sein sollte, vereint werden. Die Spartaner der Thermopylen hat- ten für die Freiheit zu sterben, die Athener bei Salamis und am Eurymedon für sie zu siegen gewußt; aber das Reich der Knecht- schaft vernichten konnte nicht Athen noch Sparta, sondern nur ein König Macedoniens an der Spitze des freien Griechenlandes.
Wenn in dieser Weise auf der Europäischen Seite alles zum letzten, entscheidenden Kampfe bereit war, so hatte in entsprechender Weise das große Reich der Perser alle Stadien der Entwickelung und der Auflösung durchgemacht, um jetzt, zum Untergange reif, vor den siegreichen Schaaren Griechenlands zu fallen.
Das Perserreich hatte zur Aufgabe, die durch natürliche Bestimmungen geschiedenen Völker Asiens zu einer Gesammtheit zu vereinen; die Berechtigung dazu lag in der höheren ethischen Kraft, mit der die Perser den anderen Völkern gegenüber auftraten; reli- giöse Sagen haben die Erinnerung daran auf unzweideutige Weise aufbewahrt; Dsjemschid und Gustasp, die Hom- und Zerdutsch- Religion bezeichnen die Epochen dieses Fortschrittes.
Denn die Hochebene Irans durchschwärmten vom Indus bis zum Kaspischen Meere nomadische Horden; da erschien der Ver- künder des alten Gesetzes, der Schutzgeist der Menschen, Hom, und verkündete seine Lehre dem Vater Dsjemschids, und die Menschen begannen sich anzusiedeln und den Acker zu bebauen; und als Dsjemschid König wurde, ordnete er das Leben seiner Völker und die Stände seines Reiches; unter dem Glanze seiner Herrschaft starben die Thiere nicht, an Wasser und Früchten war kein Man- gel, es war nicht Frost noch Hitze, nicht Tod noch Leidenschaft. Und er sprach: "Verstand ist durch mich, gleich mir ist noch keiner gekrönt, die Erde ist geworden wie ich verlangt, Speise und Schlaf und Freude haben die Menschen durch mich, die Gewalt ist bei mir und den Tod habe ich von der Erde genommen, drum müssen sie mich den Weltschöpfer nennen." Da wich der Glanz Gottes von ihm, und es begann eine Zeit wilden Aufruhrs, aus der end- lich siegend der Held Feridun hervorging.
Nach diesen Kämpfen und durch sie gekräftigt und erstarkt, war das Volk von Iran reif zu der neuen Lehre und zu dem
2
ſein ſollte, vereint werden. Die Spartaner der Thermopylen hat- ten für die Freiheit zu ſterben, die Athener bei Salamis und am Eurymedon für ſie zu ſiegen gewußt; aber das Reich der Knecht- ſchaft vernichten konnte nicht Athen noch Sparta, ſondern nur ein König Macedoniens an der Spitze des freien Griechenlandes.
Wenn in dieſer Weiſe auf der Europäiſchen Seite alles zum letzten, entſcheidenden Kampfe bereit war, ſo hatte in entſprechender Weiſe das große Reich der Perſer alle Stadien der Entwickelung und der Auflöſung durchgemacht, um jetzt, zum Untergange reif, vor den ſiegreichen Schaaren Griechenlands zu fallen.
Das Perſerreich hatte zur Aufgabe, die durch natürliche Beſtimmungen geſchiedenen Völker Aſiens zu einer Geſammtheit zu vereinen; die Berechtigung dazu lag in der höheren ethiſchen Kraft, mit der die Perſer den anderen Völkern gegenüber auftraten; reli- giöſe Sagen haben die Erinnerung daran auf unzweideutige Weiſe aufbewahrt; Dſjemſchid und Guſtaſp, die Hom- und Zerdutſch- Religion bezeichnen die Epochen dieſes Fortſchrittes.
Denn die Hochebene Irans durchſchwärmten vom Indus bis zum Kaspiſchen Meere nomadiſche Horden; da erſchien der Ver- künder des alten Geſetzes, der Schutzgeiſt der Menſchen, Hom, und verkündete ſeine Lehre dem Vater Dſjemſchids, und die Menſchen begannen ſich anzuſiedeln und den Acker zu bebauen; und als Dſjemſchid König wurde, ordnete er das Leben ſeiner Völker und die Stände ſeines Reiches; unter dem Glanze ſeiner Herrſchaft ſtarben die Thiere nicht, an Waſſer und Früchten war kein Man- gel, es war nicht Froſt noch Hitze, nicht Tod noch Leidenſchaft. Und er ſprach: „Verſtand iſt durch mich, gleich mir iſt noch keiner gekrönt, die Erde iſt geworden wie ich verlangt, Speiſe und Schlaf und Freude haben die Menſchen durch mich, die Gewalt iſt bei mir und den Tod habe ich von der Erde genommen, drum müſſen ſie mich den Weltſchöpfer nennen.“ Da wich der Glanz Gottes von ihm, und es begann eine Zeit wilden Aufruhrs, aus der end- lich ſiegend der Held Feridun hervorging.
