zu beruhigen, in Wahrheit aber der König todt und sie ohne Rath und Rettung.
Indeß war Alexander wirklich vom Tode gerettet und nach sieben Tagen seine Wunde, wennschon noch offen, doch ohne wei- tere Gefahr; die Nachrichten aus dem Lager und die Besorgniß, es möchte bei den Truppen der Glaube, er sei todt, Unordnungen erzeugen, veranlaßten ihn, seine völlige Herstellung nicht abzuwar- ten, sondern schon jetzt zum Heere zurück zu kehren. Er ließ sich zum Hyarotis hinab und auf eine Jacht tragen, auf der ein Zelt für sein Krankenlager errichtet war; ohne Ruderschlag, um die Erschütterung zu meiden, nur von der Strömung getragen, nahte die Jacht erst am vierten Tage dem Lager. Die Kunde, Alexan- der komme, war voraus geeilt, Wenige glaubten sie; sie mein- ten, des Königs Leichnam werde daher gebracht. Und schon sah man zwischen der Uferwaldung die Jacht mit dem Purpurzelte den Strom herab kommen; mit ängstlicher Spannung standen die Tausende längs dem Ufer. Da gebot Alexander, das Zelt aufzu- schlagen, damit ihn Alle sähen; er breitete die Arme den Seini- gen entgegen; da erscholl unendlicher Jubelruf von den getreuen Kriegern, sie streckten die Hände gen Himmel empor oder ihrem Könige entgegen, und Freudenthränen mischten sich in den wieder- holten Jubelruf. Dann legte die Jacht an, und die Hypaspisten trugen des Königs Lager aus Ufer; er aber ließ sich ein Pferd bringen, um durch die Reihen der Seinigen dahin zu reiten; als diese ihn wieder hoch zu Roß in ihrer Mitte sahen, da jauchzten und jubelten sie von Neuem, und es wiederhallten die Ufer drüben und die Waldungen umher. So nahte er dem Zelte, das für ihn bereitet war und stieg vom Pferde, um die kurze Strecke bis hinein zu gehen; es drängten sich die Macedonier von allen Sei- ten heran, ihn von Nahem zu sehen, seine Hand, sein Knie, sein Kleid zu berühren, ihm ein herzliches Willkommen zuzurufen, ihm Bänder und Blumen zuzuwerfen. Und die Freunde an sei- ner Seite, vor Allen Hephästion, Kraterus und der Lagide Ptole- mäus sprachen herzlich mit ihm und schalten ihn, daß er sich so der Gefahr ausgesetzt: das sei des Soldaten, nicht des Feldherrn Sache. Der König aber freute sich mehr über eines Böotischen Kriegsmannes Rede, der ihm aus der Menge den Aeschyleischen
zu beruhigen, in Wahrheit aber der Koͤnig todt und ſie ohne Rath und Rettung.
Indeß war Alexander wirklich vom Tode gerettet und nach ſieben Tagen ſeine Wunde, wennſchon noch offen, doch ohne wei- tere Gefahr; die Nachrichten aus dem Lager und die Beſorgniß, es moͤchte bei den Truppen der Glaube, er ſei todt, Unordnungen erzeugen, veranlaßten ihn, ſeine voͤllige Herſtellung nicht abzuwar- ten, ſondern ſchon jetzt zum Heere zuruͤck zu kehren. Er ließ ſich zum Hyarotis hinab und auf eine Jacht tragen, auf der ein Zelt fuͤr ſein Krankenlager errichtet war; ohne Ruderſchlag, um die Erſchuͤtterung zu meiden, nur von der Stroͤmung getragen, nahte die Jacht erſt am vierten Tage dem Lager. Die Kunde, Alexan- der komme, war voraus geeilt, Wenige glaubten ſie; ſie mein- ten, des Koͤnigs Leichnam werde daher gebracht. Und ſchon ſah man zwiſchen der Uferwaldung die Jacht mit dem Purpurzelte den Strom herab kommen; mit aͤngſtlicher Spannung ſtanden die Tauſende laͤngs dem Ufer. Da gebot Alexander, das Zelt aufzu- ſchlagen, damit ihn Alle ſaͤhen; er breitete die Arme den Seini- gen entgegen; da erſcholl unendlicher Jubelruf von den getreuen Kriegern, ſie ſtreckten die Haͤnde gen Himmel empor oder ihrem Koͤnige entgegen, und Freudenthraͤnen