er ließ die zu Pallisaden gefällten Baumstämme, die noch nicht in die Wälle eingelassen waren, in mäßigen Abständen zu Haufen übereinanderwerfen, um dem Feinde so viel als möglich den Aus- fall zu behindern; unter diesen Arbeiten verstrich ein guter Theil der Nacht. Endlich gegen Morgen öffnete sich das Seethor der Stadt, in hellen Haufen brachen die Feinde hervor und rückten im Sturmschritt auf die wohlverwahrte Linie; zu gleicher Zeit be- gannen die Lärmtrompeten im Lager zu blasen; während die Indier sich tief und tiefer in dem Verhau von Bäumen und den Wagenreihen verwirrten, war schon Ptolemäus mit seinen Schaaren mitten unter ihnen, und nach langem und unordentlichem Gefechte sahen sie sich gezwungen, zur Stadt zurückzufliehen.
Nun war den Indiern jeder Ausweg zur Flucht abgeschnitten; die Maschinen begannen gegen die Mauern der Stadt zu arbeiten, zugleich wurden sie an mehreren Stellen unterminirt, und mit so günstigem Erfolg, daß in kurzer Zeit Lücken stürzten und der Sturm auf die Stadt beginnen konnte. So wurde die Stadt erobert; wenige von den Belagerten retteten sich; desto mehr wurden von den erbitterten Macedoniern in den Straßen der Stadt niederge- macht; man sagt an siebzehntausend, eine Zahl, die nicht unwahr- scheinlich ist, da Alexander, um die Unterwerfung dieses kriegeri- schen Volksstammes möglich zu machen, den strengen Befehl gege- ben hatte, jeden Bewaffneten niederzuhauen; die siebzigtausend Kriegs- gefangene, welche erwähnt werden, scheinen die übrige Bevölkerung der Indischen Stadt ausgemacht zu haben. Die Macedonier selbst zählten gegen hundert Todte und ungewöhnlich viel schwer Ver- wundete, nämlich eintausend zweihundert, unter diesen mehrere Of- ficire und namentlich den Somatophylax Lysimachus 66).
Gleich nach der Erstürmung der Stadt sandte Alexander den Kardianer Euwenes mit dreihundert Reutern nach den beiden mit den Kathäern verbündeten Städten, mit der Anzeige von dem Falle Sangala's, und der Aufforderung sich zu ergeben: sie würden, wenn sie sich dem Könige freiwillig unterwürfen, eben so wenig zu fürch- ten haben, wie so viele andere Indier, welche die Macedonische Frcundschaft schon als ihr wahres Heil zu erkennen anfingen. Aber
66)Arrian. V. 23, 24. und Polyän. IV. 3. 30.
er ließ die zu Palliſaden gefaͤllten Baumſtaͤmme, die noch nicht in die Waͤlle eingelaſſen waren, in maͤßigen Abſtaͤnden zu Haufen uͤbereinanderwerfen, um dem Feinde ſo viel als moͤglich den Aus- fall zu behindern; unter dieſen Arbeiten verſtrich ein guter Theil der Nacht. Endlich gegen Morgen oͤffnete ſich das Seethor der Stadt, in hellen Haufen brachen die Feinde hervor und ruͤckten im Sturmſchritt auf die wohlverwahrte Linie; zu gleicher Zeit be- gannen die Laͤrmtrompeten im Lager zu blaſen; waͤhrend die Indier ſich tief und tiefer in dem Verhau von Baͤumen und den Wagenreihen verwirrten, war ſchon Ptolemaͤus mit ſeinen Schaaren mitten unter ihnen, und nach langem und unordentlichem Gefechte ſahen ſie ſich gezwungen, zur Stadt zuruͤckzufliehen.
Nun war den Indiern jeder Ausweg zur Flucht abgeſchnitten; die Maſchinen begannen gegen die Mauern der Stadt zu arbeiten, zugleich wurden ſie an mehreren Stellen unterminirt, und mit ſo guͤnſtigem Erfolg, daß in kurzer Zeit Luͤcken ſtuͤrzten und der Sturm auf die Stadt beginnen konnte. So wurde die Stadt erobert; wenige von den Belagerten retteten ſich; deſto mehr wurden von den erbitterten Macedoniern in den Straßen der Stadt niederge- macht; man ſagt an ſiebzehntauſend, eine Zahl, die nicht unwahr- ſcheinlich iſt, da Alexander, um die Unterwerfung dieſes kriegeri- ſchen Volksſtammes moͤglich zu machen, den ſtrengen Befehl gege- ben hatte, jeden Bewaffneten niederzuhauen; die ſiebzigtauſend Kriegs- gefangene, welche erwaͤhnt werden, ſcheinen die uͤbrige Bevoͤlkerung der Indiſchen Stadt ausgemacht zu haben. Die Macedonier ſelbſt zaͤhlten gegen hundert Todte und ungewoͤhnlich viel ſchwer Ver- wundete, naͤmlich eintauſend zweihundert, unter dieſen mehrere Of- ficire und namentlich den Somatophylax Lyſimachus 66).
