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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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offen mit ihnen handele. Dann ließ er Tische an verschiedenen
Punkten des Lagers aufstellen und Goldstücke aufschütten, mit
dem Befehl, daß Jedem, der eine Rechnung vorzeige, der Betrag
derselben, ohne weiter nach seinem Namen zu fragen, ausgezahlt
werden sollte. Nun kamen sie alle ohne ferneres Mistrauen und
freuten sich nicht sowohl, daß sie ihrer Schulden los würden, als
daß dieselben nicht weiter bekannt würden; denn diese tapferen
Männer hatten mit mehr als denkbarer Sorglosigkeit gewirthschaf-
tet; trotz aller Beute und aller königlichen Geschenke war doch
das ganze Heer so tief in Schulden, daß zu ihrer Deckung nicht
weniger als zwanzigtausend Talente gehörten 37). Namentlich hat-
ten die Offiziere ungeheuer verschwendet, und da der König sich
oft misbilligend über ihren wahnsinnigen Aufwand geäußert hatte,
mochten sie sehr froh sein, ohne sein weiteres Wissen an den
Geldtisch treten und ihren erschütterten Finanzen schnell aufhelfen
zu können. Auch Antigenes, der Führer der Hypaspisten in
der Schlacht am Hydaspes, der im Jahre 340 vor Perinth ein Auge
verloren hatte und wegen seiner Bravour und seiner Habsucht
gleich bekannt war, trat damals an den Goldtisch und ließ sich
eine namhafte Summe auszahlen; dann wurde entdeckt, daß er
ohne alle Schulden, und die vorgezeigten Rechnungen falsch seien.
Alexander war über diese schmutzige Geldiger sehr erzürnt, ver-
wies den Antigenes vom Hofe und nahm ihm sein Kommando.
Der tapfere General wurde durch diese Beschimpfung außer sich
gebracht, und man konnte nicht zweifeln, daß er sich in seiner
Trauer und Schwermuth ein Leides anthun werde. Das nun
jammerte den König, er eilte dem tapferen und treuen Veteranen
zu verzeihen, rief ihn an den Hof zurück, gab ihm sein Kommando
wieder, und ließ ihm die Summe, die er in Anspruch genom-
men 38). Zu gleicher Zeit mit jener großen Schuldentilgung ver-

37) So nach Arrian. VII. 5.; Plutarch Alex. 70. sagt neun-
hundert und siebzig Talente; Curtius X. 2. 10. und Diodor XVII.
109. sprechen eigentlich von dieser Schuldentilgung zu Susa gar
nicht, sondern meinen die Geschenke an die zehntausend aus Opis
heimkehrenden Veteranen, verwechseln diese aber allerdings mit
dem, was in Susa geschah.
38) Plutarch l. c.; nach Plutarch

offen mit ihnen handele. Dann ließ er Tiſche an verſchiedenen
Punkten des Lagers aufſtellen und Goldſtuͤcke aufſchuͤtten, mit
dem Befehl, daß Jedem, der eine Rechnung vorzeige, der Betrag
derſelben, ohne weiter nach ſeinem Namen zu fragen, ausgezahlt
werden ſollte. Nun kamen ſie alle ohne ferneres Mistrauen und
freuten ſich nicht ſowohl, daß ſie ihrer Schulden los wuͤrden, als
daß dieſelben nicht weiter bekannt wuͤrden; denn dieſe tapferen
Maͤnner hatten mit mehr als denkbarer Sorgloſigkeit gewirthſchaf-
tet; trotz aller Beute und aller koͤniglichen Geſchenke war doch
das ganze Heer ſo tief in Schulden, daß zu ihrer Deckung nicht
weniger als zwanzigtauſend Talente gehoͤrten 37). Namentlich hat-
ten die Offiziere ungeheuer verſchwendet, und da der Koͤnig ſich
oft misbilligend uͤber ihren wahnſinnigen Aufwand geaͤußert hatte,
mochten ſie ſehr froh ſein, ohne ſein weiteres Wiſſen an den
Geldtiſch treten und ihren erſchuͤtterten Finanzen ſchnell aufhelfen
zu koͤnnen. Auch Antigenes, der Fuͤhrer der Hypaspiſten in
der Schlacht am Hydaspes, der im Jahre 340 vor Perinth ein Auge
verloren hatte und wegen ſeiner Bravour und ſeiner Habſucht
gleich bekannt war, trat damals an den Goldtiſch und ließ ſich
eine namhafte Summe auszahlen; dann wurde entdeckt, daß er
ohne alle Schulden, und die vorgezeigten Rechnungen falſch ſeien.
Alexander war uͤber dieſe ſchmutzige Geldiger ſehr erzuͤrnt, ver-
wies den Antigenes vom Hofe und nahm ihm ſein Kommando.
Der tapfere General wurde durch dieſe Beſchimpfung außer ſich
gebracht, und man konnte nicht zweifeln, daß er ſich in ſeiner
Trauer und Schwermuth ein Leides anthun werde. Das nun
jammerte den Koͤnig, er eilte dem tapferen und treuen Veteranen
zu verzeihen, rief ihn an den Hof zuruͤck, gab ihm ſein Kommando
wieder, und ließ ihm die Summe, die er in Anſpruch genom-
men 38). Zu gleicher Zeit mit jener großen Schuldentilgung ver-

