat hinzugefügt, daß ſolches Wüthen gegen den
todten Stein, gegen Kunſtdenkmale, gegen Erobertes zugleich kindiſch,
barbariſch und beklagenswerth ſei; und in der That ſcheinen diejeni-
gen mit Recht ſo zu ſprechen, welche in dem Charakter eines Helden
nichts als ihre eigenen Tugenden, Beſtrebungen und Maximen in er-
höheter Potenz zu finden hoffen. Indeß haben große Männer das
Recht, nach ihrem Maaße gemeſſen zu werden, und in dem, was man
ihre Fehler nennt, liegt ein tieferer Sinn als in der ganzen Moral,
gegen die ſie zu verſtoßen den Muth haben. Träger der Gedanken
ihrer Zeit und ihres Volkes, handeln ſie mit jener dunklen Leiden-
ſchaft, die, eben ſo weit als ihr Beruf über den Horizont der Alltäg-
lichkeit hinaus, ſie in die einſame Region der geſchichtlichen Größe
trägt, die nur der Blick der Bewunderung zu erreichen vermag.
Mag darum der Brand von Perſepolis denen ein Aergerniß ſein, die
in einem Tugendhelden das Ideal menſchlicher Herrlichkeit ſehen; in
dem Heldenleben Alexanders iſt dennoch dieſer Tag von Perſepolis
die Sonnenhöhe und das Feſt der lauterſten Freude.
52) Talente, aber auf Koſten der Geſchichte Geſchichten gemacht hat, iſt
für dieſe Winterraſt in Perſepolis überſchwenglich reich an geiſt-
reichen Zügen. Seine Plünderung von Perſepolis, jene Griechen, die
vergreiſ’t, verſtümmelt, gebrandmarkt, voll Schaam und Verzweif-
lung dem Könige entgegen treten, endlich jene Atheniſche Tänzerin
Thais, die in der Begeiſterung des Tanzes einen Feuerbrand vom
Altare reißt und in den Pallaſt wirft, deren Beiſpiel trunken und
in wilder Siegesluſt Alexander und ſeine Getreuen folgen, das alles
ſind Mährchen (cf. Plut. cp. 38. οἱ δ̕ἀπὸ γνώμης ταῦτα γενέσϧαι
φασίν), die, aus derſelben Quelle geſchöpft, von einer Reihe ſpät-
geborener Schriftſteller ſo oft und mit ſolcher Zuverſicht wiederholt
werden, daß ſie mit der Zeit zu hiſtoriſcher Gewißheit geworden ſind.
Wer weiß, wie einſt der Brand des Kremls und die gebrandmarkten
Reſte des Polniſchen Adels in den Bergwerken Sibiriens ſpäteren
Geſchlechtern erſcheinen werden? — Cf. Ker Porter I. p. 647. —
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