erschlossen. Fortan wetteiferte der Grieche mit jedem Asiaten in Ueppigkeit und Unterwürfigkeit; Rhetoren, Poeten, Witzlinge, wie sie waren, gefielen sie sich in Phrasen, wie sie auf die Helden von Marathon und Salamis, auf Heroen wie Perseus und Herakles, auf die Siege des Bacchus und Achilles zu wiederholen, aus der Mode gekommen war; sie erhoben den Heldenkönig mit allem Ue- bermaaß ihrer Rhetorik und ihres gewissenlosen Leichtsinnes; die Ehren der alten Heroen und des Olymps mußten zum Preise des mächtigen Herrschers dienen. Denn längst hatten die Sophisten ge- lehrt, daß alle die, zu welchen man wie zu Göttern betete, eigent- lich ausgezeichnete Kriegshelden, gute Gesetzgeber, vergötterte Men- schen wären; und so gut manches Geschlecht sich von Zeus oder Apollon abzustammen rühmte, eben so gut könne ja wieder der Menschen Einer durch große Thaten wie einst Herakles in den Olymp kommen, oder wie Harmodius und Aristogiton heroischer Ehren theilhaftig werden. Ohne Beispiel war dergleichen nicht; der lahme Spartanerkönig Agesilaus war zwanzig Jahr früher von den Thasiern mit Tempel und Altar zum Gott installirt wor- den, und König Philipp hatte sich im Kostüm eines dreizehnten Olym- piers bei den großen Festlichkeiten von Aegä gezeigt. Um wie viel Größeres nun hatte Alexander gethan? und Kallisthenes, der Schü- ler und Neffe des großen Aristoteles, schrieb in seinen Geschichts- büchern von dem unmittelbar göttlichen Ursprung Alexanders, ohne daß man Anstoß daran genommen hätte; ja die Athener hatten schon früher das heilige Theorenschiff mit Gesandten an den König nach Tyrus geschickt, und wenn späterhin in Hellenischen Staaten ihm göttliche Ehren zu gewähren in Vorschlag gebracht wurde, so war es nicht im Interesse der Religion, sondern nur in dem einer politischen Parthei, daß dem Antrag theilweise widersprochen wurde.
Alles dieß vorausgesetzt, kann man sich ein ungefähres Bild von der Umgebung Alexanders machen. Dieß bunte Durcheinander der verschiedenartigsten Interessen, das geheime Spiel von Rivali- täten und Intriguen, der unablässige Wechsel von Gelagen und Kämpfen, von Festlichkeiten und Strapazen, von Ueberfluß und Ent- behrung, von strengem Dienst im Felde und zügellosen Genüssen in den Cantonirungen, dazu das stete Weiterdringen in andere und an-
erſchloſſen. Fortan wetteiferte der Grieche mit jedem Aſiaten in Ueppigkeit und Unterwuͤrfigkeit; Rhetoren, Poeten, Witzlinge, wie ſie waren, gefielen ſie ſich in Phraſen, wie ſie auf die Helden von Marathon und Salamis, auf Heroen wie Perſeus und Herakles, auf die Siege des Bacchus und Achilles zu wiederholen, aus der Mode gekommen war; ſie erhoben den Heldenkoͤnig mit allem Ue- bermaaß ihrer Rhetorik und ihres gewiſſenloſen Leichtſinnes; die Ehren der alten Heroen und des Olymps mußten zum Preiſe des maͤchtigen Herrſchers dienen. Denn laͤngſt hatten die Sophiſten ge- lehrt, daß alle die, zu welchen man wie zu Goͤttern betete, eigent- lich ausgezeichnete Kriegshelden, gute Geſetzgeber, vergoͤtterte Men- ſchen waͤren; und ſo gut manches Geſchlecht ſich von Zeus oder Apollon abzuſtammen ruͤhmte, eben ſo gut koͤnne ja wieder der Menſchen Einer durch große Thaten wie einſt Herakles in den Olymp kommen, oder wie Harmodius und Ariſtogiton heroiſcher Ehren theilhaftig werden. Ohne Beiſpiel war dergleichen nicht; der lahme Spartanerkoͤnig Ageſilaus war zwanzig Jahr fruͤher von den Thaſiern mit Tempel und Altar zum Gott inſtallirt wor- den, und Koͤnig Philipp hatte ſich im Koſtuͤm eines dreizehnten Olym- piers bei den großen Feſtlichkeiten von Aegaͤ gezeigt. Um wie viel Groͤßeres nun hatte Alexander gethan? und Kalliſthenes, der Schuͤ- ler und Neffe des großen Ariſtoteles, ſchrieb in ſeinen Geſchichts- buͤchern von dem unmittelbar goͤttlichen Urſprung Alexanders, ohne daß man Anſtoß daran genommen haͤtte; ja die Athener hatten ſchon fruͤher das heilige Theorenſchiff mit Geſandten an den Koͤnig nach Tyrus geſchickt, und wenn ſpaͤterhin in Helleniſchen Staaten ihm goͤttliche Ehren zu gewaͤhren in Vorſchlag gebracht wurde, ſo war es nicht im Intereſſe der Religion, ſondern nur in dem einer politiſchen Parthei, daß dem Antrag theilweiſe widerſprochen wurde.
