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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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lich langte man vor der Burg des Chorienes an; sie lag auf einem
schroffen und überaus hohen Felsen, an dem nur ein schmaler und
schwieriger Pfad hinauf führte; überdieß strömte auf dieser allein
zugänglichen Seite in einer sehr tiefen Schlucht ein Bergwasser
vorüber. Alexander, gewohnt keine Schwierigkeit für unüberwind-
lich zu halten, befahl sofort, in den Tannenwäldern, die ringsum-
her die Berge bedeckten, Bäume zu fällen und Leitern zu bauen,
um vorerst die Schlucht zu gewinnen. Tag und Nacht wurde ge-
arbeitet, mit unsäglicher Mühe gelangte man endlich in die Tiefe
hinab; nun wurde der Bach mit einem Pfahlwerk überbaut, dann
Erde aufgeschüttet, und auf diese Weise die Schlucht ausgefüllt;
bald arbeiteten die Maschinen und schleuderten Geschosse in die
Burg hinauf. Chorienes, der bisher die Arbeiten der Macedonier
gleichgültig mit angesehen hatte, erkannte mit Bestürzung, wie sehr
er sich verrechnet habe; einen Ausfall auf die Gegner zu machen,
verhinderte die Natur des Felsens, gegen Geschosse von oben her
waran die Macedonier durch ihre Schirmdächer geschützt. Endlich
mochten frühere Beispiele ihn überzeugen, daß es sicherer sei, mit
Alexander sich zu vergleichen, als es zum Aeußersten kommen zu las-
sen; deshalb ließ er Alexander durch einen Herold um eine Unter-
redung mit Oxyartes bitten; sie wurde gestattet, und Oxyartes wußte
seinem alten Kampfgenossen leicht die letzten Zweifel zu nehmen,
die ihm geblieben sein mochten; so erschien Chorienes, von einigen
seiner Leute umgeben, vor Alexander, der ihn auf das Huldvollste
empfing und ihm Glück wünschte, daß er sein Heil lieber einem
rechtschaffenen Mann als einem Felsen wollte anvertraut sein las-
sen. Alexander behielt ihn bei sich im Zelte und bat ihn, von sei-
nen Begleitern einige abzusenden, mit der Anzeige, daß die Feste
durch gütlichen Vertrag an die Macedonier ergeben sei, und daß
Allen, die sich auf der Burg befänden, (es waren namentlich viele
bei dem Aufstande betheiligte Landeshäuptlinge dort) das Vergan-
gene vollkommen verziehen sei. Am Tage darauf zog der König,
von einem Corps der Hypaspisten begleitet, hinauf, um die Burg
in Augenschein zu nehmen; er bewunderte die Festigkeit des Pla-
tzes und ließ den für eine lange Belagerung getroffenen Vorsichts-
maaßregeln und Einrichtungen alle Gerechtigkeit widerfahren. Cho-
rienes verpflichtete sich, das Heer auf zwei Monate mit Lebensmit-

lich langte man vor der Burg des Chorienes an; ſie lag auf einem
ſchroffen und uͤberaus hohen Felſen, an dem nur ein ſchmaler und
ſchwieriger Pfad hinauf fuͤhrte; uͤberdieß ſtroͤmte auf dieſer allein
zugaͤnglichen Seite in einer ſehr tiefen Schlucht ein Bergwaſſer
voruͤber. Alexander, gewohnt keine Schwierigkeit fuͤr unuͤberwind-
lich zu halten, befahl ſofort, in den Tannenwaͤldern, die ringsum-
her die Berge bedeckten, Baͤume zu faͤllen und Leitern zu bauen,
um vorerſt die Schlucht zu gewinnen. Tag und Nacht wurde ge-
arbeitet, mit unſaͤglicher Muͤhe gelangte man endlich in die Tiefe
hinab; nun wurde der Bach mit einem Pfahlwerk uͤberbaut, dann
Erde aufgeſchuͤttet, und auf dieſe Weiſe die Schlucht ausgefuͤllt;
bald arbeiteten die Maſchinen und ſchleuderten Geſchoſſe in die
Burg hinauf. Chorienes, der bisher die Arbeiten der Macedonier
gleichguͤltig mit angeſehen hatte, erkannte mit Beſtuͤrzung, wie ſehr
er ſich verrechnet habe; einen Ausfall auf die Gegner zu machen,
verhinderte die Natur des Felſens, gegen Geſchoſſe von oben her
waran die Macedonier durch ihre Schirmdaͤcher geſchuͤtzt. Endlich
mochten fruͤhere Beiſpiele ihn uͤberzeugen, daß es ſicherer ſei, mit
Alexander ſich zu vergleichen, als es zum Aeußerſten kommen zu laſ-
ſen; deshalb ließ er Alexander durch einen Herold um eine Unter-
redung mit Oxyartes bitten; ſie wurde geſtattet, und Oxyartes wußte
ſeinem alten Kampfgenoſſen leicht die letzten Zweifel zu nehmen,
die ihm geblieben ſein mochten; ſo erſchien Chorienes, von einigen
ſeiner Leute umgeben, vor Alexander, der ihn auf das Huldvollſte
empfing und ihm Gluͤck wuͤnſchte, daß er ſein Heil lieber einem
rechtſchaffenen Mann als einem Felſen wollte anvertraut ſein laſ-
ſen. Alexander behielt ihn bei ſich im Zelte und bat ihn, von ſei-
nen Begleitern einige abzuſenden, mit der Anzeige, daß die Feſte
durch guͤtlichen Vertrag an die Macedonier ergeben ſei, und daß
Allen, die ſich auf der Burg befaͤnden, (es waren namentlich viele
bei dem Aufſtande betheiligte Landeshaͤuptlinge dort) das Vergan-
gene vollkommen verziehen ſei. Am Tage darauf zog der Koͤnig,
von einem Corps der Hypaspiſten begleitet, hinauf, um die Burg
in Augenſchein zu nehmen; er bewunderte die Feſtigkeit des Pla-
tzes und ließ den fuͤr eine lange Belagerung getroffenen Vorſichts-
maaßregeln und Einrichtungen alle Gerechtigkeit widerfahren. Cho-
rienes verpflichtete ſich, das Heer auf zwei Monate mit Lebensmit-

