sein mochte, so mußte er des Beispiels und der allgemeinen Stim- mung im Heere wegen eine Krisis herbeiwünschen, die ihm die Fac- tion offen gegenüberstellen und sie niederzutreten Gelegenheit geben konnte.
Alexander rastete im Herbste des Jahres 330 mit seinem Heere in der Hauptstadt des Drangianerlandes; Kraterus war von dem Baktrischen Wege her wieder zu ihm gestoßen; auch Könus, Per- dikkas und Amyntas mit ihren Phalangen, auch die Macedonische Ritterschaft des Philotas und die Chiliarchien der Hypaspisten wa- ren um ihn; ihr Führer Nikanor, Philotas Bruder, war vor Kur- zem gestorben, dem Könige ein schmerzlicher Verlust; durch den Bruder hatte er ihn feierlich bestatten lassen. Ihr Vater Parme- nion stand mit den meisten der übrigen Truppen im fernen Medien, die Straße nach der Heimath und die reichen Schätze des Perser- reiches zu hüten; im nächsten Frühling sollte er wieder zu der großen Armee stoßen. In dem Gefolge des Königs befand sich der Macedonier Dimnus aus Chaläsira; nicht eben vom höchsten Range, war er doch von Alexander stets mit Auszeichnung behandelt worden, -- und Niemand mochte ahnen, daß gerade er auf eignen oder fremden Antrieb des Königs Leben gefährde. Er vertraute seinem Liebling Nikomachus, einem Jüngling aus der Edelschaar des Königs: daß er von Alexander an seiner Ehre gekränkt und entschlossen sei, sich zu rächen; vornehme Personen seien mit ihm einverstanden, allge- mein werde eine Aenderung der Dinge gewünscht; Alexander, Allen verhaßt und im Wege, müsse aus dem Wege geräumt werden; in dreien Tagen werde er todt sein. Der Jüngling, für Alexanders Leben besorgt, aber zu scheu, so Großes vor der Majestät sei- nes Königs zu enthüllen, theilt den verruchten Plan seinem älteren Bruder Cebalinus mit, und beschwört ihn, mit der Anzeige zu eilen. Der Bruder eilt zum Schlosse; um alles Aufsehen zu meiden, war- tet er im Eingang, bis einer der Generale herauskömmt, dem er die Gefahr entdecken kann. Philotas ist der erste, den er findet; ihm sagt er, was er erfahren, er macht ihn verantwortlich für die schleunige Meldung und für das Leben des Königs. Philotas kehrt zum Könige zurück, er spricht mit ihm von gleichgültigen Dingen, nicht von der nahen Gefahr; auf die Fragen Cebalins, der ihn am Abend aussucht, antwortet er, es habe sich nicht machen wollen,
ſein mochte, ſo mußte er des Beiſpiels und der allgemeinen Stim- mung im Heere wegen eine Kriſis herbeiwünſchen, die ihm die Fac- tion offen gegenüberſtellen und ſie niederzutreten Gelegenheit geben konnte.