Alles dieß vorausgeſetzt, kann man ſich ein ungefaͤhres Bild von der Umgebung Alexanders machen. Dieß bunte Durcheinander der verſchiedenartigſten Intereſſen, das geheime Spiel von Rivali- taͤten und Intriguen, der unablaͤſſige Wechſel von Gelagen und Kaͤmpfen, von Feſtlichkeiten und Strapazen, von Ueberfluß und Ent- behrung, von ſtrengem Dienſt im Felde und zuͤgelloſen Genuͤſſen in den Cantonirungen, dazu das ſtete Weiterdringen in andere und an-
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erſchloſſen. Fortan wetteiferte der Grieche mit jedem Aſiaten in
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ſie waren, gefielen ſie ſich in Phraſen, wie ſie auf die Helden von
Marathon und Salamis, auf Heroen wie Perſeus und Herakles,
auf die Siege des Bacchus und Achilles zu wiederholen, aus der
Mode gekommen war; ſie erhoben den Heldenkoͤnig mit allem Ue-
bermaaß ihrer Rhetorik und ihres gewiſſenloſen Leichtſinnes; die
Ehren der alten Heroen und des Olymps mußten zum Preiſe des
maͤchtigen Herrſchers dienen. Denn laͤngſt hatten die Sophiſten ge-
lehrt, daß alle die, zu welchen man wie zu Goͤttern betete, eigent-
lich ausgezeichnete Kriegshelden, gute Geſetzgeber, vergoͤtterte Men-
ſchen waͤren; und ſo gut manches Geſchlecht ſich von Zeus oder
Apollon abzuſtammen ruͤhmte, eben ſo gut koͤnne ja wieder der
Menſchen Einer durch große Thaten wie einſt Herakles in den
Olymp kommen, oder wie Harmodius und Ariſtogiton heroiſcher
Ehren theilhaftig werden. Ohne Beiſpiel war dergleichen nicht;
der lahme Spartanerkoͤnig Ageſilaus war zwanzig Jahr fruͤher
von den Thaſiern mit Tempel und Altar zum Gott inſtallirt wor-
den, und Koͤnig Philipp hatte ſich im Koſtuͤm eines dreizehnten Olym-
piers bei den großen Feſtlichkeiten von Aegaͤ gezeigt. Um wie viel
Groͤßeres nun hatte Alexander gethan? und Kalliſthenes, der Schuͤ-
ler und Neffe des großen Ariſtoteles, ſchrieb in ſeinen Geſchichts-
buͤchern von dem unmittelbar goͤttlichen Urſprung Alexanders, ohne
daß man Anſtoß daran genommen haͤtte; ja die Athener hatten
ſchon fruͤher das heilige Theorenſchiff mit Geſandten an den Koͤnig
nach Tyrus geſchickt, und wenn ſpaͤterhin in Helleniſchen Staaten
ihm goͤttliche Ehren zu gewaͤhren in Vorſchlag gebracht wurde, ſo
war es nicht im Intereſſe der Religion, ſondern nur in dem
einer politiſchen Parthei, daß dem Antrag theilweiſe widerſprochen
wurde.
Alles dieß vorausgeſetzt, kann man ſich ein ungefaͤhres Bild
von der Umgebung Alexanders machen. Dieß bunte Durcheinander
der verſchiedenartigſten Intereſſen, das geheime Spiel von Rivali-
taͤten und Intriguen, der unablaͤſſige Wechſel von Gelagen und
Kaͤmpfen, von Feſtlichkeiten und Strapazen, von Ueberfluß und Ent-
behrung, von ſtrengem Dienſt im Felde und zuͤgelloſen Genuͤſſen in
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/362>, abgerufen am 28.11.2024.
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