Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Schrecken; und als nun endlich gar bei dem weiteren Marsche,
da ein heftigerer Wind die Dünen der Wüste durcheinander trieb
und allen Weg spurlos verwehte, die landeingeborenen Führer ver-
irrten und nicht mehr wo noch wohin wußten, da sank auch dem
Muthigsten der Muth, und der Untergang schien Allen gewiß.
Alexander aber sammelte die kräftigsten der Ritter, eine kleine
Schaar, um sich, mit ihnen das Meer zu suchen, er beschwor sie,
die letzten Kräfte zusammen zu nehmen und ihm zu folgen. Sie
ritten mittagwärts durch die tiefen Dünen, von Durst gequält,
in der tiefsten Erschöpfung; die Pferde stürzten zusammen, die
Reuter vermochten nicht sich weiter zu schleppen, nur der König
mit fünf Anderen war unermüdlich vorgedrungen; sie sahen end-
lich die blaue See, sie ritten hinab, sie gruben mit ihren Schwerd-
tern im Sande nach süßem Wasser und ein Quell sprudelte her-
vor, sie zu erquicken; dann eilte Alexander zurück zum Heere und
führte es hinab an den kühleren Strand, und zu den süßen Quel-
len, die dort rieselten. Und die Führer fanden sich wieder zurecht,
und führten das Heer noch sieben Tage lang an der Küste, wo
an Wasser nicht Mangel und auch hie und da Vorräthe und
Dorfschaften waren; mit dem siebenten Tage wandte man sich
landeinwärts und zog durch fruchtprangende und heitere Gegenden
gen Pura, der Residenz der Satrapie Gedrosien 9).

9) Man hat die Darstellung des Zuges durch die Wüste für
übertrieben halten wollen. Neuere Berichte, namentlich Pottingers,
beweisen ihre Wahrhaftigkeit, die auch schon der Name Nearchs
verbürgen würde, aus dessen Denkwürdigkeiten Arrian und Strabo
ziemlich übereinstimmend excerpirt haben. Man vergleiche Pottin-
gers Tagebuch vom April, mit Strabo XV. p. 307 und Arrian VI.
23. Den Weg im Einzelnen zu verfolgen ist natürlich unmöglich,
doch scheint er nie über die Klippenzüge, die bis auf 10 bis 15
Meilen von der Küste entfernt sind, nordwärts gegangen zu sein.
Den schnell anschwellenden Strom hat man für den Dustee, der
mit dem Hindmend in Verbindung zu sein scheint, halten wollen,
doch ohne gehörigen Grund. Auch über die Lage von Pura läßt
sich nichts mit Bestimmtheit sagen, da der Name in Gedrosien
häufig zu sein scheint; doch möchte die Gegend des heutigen Puhra

Schrecken; und als nun endlich gar bei dem weiteren Marſche,
da ein heftigerer Wind die Duͤnen der Wuͤſte durcheinander trieb
und allen Weg ſpurlos verwehte, die landeingeborenen Fuͤhrer ver-
irrten und nicht mehr wo noch wohin wußten, da ſank auch dem
Muthigſten der Muth, und der Untergang ſchien Allen gewiß.
Alexander aber ſammelte die kraͤftigſten der Ritter, eine kleine
Schaar, um ſich, mit ihnen das Meer zu ſuchen, er beſchwor ſie,
die letzten Kraͤfte zuſammen zu nehmen und ihm zu folgen. Sie
ritten mittagwaͤrts durch die tiefen Duͤnen, von Durſt gequaͤlt,
in der tiefſten Erſchoͤpfung; die Pferde ſtuͤrzten zuſammen, die
Reuter vermochten nicht ſich weiter zu ſchleppen, nur der Koͤnig
mit fuͤnf Anderen war unermuͤdlich vorgedrungen; ſie ſahen end-
lich die blaue See, ſie ritten hinab, ſie gruben mit ihren Schwerd-
tern im Sande nach ſuͤßem Waſſer und ein Quell ſprudelte her-
vor, ſie zu erquicken; dann eilte Alexander zuruͤck zum Heere und
fuͤhrte es hinab an den kuͤhleren Strand, und zu den ſuͤßen Quel-
len, die dort rieſelten. Und die Fuͤhrer fanden ſich wieder zurecht,
und fuͤhrten das Heer noch ſieben Tage lang an der Kuͤſte, wo
an Waſſer nicht Mangel und auch hie und da Vorraͤthe und
Dorfſchaften waren; mit dem ſiebenten Tage wandte man ſich
landeinwaͤrts und zog durch fruchtprangende und heitere Gegenden
gen Pura, der Reſidenz der Satrapie Gedroſien 9).