Alexander raſtete im Herbſte des Jahres 330 mit ſeinem Heere in der Hauptſtadt des Drangianerlandes; Kraterus war von dem Baktriſchen Wege her wieder zu ihm geſtoßen; auch Könus, Per- dikkas und Amyntas mit ihren Phalangen, auch die Macedoniſche Ritterſchaft des Philotas und die Chiliarchien der Hypaspiſten wa- ren um ihn; ihr Führer Nikanor, Philotas Bruder, war vor Kur- zem geſtorben, dem Könige ein ſchmerzlicher Verluſt; durch den Bruder hatte er ihn feierlich beſtatten laſſen. Ihr Vater Parme- nion ſtand mit den meiſten der übrigen Truppen im fernen Medien, die Straße nach der Heimath und die reichen Schätze des Perſer- reiches zu hüten; im nächſten Frühling ſollte er wieder zu der großen Armee ſtoßen. In dem Gefolge des Königs befand ſich der Macedonier Dimnus aus Chaläſira; nicht eben vom höchſten Range, war er doch von Alexander ſtets mit Auszeichnung behandelt worden, — und Niemand mochte ahnen, daß gerade er auf eignen oder fremden Antrieb des Königs Leben gefährde. Er vertraute ſeinem Liebling Nikomachus, einem Jüngling aus der Edelſchaar des Königs: daß er von Alexander an ſeiner Ehre gekränkt und entſchloſſen ſei, ſich zu rächen; vornehme Perſonen ſeien mit ihm einverſtanden, allge- mein werde eine Aenderung der Dinge gewünſcht; Alexander, Allen verhaßt und im Wege, müſſe aus dem Wege geräumt werden; in dreien Tagen werde er todt ſein. Der Jüngling, für Alexanders Leben beſorgt, aber zu ſcheu, ſo Großes vor der Majeſtät ſei- nes Königs zu enthüllen, theilt den verruchten Plan ſeinem älteren Bruder Cebalinus mit, und beſchwört ihn, mit der Anzeige zu eilen. Der Bruder eilt zum Schloſſe; um alles Aufſehen zu meiden, war- tet er im Eingang, bis einer der Generale herauskömmt, dem er die Gefahr entdecken kann. Philotas iſt der erſte, den er findet; ihm ſagt er, was er erfahren, er macht ihn verantwortlich für die ſchleunige Meldung und für das Leben des Königs. Philotas kehrt zum Könige zurück, er ſpricht mit ihm von gleichgültigen Dingen, nicht von der nahen Gefahr; auf die Fragen Cebalins, der ihn am Abend auſſucht, antwortet er, es habe ſich nicht machen wollen,
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ſein mochte, ſo mußte er des Beiſpiels und der allgemeinen Stim-
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konnte.
Alexander raſtete im Herbſte des Jahres 330 mit ſeinem Heere
in der Hauptſtadt des Drangianerlandes; Kraterus war von dem
Baktriſchen Wege her wieder zu ihm geſtoßen; auch Könus, Per-
dikkas und Amyntas mit ihren Phalangen, auch die Macedoniſche
Ritterſchaft des Philotas und die Chiliarchien der Hypaspiſten wa-
ren um ihn; ihr Führer Nikanor, Philotas Bruder, war vor Kur-
zem geſtorben, dem Könige ein ſchmerzlicher Verluſt; durch den
Bruder hatte er ihn feierlich beſtatten laſſen. Ihr Vater Parme-
nion ſtand mit den meiſten der übrigen Truppen im fernen Medien,
die Straße nach der Heimath und die reichen Schätze des Perſer-
reiches zu hüten; im nächſten Frühling ſollte er wieder zu der
großen Armee ſtoßen. In dem Gefolge des Königs befand ſich der
Macedonier Dimnus aus Chaläſira; nicht eben vom höchſten Range,
war er doch von Alexander ſtets mit Auszeichnung behandelt worden, —
und Niemand mochte ahnen, daß gerade er auf eignen oder fremden
Antrieb des Königs Leben gefährde. Er vertraute ſeinem Liebling
Nikomachus, einem Jüngling aus der Edelſchaar des Königs: daß
er von Alexander an ſeiner Ehre gekränkt und entſchloſſen ſei, ſich
zu rächen; vornehme Perſonen ſeien mit ihm einverſtanden, allge-
mein werde eine Aenderung der Dinge gewünſcht; Alexander, Allen
verhaßt und im Wege, müſſe aus dem Wege geräumt werden; in
dreien Tagen werde er todt ſein. Der Jüngling, für Alexanders
Leben beſorgt, aber zu ſcheu, ſo Großes vor der Majeſtät ſei-
nes Königs zu enthüllen, theilt den verruchten Plan ſeinem älteren
Bruder Cebalinus mit, und beſchwört ihn, mit der Anzeige zu eilen.
Der Bruder eilt zum Schloſſe; um alles Aufſehen zu meiden, war-
tet er im Eingang, bis einer der Generale herauskömmt, dem er
die Gefahr entdecken kann. Philotas iſt der erſte, den er findet;
ihm ſagt er, was er erfahren, er macht ihn verantwortlich für die
ſchleunige Meldung und für das Leben des Königs. Philotas kehrt
zum Könige zurück, er ſpricht mit ihm von gleichgültigen Dingen,
nicht von der nahen Gefahr; auf die Fragen Cebalins, der ihn
am Abend auſſucht, antwortet er, es habe ſich nicht machen wollen,
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/306>, abgerufen am 23.11.2024.
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