Reiche Kaschmir anzuerkennen 21). -- Von Medien her waren die Generale Herakon, Kleander, Sitalces und Agathon mit dem größten Theile ihrer Truppen gen Karamanien zu kommen beor- dert; und gekommen, mit ihnen zugleich viele ehrbare Einwohner der Provinz, die sie verklagten: sie hätten die Tempel geplündert, die Gräber aufgewühlt, sie hätten sich jede Art von Bedrückung und Frevel gegen die Unterthanen erlaubt, edle Jungfrauen geschändet, den Frieden der Ehen zerstört, auf alle Weise den Macedonischen Namen verhaßt gemacht, vor Allen sei Kleander, der Anführer der Hellenischen Veteranen, der Gegenstand allgemeiner Verwün- schungen. Diese Aussagen wurden durch die Zeugnisse und Be- schwerden vieler Soldaten bestätigt. Nur Herakon wußte sich zu rechtfertigen und wurde wieder auf freien Fuß gesetzt; Kleander, Sitalces und Agathon dagegen wurden vollständig überführt und nebst einer Menge mitschuldiger Soldaten, wie es heißt sechshun- dert, auf der Stelle niedergehauen. Dieses schnelle und strenge Ge- richt machte überall den tiefsten Eindruck; man gedachte der viel- fachen Rücksichten, welche der König haben mußte, diese Männer, die heimlichen Vollstrecker des Todesurtheils an Parmenion, und diese bedeutende Zahl alter Soldaten, deren er jetzt so sehr bedurfte, zu schonen; die Völker erkannten, daß der König in Wahrheit ihr Beschützer, daß es nicht sein Wille sei, sie wie Unterworfene behan- delt zu sehen; die Satrapen und Befehlshaber dagegen konnten erkennen, was auch sie zu erwarten hatten, wenn sie nicht mit rei- nem Gewissen vor den Stufen des Thrones zu erscheinen ver- mochten; manche von ihnen suchten, so wird erzählt, im Bewußt- sein ihrer Schuld, neue Schätze zusammen zu raffen, ihre Söld- nerschaaren zu verstärken, kurz sich so zu rüsten, um nöthigenfalls trotzen zu können; da erging ein königliches Schreiben an die Sa- trapen, welches gebot, sofort die Söldner, so viel nicht im Na- men des Königs geworben seien, zu entlassen, und demnächst in Person nach Susa zu kommen, um Rechenschaft abzulegen und sich über jede Beschwerde zu rechtfertigen 22).
21)Arrian. l. c. Curtius X. 1. 21.
22)Arrian VI. 27. 6., Curtius X. 1.
Reiche Kaſchmir anzuerkennen 21). — Von Medien her waren die Generale Herakon, Kleander, Sitalces und Agathon mit dem groͤßten Theile ihrer Truppen gen Karamanien zu kommen beor- dert; und gekommen, mit ihnen zugleich viele ehrbare Einwohner der Provinz, die ſie verklagten: ſie haͤtten die Tempel gepluͤndert, die Graͤber aufgewuͤhlt, ſie haͤtten ſich jede Art von Bedruͤckung und Frevel gegen die Unterthanen erlaubt, edle Jungfrauen geſchaͤndet, den Frieden der Ehen zerſtoͤrt, auf alle Weiſe den Macedoniſchen Namen verhaßt gemacht, vor Allen ſei Kleander, der Anfuͤhrer der Helleniſchen Veteranen, der Gegenſtand allgemeiner Verwuͤn- ſchungen. Dieſe Ausſagen wurden durch die Zeugniſſe und Be- ſchwerden vieler Soldaten beſtaͤtigt. Nur Herakon wußte ſich zu rechtfertigen und wurde wieder auf freien Fuß geſetzt; Kleander, Sitalces und Agathon dagegen wurden vollſtaͤndig uͤberfuͤhrt und nebſt einer Menge mitſchuldiger