37) So nach Arrian. VII. 5.; Plutarch Alex. 70. ſagt neun-
hundert und ſiebzig Talente; Curtius X. 2. 10. und Diodor XVII.
109. ſprechen eigentlich von dieſer Schuldentilgung zu Suſa gar
nicht, ſondern meinen die Geſchenke an die zehntauſend aus Opis
heimkehrenden Veteranen, verwechſeln dieſe aber allerdings mit
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[500/0514] offen mit ihnen handele. Dann ließ er Tiſche an verſchiedenen Punkten des Lagers aufſtellen und Goldſtuͤcke aufſchuͤtten, mit dem Befehl, daß Jedem, der eine Rechnung vorzeige, der Betrag derſelben, ohne weiter nach ſeinem Namen zu fragen, ausgezahlt werden ſollte. Nun kamen ſie alle ohne ferneres Mistrauen und freuten ſich nicht ſowohl, daß ſie ihrer Schulden los wuͤrden, als daß dieſelben nicht weiter bekannt wuͤrden; denn dieſe tapferen Maͤnner hatten mit mehr als denkbarer Sorgloſigkeit gewirthſchaf- tet; trotz aller Beute und aller koͤniglichen Geſchenke war doch das ganze Heer ſo tief in Schulden, daß zu ihrer Deckung nicht weniger als zwanzigtauſend Talente gehoͤrten 37). Namentlich hat- ten die Offiziere ungeheuer verſchwendet, und da der Koͤnig ſich oft misbilligend uͤber ihren wahnſinnigen Aufwand geaͤußert hatte, mochten ſie ſehr froh ſein, ohne ſein weiteres Wiſſen an den Geldtiſch treten und ihren erſchuͤtterten Finanzen ſchnell aufhelfen zu koͤnnen. Auch Antigenes, der Fuͤhrer der Hypaspiſten in der Schlacht am Hydaspes, der im Jahre 340 vor Perinth ein Auge verloren hatte und wegen ſeiner Bravour und ſeiner Habſucht gleich bekannt war, trat damals an den Goldtiſch und ließ ſich eine namhafte Summe auszahlen; dann wurde entdeckt, daß er ohne alle Schulden, und die vorgezeigten Rechnungen falſch ſeien. Alexander war uͤber dieſe ſchmutzige Geldiger ſehr erzuͤrnt, ver- wies den Antigenes vom Hofe und nahm ihm ſein Kommando. Der tapfere General wurde durch dieſe Beſchimpfung außer ſich gebracht, und man konnte nicht zweifeln, daß er ſich in ſeiner Trauer und Schwermuth ein Leides anthun werde. Das nun jammerte den Koͤnig, er eilte dem tapferen und treuen Veteranen zu verzeihen, rief ihn an den Hof zuruͤck, gab ihm ſein Kommando wieder, und ließ ihm die Summe, die er in Anſpruch genom- men 38). Zu gleicher Zeit mit jener großen Schuldentilgung ver- 37) So nach Arrian. VII. 5.; Plutarch Alex. 70. ſagt neun- hundert und ſiebzig Talente; Curtius X. 2. 10. und Diodor XVII. 109. ſprechen eigentlich von dieſer Schuldentilgung zu Suſa gar nicht, ſondern meinen die Geſchenke an die zehntauſend aus Opis heimkehrenden Veteranen, verwechſeln dieſe aber allerdings mit dem, was in Suſa geſchah. 38) Plutarch l. c.; nach Plutarch

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/514>, abgerufen am 22.11.2024.