Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

von Lebensmitteln nach der Gedrosischen Küste, die Alexander
demnächst zu durchziehen gedachte, hinab zu senden 114).

Nach der Absendung des Kraterus brach auch Alexander aus
dem Gebiet der Sogdier auf; er selbst fuhr mit der Flotte den
Strom hinab, während Pithon mit den berittenen Schützen und
den Agrianern auf das rechte Stromufer hinüber ging, um die
im Fürstenthum des Musikanus errichteten Burgflecken zu bevöl-
kern, die letzten Spuren von Unordnungen in dem hartgestraften
Lande zu unterdrücken, und sich dann in Pattala wieder mit dem
Hauptheere zu vereinigen; das übrige Heer führte Hephästion auf
dem linken Indusufer zu derselben Stadt hinab. Aber schon am
dritten Tage der Fahrt erhielt Alexander die Nachricht, daß der
Fürst von Pattala, statt Alles zum Empfange des Macedonischen
Heeres zu bereiten, mit dem größten Theile der Einwohner in die
Wüste geflohen sei; vielleicht aus Furcht vor dem mächtigen Kö-
nige, wahrscheinlicher von den Braminen aufgeregt. Alexander
eilte desto schneller vorwärts, überall waren die Ortschaften von
den Einwohnern verlassen; er erreichte, es war gegen Ende Juli,
Pattala 115). Straßen und Häuser waren leer, alles bewegliche
Gut geflüchtet, die große Stadt wie ausgestorben. Sofort wur-
den einige leichte Truppen ausgesandt, die Spur der Geflüchteten
zu verfolgen; es gelang ihnen, Einige einzufangen; sie wurden vor
den König gebracht, der sie mit unerwarteter Milde empfing,
und sie an ihre Landsleute aussandte, mit der Aufforderung, in

114) Diodor sagt XVII. 105., daß Alexander aus der Wüste
Gedrosiens, als er in größter Noth war, diesen Befehl gab und
daß derselbe noch zur rechten Zeit erfüllt worden; aus dieser wi-
dersinnigen Angabe läßt sich das richtige Sachverhältniß, das
sich übrigens auch von selbst versteht und durch Arrian Ind.
wiederholentlich bestätigt wird, zur Genüge schließen.
115) Die
Lage von Pattala, "da, wo sich der Indusstrom in zwei Arme zum
Delta scheidet" (Arrian), kann entweder auf die Stromscheide von
Tatta oder auf die von Hyderabad gehen; das erste hat Vincent
behauptet; doch widerspricht ihm die Darstellung Arrians durchaus.
Die Zeit der Ankunft in Pattala bezeichnet Strabo mit dem Auf-
gange (Frühaufgang) des Hundssterns, Strabo XV. p. 259.

von Lebensmitteln nach der Gedroſiſchen Kuͤſte, die Alexander
demnaͤchſt zu durchziehen gedachte, hinab zu ſenden 114).

Nach der Abſendung des Kraterus brach auch Alexander aus
dem Gebiet der Sogdier auf; er ſelbſt fuhr mit der Flotte den
Strom hinab, waͤhrend Pithon mit den berittenen Schuͤtzen und
den Agrianern auf das rechte Stromufer hinuͤber ging, um die
im Fuͤrſtenthum des Muſikanus errichteten Burgflecken zu bevoͤl-
kern, die letzten Spuren von Unordnungen in dem hartgeſtraften
Lande zu unterdruͤcken, und ſich dann in Pattala wieder mit dem
Hauptheere zu vereinigen; das uͤbrige Heer fuͤhrte Hephaͤſtion auf
dem linken Indusufer zu derſelben Stadt hinab. Aber ſchon am
dritten Tage der Fahrt erhielt Alexander die Nachricht, daß der
Fuͤrſt von Pattala, ſtatt Alles zum Empfange des Macedoniſchen
Heeres zu bereiten, mit dem groͤßten Theile der Einwohner in die
Wuͤſte geflohen ſei; vielleicht aus Furcht vor dem maͤchtigen Koͤ-
nige, wahrſcheinlicher von den Braminen aufgeregt. Alexander
eilte deſto ſchneller vorwaͤrts, uͤberall waren die Ortſchaften von
den Einwohnern verlaſſen; er erreichte, es war gegen Ende Juli,
Pattala 115). Straßen und Haͤuſer waren leer, alles bewegliche
Gut gefluͤchtet, die große Stadt wie ausgeſtorben. Sofort wur-
den einige leichte Truppen ausgeſandt, die Spur der Gefluͤchteten
zu verfolgen; es gelang ihnen, Einige einzufangen; ſie wurden vor
den Koͤnig gebracht, der ſie mit unerwarteter Milde empfing,
und ſie an ihre Landsleute ausſandte, mit der Aufforderung, in