Soldaten, wie es heißt ſechshun- dert, auf der Stelle niedergehauen. Dieſes ſchnelle und ſtrenge Ge- richt machte uͤberall den tiefſten Eindruck; man gedachte der viel- fachen Ruͤckſichten, welche der Koͤnig haben mußte, dieſe Maͤnner, die heimlichen Vollſtrecker des Todesurtheils an Parmenion, und dieſe bedeutende Zahl alter Soldaten, deren er jetzt ſo ſehr bedurfte, zu ſchonen; die Voͤlker erkannten, daß der Koͤnig in Wahrheit ihr Beſchuͤtzer, daß es nicht ſein Wille ſei, ſie wie Unterworfene behan- delt zu ſehen; die Satrapen und Befehlshaber dagegen konnten erkennen, was auch ſie zu erwarten hatten, wenn ſie nicht mit rei- nem Gewiſſen vor den Stufen des Thrones zu erſcheinen ver- mochten; manche von ihnen ſuchten, ſo wird erzaͤhlt, im Bewußt- ſein ihrer Schuld, neue Schaͤtze zuſammen zu raffen, ihre Soͤld- nerſchaaren zu verſtaͤrken, kurz ſich ſo zu ruͤſten, um noͤthigenfalls trotzen zu koͤnnen; da erging ein koͤnigliches Schreiben an die Sa- trapen, welches gebot, ſofort die Soͤldner, ſo viel nicht im Na- men des Koͤnigs geworben ſeien, zu entlaſſen, und demnaͤchſt in Perſon nach Suſa zu kommen, um Rechenſchaft abzulegen und ſich uͤber jede Beſchwerde zu rechtfertigen 22).
21)Arrian. l. c. Curtius X. 1. 21.
22)Arrian VI. 27. 6., Curtius X. 1.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0502"n="488"/>
Reiche Kaſchmir anzuerkennen <noteplace="foot"n="21)"><hirendition="#aq">Arrian. l. c. Curtius X.</hi> 1. 21.</note>. — Von Medien her waren<lb/>
die Generale Herakon, Kleander, Sitalces und Agathon mit dem<lb/>
groͤßten Theile ihrer Truppen gen Karamanien zu kommen beor-<lb/>
dert; und gekommen, mit ihnen zugleich viele ehrbare Einwohner der<lb/>
Provinz, die ſie verklagten: ſie haͤtten die Tempel gepluͤndert, die<lb/>
Graͤber aufgewuͤhlt, ſie haͤtten ſich jede Art von Bedruͤckung und<lb/>
Frevel gegen die Unterthanen erlaubt, edle Jungfrauen geſchaͤndet,<lb/>
den Frieden der Ehen zerſtoͤrt, auf alle Weiſe den Macedoniſchen<lb/>
Namen verhaßt gemacht, vor Allen ſei Kleander, der Anfuͤhrer<lb/>
der Helleniſchen Veteranen, der Gegenſtand allgemeiner Verwuͤn-<lb/>ſchungen. Dieſe Ausſagen wurden durch die Zeugniſſe und Be-<lb/>ſchwerden vieler Soldaten beſtaͤtigt. Nur Herakon wußte ſich zu<lb/>
rechtfertigen und wurde wieder auf freien Fuß geſetzt; Kleander,<lb/>
Sitalces und Agathon dagegen wurden vollſtaͤndig uͤberfuͤhrt und<lb/>
nebſt einer Menge mitſchuldiger Soldaten, wie es heißt ſechshun-<lb/>
dert, auf der Stelle niedergehauen. Dieſes ſchnelle und ſtrenge Ge-<lb/>
richt machte uͤberall den tiefſten Eindruck; man gedachte der viel-<lb/>
fachen Ruͤckſichten, welche der Koͤnig haben mußte, dieſe Maͤnner,<lb/>
die heimlichen Vollſtrecker des Todesurtheils an Parmenion, und<lb/>
dieſe bedeutende Zahl alter Soldaten, deren er jetzt ſo ſehr bedurfte,<lb/>
zu ſchonen; die Voͤlker erkannten, daß der Koͤnig in Wahrheit ihr<lb/>
Beſchuͤtzer, daß es nicht ſein Wille ſei, ſie wie Unterworfene behan-<lb/>
delt zu ſehen; die Satrapen und Befehlshaber dagegen konnten<lb/>
erkennen, was auch ſie zu erwarten hatten, wenn ſie nicht mit rei-<lb/>