miſchten ſich in den wieder- holten Jubelruf. Dann legte die Jacht an, und die Hypaspiſten trugen des Koͤnigs Lager aus Ufer; er aber ließ ſich ein Pferd bringen, um durch die Reihen der Seinigen dahin zu reiten; als dieſe ihn wieder hoch zu Roß in ihrer Mitte ſahen, da jauchzten und jubelten ſie von Neuem, und es wiederhallten die Ufer druͤben und die Waldungen umher. So nahte er dem Zelte, das fuͤr ihn bereitet war und ſtieg vom Pferde, um die kurze Strecke bis hinein zu gehen; es draͤngten ſich die Macedonier von allen Sei- ten heran, ihn von Nahem zu ſehen, ſeine Hand, ſein Knie, ſein Kleid zu beruͤhren, ihm ein herzliches Willkommen zuzurufen, ihm Baͤnder und Blumen zuzuwerfen. Und die Freunde an ſei- ner Seite, vor Allen Hephaͤſtion, Kraterus und der Lagide Ptole- maͤus ſprachen herzlich mit ihm und ſchalten ihn, daß er ſich ſo der Gefahr ausgeſetzt: das ſei des Soldaten, nicht des Feldherrn Sache. Der Koͤnig aber freute ſich mehr uͤber eines Boͤotiſchen Kriegsmannes Rede, der ihm aus der Menge den Aeſchyleiſchen
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zu beruhigen, in Wahrheit aber der Koͤnig todt und ſie ohne
Rath und Rettung.
Indeß war Alexander wirklich vom Tode gerettet und nach
ſieben Tagen ſeine Wunde, wennſchon noch offen, doch ohne wei-
tere Gefahr; die Nachrichten aus dem Lager und die Beſorgniß,
es moͤchte bei den Truppen der Glaube, er ſei todt, Unordnungen
erzeugen, veranlaßten ihn, ſeine voͤllige Herſtellung nicht abzuwar-
ten, ſondern ſchon jetzt zum Heere zuruͤck zu kehren. Er ließ ſich
zum Hyarotis hinab und auf eine Jacht tragen, auf der ein Zelt
fuͤr ſein Krankenlager errichtet war; ohne Ruderſchlag, um die
Erſchuͤtterung zu meiden, nur von der Stroͤmung getragen, nahte
die Jacht erſt am vierten Tage dem Lager. Die Kunde, Alexan-
der komme, war voraus geeilt, Wenige glaubten ſie; ſie mein-
ten, des Koͤnigs Leichnam werde daher gebracht. Und ſchon ſah
man zwiſchen der Uferwaldung die Jacht mit dem Purpurzelte
den Strom herab kommen; mit aͤngſtlicher Spannung ſtanden die
Tauſende laͤngs dem Ufer. Da gebot Alexander, das Zelt aufzu-
ſchlagen, damit ihn Alle ſaͤhen; er breitete die Arme den Seini-
gen entgegen; da erſcholl unendlicher Jubelruf von den getreuen
Kriegern, ſie ſtreckten die Haͤnde gen Himmel empor oder ihrem
Koͤnige entgegen, und Freudenthraͤnen miſchten ſich in den wieder-
holten Jubelruf. Dann legte die Jacht an, und die Hypaspiſten
trugen des Koͤnigs Lager aus Ufer; er aber ließ ſich ein Pferd
bringen, um durch die Reihen der Seinigen dahin zu reiten; als
dieſe ihn wieder hoch zu Roß in ihrer Mitte ſahen, da jauchzten
und jubelten ſie von Neuem, und es wiederhallten die Ufer druͤben
und die Waldungen umher. So nahte er dem Zelte, das fuͤr
ihn bereitet war und ſtieg vom Pferde, um die kurze Strecke bis
hinein zu gehen; es draͤngten ſich die Macedonier von allen Sei-
ten heran, ihn von Nahem zu ſehen, ſeine Hand, ſein Knie, ſein
Kleid zu beruͤhren, ihm ein herzliches Willkommen zuzurufen,
ihm Baͤnder und Blumen zuzuwerfen. Und die Freunde an ſei-
ner Seite, vor Allen Hephaͤſtion, Kraterus und der Lagide Ptole-
maͤus ſprachen herzlich mit ihm und ſchalten ihn, daß er ſich ſo
der Gefahr ausgeſetzt: das ſei des Soldaten, nicht des Feldherrn
Sache. Der Koͤnig aber freute ſich mehr uͤber eines Boͤotiſchen
Kriegsmannes Rede, der ihm aus der Menge den Aeſchyleiſchen
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/456>, abgerufen am 22.11.2024.
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