114) Diodor ſagt XVII. 105., daß Alexander aus der Wuͤſte
Gedroſiens, als er in groͤßter Noth war, dieſen Befehl gab und
daß derſelbe noch zur rechten Zeit erfuͤllt worden; aus dieſer wi-
derſinnigen Angabe laͤßt ſich das richtige Sachverhaͤltniß, das
ſich uͤbrigens auch von ſelbſt verſteht und durch Arrian Ind.
wiederholentlich beſtaͤtigt wird, zur Genuͤge ſchließen.
115) Die
Lage von Pattala, „da, wo ſich der Indusſtrom in zwei Arme zum
Delta ſcheidet“ (Arrian), kann entweder auf die Stromſcheide von
Tatta oder auf die von Hyderabad gehen; das erſte hat Vincent
behauptet; doch widerſpricht ihm die Darſtellung Arrians durchaus.
Die Zeit der Ankunft in Pattala bezeichnet Strabo mit dem Auf-
gange (Fruͤhaufgang) des Hundsſterns, Strabo XV. p. 259.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0469" n="455"/>
von Lebensmitteln nach der Gedro&#x017F;i&#x017F;chen Ku&#x0364;&#x017F;te, die Alexander<lb/>
demna&#x0364;ch&#x017F;t zu durchziehen gedachte, hinab zu &#x017F;enden <note place="foot" n="114)"><hi rendition="#aq">Diodor</hi> &#x017F;agt <hi rendition="#aq">XVII.</hi> 105., daß Alexander aus der Wu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
Gedro&#x017F;iens, als er in gro&#x0364;ßter Noth war, die&#x017F;en Befehl gab und<lb/>
daß der&#x017F;elbe noch zur rechten Zeit erfu&#x0364;llt worden; aus die&#x017F;er wi-<lb/>
der&#x017F;innigen Angabe la&#x0364;ßt &#x017F;ich das richtige Sachverha&#x0364;ltniß, das<lb/>
&#x017F;ich u&#x0364;brigens auch von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;teht und durch Arrian Ind.<lb/>
wiederholentlich be&#x017F;ta&#x0364;tigt wird, zur Genu&#x0364;ge &#x017F;chließen.</note>.</p><lb/>
          <p>Nach der Ab&#x017F;endung des Kraterus brach auch Alexander aus<lb/>
dem Gebiet der Sogdier auf; er &#x017F;elb&#x017F;t fuhr mit der Flotte den<lb/>
Strom hinab, wa&#x0364;hrend Pithon mit den berittenen Schu&#x0364;tzen und<lb/>
den Agrianern auf das rechte Stromufer hinu&#x0364;ber ging, um die<lb/>
im Fu&#x0364;r&#x017F;tenthum des Mu&#x017F;ikanus errichteten Burgflecken zu bevo&#x0364;l-<lb/>
kern, die letzten Spuren von Unordnungen in dem hartge&#x017F;traften<lb/>
Lande zu unterdru&#x0364;cken, und &#x017F;ich dann in Pattala wieder mit dem<lb/>
Hauptheere zu vereinigen; das u&#x0364;brige Heer fu&#x0364;hrte Hepha&#x0364;&#x017F;tion auf<lb/>
dem linken Indusufer zu der&#x017F;elben Stadt hinab. Aber &#x017F;chon am<lb/>
dritten Tage der Fahrt erhielt Alexander die Nachricht, daß der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t von Pattala, &#x017F;tatt Alles zum Empfange des Macedoni&#x017F;chen<lb/>
Heeres zu bereiten, mit dem gro&#x0364;ßten Theile der Einwohner in die<lb/>
Wu&#x0364;&#x017F;te geflohen &#x017F;ei; vielleicht aus Furcht vor dem ma&#x0364;chtigen Ko&#x0364;-<lb/>
nige, wahr&#x017F;cheinlicher von den Braminen aufgeregt. Alexander<lb/>
eilte de&#x017F;to &#x017F;chneller vorwa&#x0364;rts, u&#x0364;berall waren die Ort&#x017F;chaften von<lb/>
den Einwohnern verla&#x017F;&#x017F;en; er erreichte, es war gegen Ende Juli,<lb/>
Pattala <note place="foot" n="115)">Die<lb/>
Lage von Pattala, &#x201E;da, wo &#x017F;ich der Indus&#x017F;trom in zwei Arme zum<lb/>
Delta &#x017F;cheidet&#x201C; (Arrian), kann entweder auf die Strom&#x017F;cheide von<lb/>