9) Man hat die Darſtellung des Zuges durch die Wuͤſte fuͤr
uͤbertrieben halten wollen. Neuere Berichte, namentlich Pottingers,
beweiſen ihre Wahrhaftigkeit, die auch ſchon der Name Nearchs
verbuͤrgen wuͤrde, aus deſſen Denkwuͤrdigkeiten Arrian und Strabo
ziemlich uͤbereinſtimmend excerpirt haben. Man vergleiche Pottin-
gers Tagebuch vom April, mit Strabo XV. p. 307 und Arrian VI.
23. Den Weg im Einzelnen zu verfolgen iſt natuͤrlich unmoͤglich,
doch ſcheint er nie uͤber die Klippenzuͤge, die bis auf 10 bis 15
Meilen von der Kuͤſte entfernt ſind, nordwaͤrts gegangen zu ſein.
Den ſchnell anſchwellenden Strom hat man fuͤr den Duſtee, der
mit dem Hindmend in Verbindung zu ſein ſcheint, halten wollen,
doch ohne gehoͤrigen Grund. Auch uͤber die Lage von Pura laͤßt
ſich nichts mit Beſtimmtheit ſagen, da der Name in Gedroſien
haͤufig zu ſein ſcheint; doch moͤchte die Gegend des heutigen Puhra
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0489" n="475"/>
Schrecken; und als nun endlich gar bei dem weiteren Mar&#x017F;che,<lb/>
da ein heftigerer Wind die Du&#x0364;nen der Wu&#x0364;&#x017F;te durcheinander trieb<lb/>
und allen Weg &#x017F;purlos verwehte, die landeingeborenen Fu&#x0364;hrer ver-<lb/>
irrten und nicht mehr wo noch wohin wußten, da &#x017F;ank auch dem<lb/>
Muthig&#x017F;ten der Muth, und der Untergang &#x017F;chien Allen gewiß.<lb/>
Alexander aber &#x017F;ammelte die kra&#x0364;ftig&#x017F;ten der Ritter, eine kleine<lb/>
Schaar, um &#x017F;ich, mit ihnen das Meer zu &#x017F;uchen, er be&#x017F;chwor &#x017F;ie,<lb/>
die letzten Kra&#x0364;fte zu&#x017F;ammen zu nehmen und ihm zu folgen. Sie<lb/>
ritten mittagwa&#x0364;rts durch die tiefen Du&#x0364;nen, von Dur&#x017F;t gequa&#x0364;lt,<lb/>
in der tief&#x017F;ten Er&#x017F;cho&#x0364;pfung; die Pferde &#x017F;tu&#x0364;rzten zu&#x017F;ammen, die<lb/>
Reuter vermochten nicht &#x017F;ich weiter zu &#x017F;chleppen, nur der Ko&#x0364;nig<lb/>
mit fu&#x0364;nf Anderen war unermu&#x0364;dlich vorgedrungen; &#x017F;ie &#x017F;ahen end-<lb/>
lich die blaue See, &#x017F;ie ritten hinab, &#x017F;ie gruben mit ihren Schwerd-<lb/>
tern im Sande nach &#x017F;u&#x0364;ßem Wa&#x017F;&#x017F;er und ein Quell &#x017F;prudelte her-<lb/>
vor, &#x017F;ie zu erquicken; dann eilte Alexander zuru&#x0364;ck zum Heere und<lb/>
fu&#x0364;hrte es hinab an den ku&#x0364;hleren Strand, und zu den &#x017F;u&#x0364;ßen Quel-<lb/>
len, die dort rie&#x017F;elten. Und die Fu&#x0364;hrer fanden &#x017F;ich wieder zurecht,<lb/>
und fu&#x0364;hrten das Heer noch &#x017F;ieben Tage lang an der Ku&#x0364;&#x017F;te, wo<lb/>
an Wa&#x017F;&#x017F;er nicht Mangel und auch hie und da Vorra&#x0364;the und<lb/>
Dorf&#x017F;chaften waren; mit dem &#x017F;iebenten Tage wandte man &#x017F;ich<lb/>
landeinwa&#x0364;rts und zog durch fruchtprangende und heitere Gegenden<lb/>
gen Pura, der Re&#x017F;idenz der Satrapie Gedro&#x017F;ien <note xml:id="note-0489" next="#note-0490" place="foot" n="9)">Man hat die Dar&#x017F;tellung des Zuges durch die Wu&#x0364;&#x017F;te fu&#x0364;r<lb/>
u&#x0364;bertrieben halten wollen. Neuere Berichte, namentlich Pottingers,<lb/>
bewei&#x017F;en ihre Wahrhaftigkeit, die auch &#x017F;chon der Name Nearchs<lb/>
verbu&#x0364;rgen wu&#x0364;rde, aus de&#x017F;&#x017F;en Denkwu&#x0364;rdigkeiten Arrian und Strabo<lb/>
ziemlich u&#x0364;berein&#x017F;timmend excerpirt haben. Man vergleiche Pottin-<lb/>