nem Gewiſſen vor den Stufen des Thrones zu erſcheinen ver-<lb/>
mochten; manche von ihnen ſuchten, ſo wird erzaͤhlt, im Bewußt-<lb/>ſein ihrer Schuld, neue Schaͤtze zuſammen zu raffen, ihre Soͤld-<lb/>
nerſchaaren zu verſtaͤrken, kurz ſich ſo zu ruͤſten, um noͤthigenfalls<lb/>
trotzen zu koͤnnen; da erging ein koͤnigliches Schreiben an die Sa-<lb/>
trapen, welches gebot, ſofort die Soͤldner, ſo viel nicht im Na-<lb/>
men des Koͤnigs geworben ſeien, zu entlaſſen, und demnaͤchſt in<lb/>
Perſon nach Suſa zu kommen, um Rechenſchaft abzulegen und<lb/>ſich uͤber jede Beſchwerde zu rechtfertigen <noteplace="foot"n="22)"><hirendition="#aq">Arrian VI. 27. 6.,<lb/>
Curtius X.</hi> 1.</note>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[488/0502]
Reiche Kaſchmir anzuerkennen 21). — Von Medien her waren
die Generale Herakon, Kleander, Sitalces und Agathon mit dem
groͤßten Theile ihrer Truppen gen Karamanien zu kommen beor-
dert; und gekommen, mit ihnen zugleich viele ehrbare Einwohner der
Provinz, die ſie verklagten: ſie haͤtten die Tempel gepluͤndert, die
Graͤber aufgewuͤhlt, ſie haͤtten ſich jede Art von Bedruͤckung und
Frevel gegen die Unterthanen erlaubt, edle Jungfrauen geſchaͤndet,
den Frieden der Ehen zerſtoͤrt, auf alle Weiſe den Macedoniſchen
Namen verhaßt gemacht, vor Allen ſei Kleander, der Anfuͤhrer
der Helleniſchen Veteranen, der Gegenſtand allgemeiner Verwuͤn-
ſchungen. Dieſe Ausſagen wurden durch die Zeugniſſe und Be-
ſchwerden vieler Soldaten beſtaͤtigt. Nur Herakon wußte ſich zu
rechtfertigen und wurde wieder auf freien Fuß geſetzt; Kleander,
Sitalces und Agathon dagegen wurden vollſtaͤndig uͤberfuͤhrt und
nebſt einer Menge mitſchuldiger Soldaten, wie es heißt ſechshun-
dert, auf der Stelle niedergehauen. Dieſes ſchnelle und ſtrenge Ge-
richt machte uͤberall den tiefſten Eindruck; man gedachte der viel-
fachen Ruͤckſichten, welche der Koͤnig haben mußte, dieſe Maͤnner,
die heimlichen Vollſtrecker des Todesurtheils an Parmenion, und
dieſe bedeutende Zahl alter Soldaten, deren er jetzt ſo ſehr bedurfte,
zu ſchonen; die Voͤlker erkannten, daß der Koͤnig in Wahrheit ihr
Beſchuͤtzer, daß es nicht ſein Wille ſei, ſie wie Unterworfene behan-
delt zu ſehen; die Satrapen und Befehlshaber dagegen konnten
erkennen, was auch ſie zu erwarten hatten, wenn ſie nicht mit rei-
nem Gewiſſen vor den Stufen des Thrones zu erſcheinen ver-
mochten; manche von ihnen ſuchten, ſo wird erzaͤhlt, im Bewußt-
ſein ihrer Schuld, neue Schaͤtze zuſammen zu raffen, ihre Soͤld-
nerſchaaren zu verſtaͤrken, kurz ſich ſo zu ruͤſten, um noͤthigenfalls
trotzen zu koͤnnen; da erging ein koͤnigliches Schreiben an die Sa-
trapen, welches gebot, ſofort die Soͤldner, ſo viel nicht im Na-
men des Koͤnigs geworben ſeien, zu entlaſſen, und demnaͤchſt in
Perſon nach Suſa zu kommen, um Rechenſchaft abzulegen und
ſich uͤber jede Beſchwerde zu rechtfertigen 22).
21) Arrian. l. c. Curtius X. 1. 21.
22) Arrian VI. 27. 6.,
Curtius X. 1.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/502>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.