Gleich nach der Erſtuͤrmung der Stadt ſandte Alexander den Kardianer Euwenes mit dreihundert Reutern nach den beiden mit den Kathaͤern verbuͤndeten Staͤdten, mit der Anzeige von dem Falle Sangala’s, und der Aufforderung ſich zu ergeben: ſie wuͤrden, wenn ſie ſich dem Koͤnige freiwillig unterwuͤrfen, eben ſo wenig zu fuͤrch- ten haben, wie ſo viele andere Indier, welche die Macedoniſche Frcundſchaft ſchon als ihr wahres Heil zu erkennen anfingen. Aber
66)Arrian. V. 23, 24. und Polyän. IV. 3. 30.
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er ließ die zu Palliſaden gefaͤllten Baumſtaͤmme, die noch nicht in
die Waͤlle eingelaſſen waren, in maͤßigen Abſtaͤnden zu Haufen
uͤbereinanderwerfen, um dem Feinde ſo viel als moͤglich den Aus-
fall zu behindern; unter dieſen Arbeiten verſtrich ein guter Theil
der Nacht. Endlich gegen Morgen oͤffnete ſich das Seethor der
Stadt, in hellen Haufen brachen die Feinde hervor und ruͤckten
im Sturmſchritt auf die wohlverwahrte Linie; zu gleicher Zeit be-
gannen die Laͤrmtrompeten im Lager zu blaſen; waͤhrend die
Indier ſich tief und tiefer in dem Verhau von Baͤumen und den
Wagenreihen verwirrten, war ſchon Ptolemaͤus mit ſeinen Schaaren
mitten unter ihnen, und nach langem und unordentlichem Gefechte
ſahen ſie ſich gezwungen, zur Stadt zuruͤckzufliehen.
Nun war den Indiern jeder Ausweg zur Flucht abgeſchnitten;
die Maſchinen begannen gegen die Mauern der Stadt zu arbeiten,
zugleich wurden ſie an mehreren Stellen unterminirt, und mit ſo
guͤnſtigem Erfolg, daß in kurzer Zeit Luͤcken ſtuͤrzten und der Sturm
auf die Stadt beginnen konnte. So wurde die Stadt erobert;
wenige von den Belagerten retteten ſich; deſto mehr wurden von
den erbitterten Macedoniern in den Straßen der Stadt niederge-
macht; man ſagt an ſiebzehntauſend, eine Zahl, die nicht unwahr-
ſcheinlich iſt, da Alexander, um die Unterwerfung dieſes kriegeri-
ſchen Volksſtammes moͤglich zu machen, den ſtrengen Befehl gege-
ben hatte, jeden Bewaffneten niederzuhauen; die ſiebzigtauſend Kriegs-
gefangene, welche erwaͤhnt werden, ſcheinen die uͤbrige Bevoͤlkerung
der Indiſchen Stadt ausgemacht zu haben. Die Macedonier ſelbſt
zaͤhlten gegen hundert Todte und ungewoͤhnlich viel ſchwer Ver-
wundete, naͤmlich eintauſend zweihundert, unter dieſen mehrere Of-
ficire und namentlich den Somatophylax Lyſimachus 66).
Gleich nach der Erſtuͤrmung der Stadt ſandte Alexander den
Kardianer Euwenes mit dreihundert Reutern nach den beiden mit
den Kathaͤern verbuͤndeten Staͤdten, mit der Anzeige von dem Falle
Sangala’s, und der Aufforderung ſich zu ergeben: ſie wuͤrden, wenn
ſie ſich dem Koͤnige freiwillig unterwuͤrfen, eben ſo wenig zu fuͤrch-
ten haben, wie ſo viele andere Indier, welche die Macedoniſche
Frcundſchaft ſchon als ihr wahres Heil zu erkennen anfingen. Aber
66) Arrian. V. 23, 24. und Polyän. IV. 3. 30.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/426>, abgerufen am 22.11.2024.
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