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[344/0358] lich langte man vor der Burg des Chorienes an; ſie lag auf einem ſchroffen und uͤberaus hohen Felſen, an dem nur ein ſchmaler und ſchwieriger Pfad hinauf fuͤhrte; uͤberdieß ſtroͤmte auf dieſer allein zugaͤnglichen Seite in einer ſehr tiefen Schlucht ein Bergwaſſer voruͤber. Alexander, gewohnt keine Schwierigkeit fuͤr unuͤberwind- lich zu halten, befahl ſofort, in den Tannenwaͤldern, die ringsum- her die Berge bedeckten, Baͤume zu faͤllen und Leitern zu bauen, um vorerſt die Schlucht zu gewinnen. Tag und Nacht wurde ge- arbeitet, mit unſaͤglicher Muͤhe gelangte man endlich in die Tiefe hinab; nun wurde der Bach mit einem Pfahlwerk uͤberbaut, dann Erde aufgeſchuͤttet, und auf dieſe Weiſe die Schlucht ausgefuͤllt; bald arbeiteten die Maſchinen und ſchleuderten Geſchoſſe in die Burg hinauf. Chorienes, der bisher die Arbeiten der Macedonier gleichguͤltig mit angeſehen hatte, erkannte mit Beſtuͤrzung, wie ſehr er ſich verrechnet habe; einen Ausfall auf die Gegner zu machen, verhinderte die Natur des Felſens, gegen Geſchoſſe von oben her waran die Macedonier durch ihre Schirmdaͤcher geſchuͤtzt. Endlich mochten fruͤhere Beiſpiele ihn uͤberzeugen, daß es ſicherer ſei, mit Alexander ſich zu vergleichen, als es zum Aeußerſten kommen zu laſ- ſen; deshalb ließ er Alexander durch einen Herold um eine Unter- redung mit Oxyartes bitten; ſie wurde geſtattet, und Oxyartes wußte ſeinem alten Kampfgenoſſen leicht die letzten Zweifel zu nehmen, die ihm geblieben ſein mochten; ſo erſchien Chorienes, von einigen ſeiner Leute umgeben, vor Alexander, der ihn auf das Huldvollſte empfing und ihm Gluͤck wuͤnſchte, daß er ſein Heil lieber einem rechtſchaffenen Mann als einem Felſen wollte anvertraut ſein laſ- ſen. Alexander behielt ihn bei ſich im Zelte und bat ihn, von ſei- nen Begleitern einige abzuſenden, mit der Anzeige, daß die Feſte durch guͤtlichen Vertrag an die Macedonier ergeben ſei, und daß Allen, die ſich auf der Burg befaͤnden, (es waren namentlich viele bei dem Aufſtande betheiligte Landeshaͤuptlinge dort) das Vergan- gene vollkommen verziehen ſei. Am Tage darauf zog der Koͤnig, von einem Corps der Hypaspiſten begleitet, hinauf, um die Burg in Augenſchein zu nehmen; er bewunderte die Feſtigkeit des Pla- tzes und ließ den fuͤr eine lange Belagerung getroffenen Vorſichts- maaßregeln und Einrichtungen alle Gerechtigkeit widerfahren. Cho- rienes verpflichtete ſich, das Heer auf zwei Monate mit Lebensmit-

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/358>, abgerufen am 28.11.2024.