Nach dieſen Kämpfen und durch ſie gekräftigt und erſtarkt, war das Volk von Iran reif zu der neuen Lehre und zu dem
2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0031"n="17"/>ſein ſollte, vereint werden. Die Spartaner der Thermopylen hat-<lb/>
ten für die Freiheit zu ſterben, die Athener bei Salamis und am<lb/>
Eurymedon für ſie zu ſiegen gewußt; aber das Reich der Knecht-<lb/>ſchaft vernichten konnte nicht Athen noch Sparta, ſondern nur ein<lb/>
König Macedoniens an der Spitze des freien Griechenlandes.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wenn in dieſer Weiſe auf der Europäiſchen Seite alles zum<lb/>
letzten, entſcheidenden Kampfe bereit war, ſo hatte in entſprechender<lb/>
Weiſe das große Reich der Perſer alle Stadien der Entwickelung<lb/>
und der Auflöſung durchgemacht, um jetzt, zum Untergange reif,<lb/>
vor den ſiegreichen Schaaren Griechenlands zu fallen.</p><lb/><p>Das <hirendition="#g">Perſerreich</hi> hatte zur Aufgabe, die durch natürliche<lb/>
Beſtimmungen geſchiedenen Völker Aſiens zu einer Geſammtheit zu<lb/>
vereinen; die Berechtigung dazu lag in der höheren ethiſchen Kraft,<lb/>
mit der die Perſer den anderen Völkern gegenüber auftraten; reli-<lb/>
giöſe Sagen haben die Erinnerung daran auf unzweideutige Weiſe<lb/>
aufbewahrt; Dſjemſchid und Guſtaſp, die Hom- und Zerdutſch-<lb/>
Religion bezeichnen die Epochen dieſes Fortſchrittes.</p><lb/><p>Denn die Hochebene Irans durchſchwärmten vom Indus bis<lb/>
zum Kaspiſchen Meere nomadiſche Horden; da erſchien der Ver-<lb/>
künder des alten Geſetzes, der Schutzgeiſt der Menſchen, Hom,<lb/>
und verkündete ſeine Lehre dem Vater Dſjemſchids, und die<lb/>
Menſchen begannen ſich anzuſiedeln und den Acker zu bebauen; und<lb/>
als Dſjemſchid König wurde, ordnete er das Leben ſeiner Völker<lb/>
und die Stände ſeines Reiches; unter dem Glanze ſeiner Herrſchaft<lb/>ſtarben die Thiere nicht, an Waſſer und Früchten war kein Man-<lb/>
gel, es war nicht Froſt noch Hitze, nicht Tod noch Leidenſchaft.<lb/>
Und er ſprach: „Verſtand iſt durch mich, gleich mir iſt noch keiner<lb/>
gekrönt, die Erde iſt geworden wie ich verlangt, Speiſe und Schlaf<lb/>
und Freude haben die Menſchen durch mich, die Gewalt iſt bei<lb/>
mir und den Tod habe ich von der Erde genommen, drum müſſen<lb/>ſie mich den Weltſchöpfer nennen.“ Da wich der Glanz Gottes<lb/>
von ihm, und es begann eine Zeit wilden Aufruhrs, aus der end-<lb/>
lich ſiegend der Held Feridun hervorging.</p><lb/><p>Nach dieſen Kämpfen und durch ſie gekräftigt und erſtarkt,<lb/>
war das Volk von Iran reif zu der neuen Lehre und zu dem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[17/0031]
ſein ſollte, vereint werden. Die Spartaner der Thermopylen hat-
ten für die Freiheit zu ſterben, die Athener bei Salamis und am
Eurymedon für ſie zu ſiegen gewußt; aber das Reich der Knecht-
ſchaft vernichten konnte nicht Athen noch Sparta, ſondern nur ein
König Macedoniens an der Spitze des freien Griechenlandes.
Wenn in dieſer Weiſe auf der Europäiſchen Seite alles zum
letzten, entſcheidenden Kampfe bereit war, ſo hatte in entſprechender
Weiſe das große Reich der Perſer alle Stadien der Entwickelung
und der Auflöſung durchgemacht, um jetzt, zum Untergange reif,
vor den ſiegreichen Schaaren Griechenlands zu fallen.
Das Perſerreich hatte zur Aufgabe, die durch natürliche
Beſtimmungen geſchiedenen Völker Aſiens zu einer Geſammtheit zu
vereinen; die Berechtigung dazu lag in der höheren ethiſchen Kraft,
mit der die Perſer den anderen Völkern gegenüber auftraten; reli-
giöſe Sagen haben die Erinnerung daran auf unzweideutige Weiſe
aufbewahrt; Dſjemſchid und Guſtaſp, die Hom- und Zerdutſch-
Religion bezeichnen die Epochen dieſes Fortſchrittes.
Denn die Hochebene Irans durchſchwärmten vom Indus bis
zum Kaspiſchen Meere nomadiſche Horden; da erſchien der Ver-
künder des alten Geſetzes, der Schutzgeiſt der Menſchen, Hom,
und verkündete ſeine Lehre dem Vater Dſjemſchids, und die
Menſchen begannen ſich anzuſiedeln und den Acker zu bebauen; und
als Dſjemſchid König wurde, ordnete er das Leben ſeiner Völker
und die Stände ſeines Reiches; unter dem Glanze ſeiner Herrſchaft
ſtarben die Thiere nicht, an Waſſer und Früchten war kein Man-
gel, es war nicht Froſt noch Hitze, nicht Tod noch Leidenſchaft.
Und er ſprach: „Verſtand iſt durch mich, gleich mir iſt noch keiner
gekrönt, die Erde iſt geworden wie ich verlangt, Speiſe und Schlaf
und Freude haben die Menſchen durch mich, die Gewalt iſt bei
mir und den Tod habe ich von der Erde genommen, drum müſſen
ſie mich den Weltſchöpfer nennen.“ Da wich der Glanz Gottes
von ihm, und es begann eine Zeit wilden Aufruhrs, aus der end-
lich ſiegend der Held Feridun hervorging.
Nach dieſen Kämpfen und durch ſie gekräftigt und erſtarkt,
war das Volk von Iran reif zu der neuen Lehre und zu dem
2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/31>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.