gers Tagebuch vom April, mit <hi rendition="#aq">Strabo XV. p.</hi> 307 und <hi rendition="#aq">Arrian VI.</hi><lb/>
23. Den Weg im Einzelnen zu verfolgen i&#x017F;t natu&#x0364;rlich unmo&#x0364;glich,<lb/>
doch &#x017F;cheint er nie u&#x0364;ber die Klippenzu&#x0364;ge, die bis auf <hi rendition="#b">10</hi> bis <hi rendition="#b">15</hi><lb/>
Meilen von der Ku&#x0364;&#x017F;te entfernt &#x017F;ind, nordwa&#x0364;rts gegangen zu &#x017F;ein.<lb/>
Den &#x017F;chnell an&#x017F;chwellenden Strom hat man fu&#x0364;r den Du&#x017F;tee, der<lb/>
mit dem Hindmend in Verbindung zu &#x017F;ein &#x017F;cheint, halten wollen,<lb/>
doch ohne geho&#x0364;rigen Grund. Auch u&#x0364;ber die Lage von Pura la&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ich nichts mit Be&#x017F;timmtheit &#x017F;agen, da der Name in Gedro&#x017F;ien<lb/>
ha&#x0364;ufig zu &#x017F;ein &#x017F;cheint; doch mo&#x0364;chte die Gegend des heutigen Puhra</note>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0489] Schrecken; und als nun endlich gar bei dem weiteren Marſche, da ein heftigerer Wind die Duͤnen der Wuͤſte durcheinander trieb und allen Weg ſpurlos verwehte, die landeingeborenen Fuͤhrer ver- irrten und nicht mehr wo noch wohin wußten, da ſank auch dem Muthigſten der Muth, und der Untergang ſchien Allen gewiß. Alexander aber ſammelte die kraͤftigſten der Ritter, eine kleine Schaar, um ſich, mit ihnen das Meer zu ſuchen, er beſchwor ſie, die letzten Kraͤfte zuſammen zu nehmen und ihm zu folgen. Sie ritten mittagwaͤrts durch die tiefen Duͤnen, von Durſt gequaͤlt, in der tiefſten Erſchoͤpfung; die Pferde ſtuͤrzten zuſammen, die Reuter vermochten nicht ſich weiter zu ſchleppen, nur der Koͤnig mit fuͤnf Anderen war unermuͤdlich vorgedrungen; ſie ſahen end- lich die blaue See, ſie ritten hinab, ſie gruben mit ihren Schwerd- tern im Sande nach ſuͤßem Waſſer und ein Quell ſprudelte her- vor, ſie zu erquicken; dann eilte Alexander zuruͤck zum Heere und fuͤhrte es hinab an den kuͤhleren Strand, und zu den ſuͤßen Quel- len, die dort rieſelten. Und die Fuͤhrer fanden ſich wieder zurecht, und fuͤhrten das Heer noch ſieben Tage lang an der Kuͤſte, wo an Waſſer nicht Mangel und auch hie und da Vorraͤthe und Dorfſchaften waren; mit dem ſiebenten Tage wandte man ſich landeinwaͤrts und zog durch fruchtprangende und heitere Gegenden gen Pura, der Reſidenz der Satrapie Gedroſien 9). 9) Man hat die Darſtellung des Zuges durch die Wuͤſte fuͤr uͤbertrieben halten wollen. Neuere Berichte, namentlich Pottingers, beweiſen ihre Wahrhaftigkeit, die auch ſchon der Name Nearchs verbuͤrgen wuͤrde, aus deſſen Denkwuͤrdigkeiten Arrian und Strabo ziemlich uͤbereinſtimmend excerpirt haben. Man vergleiche Pottin- gers Tagebuch vom April, mit Strabo XV. p. 307 und Arrian VI. 23. Den Weg im Einzelnen zu verfolgen iſt natuͤrlich unmoͤglich, doch ſcheint er nie uͤber die Klippenzuͤge, die bis auf 10 bis 15 Meilen von der Kuͤſte entfernt ſind, nordwaͤrts gegangen zu ſein. Den ſchnell anſchwellenden Strom hat man fuͤr den Duſtee, der mit dem Hindmend in Verbindung zu ſein ſcheint, halten wollen, doch ohne gehoͤrigen Grund. Auch uͤber die Lage von Pura laͤßt ſich nichts mit Beſtimmtheit ſagen, da der Name in Gedroſien haͤufig zu ſein ſcheint; doch moͤchte die Gegend des heutigen Puhra

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/489
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/489>, abgerufen am 22.11.2024.