Tatta oder auf die von Hyderabad gehen; das er&#x017F;te hat Vincent<lb/>
behauptet; doch wider&#x017F;pricht ihm die Dar&#x017F;tellung Arrians durchaus.<lb/>
Die Zeit der Ankunft in Pattala bezeichnet Strabo mit dem Auf-<lb/>
gange (Fru&#x0364;haufgang) des Hunds&#x017F;terns, <hi rendition="#aq">Strabo XV. p.</hi> 259.</note>. Straßen und Ha&#x0364;u&#x017F;er waren leer, alles bewegliche<lb/>
Gut geflu&#x0364;chtet, die große Stadt wie ausge&#x017F;torben. Sofort wur-<lb/>
den einige leichte Truppen ausge&#x017F;andt, die Spur der Geflu&#x0364;chteten<lb/>
zu verfolgen; es gelang ihnen, Einige einzufangen; &#x017F;ie wurden vor<lb/>
den Ko&#x0364;nig gebracht, der &#x017F;ie mit unerwarteter Milde empfing,<lb/>
und &#x017F;ie an ihre Landsleute aus&#x017F;andte, mit der Aufforderung, in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[455/0469] von Lebensmitteln nach der Gedroſiſchen Kuͤſte, die Alexander demnaͤchſt zu durchziehen gedachte, hinab zu ſenden 114). Nach der Abſendung des Kraterus brach auch Alexander aus dem Gebiet der Sogdier auf; er ſelbſt fuhr mit der Flotte den Strom hinab, waͤhrend Pithon mit den berittenen Schuͤtzen und den Agrianern auf das rechte Stromufer hinuͤber ging, um die im Fuͤrſtenthum des Muſikanus errichteten Burgflecken zu bevoͤl- kern, die letzten Spuren von Unordnungen in dem hartgeſtraften Lande zu unterdruͤcken, und ſich dann in Pattala wieder mit dem Hauptheere zu vereinigen; das uͤbrige Heer fuͤhrte Hephaͤſtion auf dem linken Indusufer zu derſelben Stadt hinab. Aber ſchon am dritten Tage der Fahrt erhielt Alexander die Nachricht, daß der Fuͤrſt von Pattala, ſtatt Alles zum Empfange des Macedoniſchen Heeres zu bereiten, mit dem groͤßten Theile der Einwohner in die Wuͤſte geflohen ſei; vielleicht aus Furcht vor dem maͤchtigen Koͤ- nige, wahrſcheinlicher von den Braminen aufgeregt. Alexander eilte deſto ſchneller vorwaͤrts, uͤberall waren die Ortſchaften von den Einwohnern verlaſſen; er erreichte, es war gegen Ende Juli, Pattala 115). Straßen und Haͤuſer waren leer, alles bewegliche Gut gefluͤchtet, die große Stadt wie ausgeſtorben. Sofort wur- den einige leichte Truppen ausgeſandt, die Spur der Gefluͤchteten zu verfolgen; es gelang ihnen, Einige einzufangen; ſie wurden vor den Koͤnig gebracht, der ſie mit unerwarteter Milde empfing, und ſie an ihre Landsleute ausſandte, mit der Aufforderung, in 114) Diodor ſagt XVII. 105., daß Alexander aus der Wuͤſte Gedroſiens, als er in groͤßter Noth war, dieſen Befehl gab und daß derſelbe noch zur rechten Zeit erfuͤllt worden; aus dieſer wi- derſinnigen Angabe laͤßt ſich das richtige Sachverhaͤltniß, das ſich uͤbrigens auch von ſelbſt verſteht und durch Arrian Ind. wiederholentlich beſtaͤtigt wird, zur Genuͤge ſchließen. 115) Die Lage von Pattala, „da, wo ſich der Indusſtrom in zwei Arme zum Delta ſcheidet“ (Arrian), kann entweder auf die Stromſcheide von Tatta oder auf die von Hyderabad gehen; das erſte hat Vincent behauptet; doch widerſpricht ihm die Darſtellung Arrians durchaus. Die Zeit der Ankunft in Pattala bezeichnet Strabo mit dem Auf- gange (Fruͤhaufgang) des Hundsſterns, Strabo XV. p. 259.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/469
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/469>, abgerufen am 22.11.2024.